Interview mit Kanzler v. Fircks zur Lage und zu den Perspektiven des FU-Haushalts

Wie macht man aus einem Prof.- ein Profit-Center?


FU:N: Herr v. Fircks, Sie sind erst seit kurzem an der FU und sprechen von sich noch immer gern als "Neuling". Was sind Ihre Eindrücke der ersten Monate?

v. Fircks: Wenn ich von mir weiterhin als Neuling spreche, möchte ich damit gleich zwei Gesichtspunkten Rechnung tragen: Einmal ist die Freie Universität so groß und vielfältig, daß es schon die Fairneß gebietet, wenn ich jedem Gesprächspartner die Möglichkeit einräume, mich in anstehenden Entscheidungssituationen auf kompliziertere Vorgeschichten und untypische Regelungshintergründe hinzuweisen. Zweitens gibt mir dieser Hinweis aber auch die Möglichkeit, auf die andernorts für vergleichbare Sachverhalte bestehenden Regelungen hinzuweisen. Ich habe den Eindruck, daß die frühere Insellage Berlins und der Standort Dahlem zu Sonderregelungen geführt haben, die nicht immer funktional sinnvoll sind. Denken Sie an die fehlenden wissenschaftlichen Hilfskräfte, die besonderen Regelungen für befristet Beschäftigte in der Lehrverpflichtungsverordnung, aber auch an baurechtliche und haushaltsrechtliche Verfahrensbestimmungen, die oft die Beteiligung vieler Instanzen erzwingen. Trotz dieser Schwierigkeiten sind meine Eindrücke von den ersten Monaten sehr positiv. Angesichts der schwierigen finanziellen Situation ist die Stimmung erstaunlich positiv, der Umgang untereinander fair und in den Gremien durch Respekt und die Bereitschaft zum Zuhören geprägt. Die allseits spürbare, konzentrierte Suche nach dem richtigen Weg ist eine gute Grundlage für die interne Zusammenarbeit und externe Durchsetzung getroffener Beschlüsse.


FU:N: Wenn alles gutgeht, wie soll die FU in zehn Jahren aussehen?

v. Fircks: Sie sollte weiterhin einen Haushaltszuschuß außerhalb des Medizinbereiches von ca. 500 Millionen DM, aber ca. ebenso hohe Einnahmen aus Drittmitteln, Weiterbildungsangeboten, erwerbswirtschaftlichem Gebäudemanagement und sonstigen produktiven Tätigkeiten haben. Dies würde es ihr ermöglichen, mit ca. 600 Professuren, davon 200 Professorinnen, weiterhin das komplette Fächerspektrum außerhalb der Ingenieurwissenschaften, insbesondere auch die kleinen Fächer, anzubieten. Die Studierendenzahl würde sich bei 35 000 einpendeln. Niemand sollte länger als 15 Semester studieren, 90 Prozent zu einem Abschluß kommen, wozu auch der Bachelor gehört. In jedem Studiengang gäbe es ein Graduiertenkolleg und jeder Fachbereich wäre an mindestens einem Sonderforschungsbereich beteiligt. Die Zahl der Gebäude hätte sich auf 150 konsolidiert, etwa die Hälfte davon wären Villen. Es gäbe eine weitgehend als Service-Center organisierte Zentralverwaltung, die auch für den medizinischen Bereich zuständig wäre, und für alles fände eine kaufmännische Buchführung mit Leistungs- und Kostenrechnung statt, wobei 70 Prozent der Mittel nach quantitativen Leistungskriterien, die übrigen nach qualitativen Kriterien vergeben würden.

FU:N: Die FU muß drastisch sparen. Auch beim Mittelbau. Wie wollen Sie verhindern, daß es zu einer Überalterung der Universität kommt, wenn der Mittelbau keine Chance auf Anstellung hat?

v. Fircks: Es ist anzustreben, daß sich das Verhältnis der Mittelbaustellen pro Professur gegenüber dem jetzigen Zustand verbessert, weil davon die zukünftige Entwicklung der Universität und ihrer Fächer lebt. Deshalb ist vorrangig in der Infrastruktur zu sparen, insbesondere indem alle nicht unbedingt erforderlichen Flächen aufgegeben werden. Dadurch können Mieten eingespart oder Verkaufserlöse erzielt werden. Außerdem sind die Dienstleistungen so umzustrukturieren, daß der Personalaufwand minimiert und die jeweils wirtschaftlich günstigste Organisationsform erreicht wird.

FU:N: Der Gesamtpersonalrat hat ausgerechnet, daß allein im Bereich Dahlem bis zum Jahr 2003 ein Drittel aller Stellen gestrichen werden soll. Um die Mitarbeiter halten zu können, seien rund 46 Millionen Mark erforderlich. Woher soll das Geld kommen?

v. Fircks: Diese Berechnung ist leider noch zu positiv, in Wirklichkeit werden wir aufgrund der selbst zu finanzierenden zusätzlichen Versorgungslasten noch einen größeren Fehlbedarf haben. Ein Ausgleich wird nur möglich sein, wenn wir eigene Einnahmen in ganz erheblichem Umfange durch wirtschaftliche Tätigkeiten und Veräußerung von Immobilien erzielen. Mein Ziel ist es, daß wir dabei, wenn auch in anderer Rechtsform, das komplette Dienstleistungsspektrum erhalten, da dieses auch Bestandteil der hervorragenden Leistungen der FU in der Vergangenheit war. Es darf jedoch nicht so sein, daß aufgrund des Zwanges zur Finanzierung der Dienstleistungen die Lehr- und Forschungsbereiche nicht mehr ausgestattet werden können.

FU:N: Wird die FU dann überhaupt um betriebsbedingte Kündigungen herumkommen?

v. Fircks: Ja, wenn wir gemeinsam jetzt schnell den Umstrukturierungsprozeß beginnen und zu effektiveren Organisationsformen kommen.

FU:N: Wie weit ist die Personalentwicklungsplanung PEP mit ihren Überlegungen?

v. Fircks: Leider hat es bisher erst zahlreiche und schwierige Vorgespräche zu diesem Thema mit unseren Personalräten gegeben. Über den eigentlichen Prozeß, der hoffentlich im November beginnt, soll eine gemeinsame Dienstvereinbarung, die die Spielregeln f estlegt, abgeschlossen werden. Dieser Diskussion möchte ich hier nicht vorgreifen.

FU:N: Derzeit gibt es Überlegungen, Servicebereiche in eine GmbH auszulagern. Welche Bereiche betrifft das? Wann soll es losgehen? Und welche Folgen hat das für Mitarbeiter in den betroffenen Bereichen?

v. Fircks: Derartige Überlegungen gibt es sowohl im Bereich des Klinikums wie auch allgemein in der Zentralverwaltung. Es handelt sich dabei um eine Umkehrung zu der bisherigen einseitigen Abgabe an außenstehende Dritte, indem wir selbst die Vorteile einer privatwirtschaftlichen Organisation und der dabei möglichen Gewinnerzielung nutzen wollen. Die GmbH ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, um die viel zu teuer gewordenen Strukturen ablösen zu können. In die Überlegungen sollte man eigentlich alle Dienstleistungsaufgaben, bis hin zur Prozeßvertretung oder dem Betrieb einer Telefonanlage einbeziehen. Natürlich sollten wir mit den Teilbereichen beginnen, bei denen eine wirtschaftsnahe Organisation den geringsten Schwierigkeiten begegnet, wie z. B. im Reinigungsbereich, bei der Weiterbildung, bei der Bewirtschaftung von Drittmitteln usw.. Je nach Fortgang der Beratungen mit den Personalräten bei der Personalentwicklungsplanung sollte es 1998 losgehen. Die Folgen für die Mitarbeiter der betroffenen Bereiche sind sicherlich positiv, da sie dadurch ein zusätzliches Wahlrecht erhalten, nämlich entweder mit allen Rechten und Pflichten in der neuen Organisationsform, die regelmäßig Gewinnbeteiligungen vorsehen wird, tätig zu sein, oder sich hierfür beurlauben zu lassen oder aber bei unverändertem Arbeitsverhältnis zur Universität im Rahmen des Weisungsrechtes für diese tätig zu sein.

FU:N: Sachmittel und Personalmittel sollen künftig flexibler, d.h. leistungsbezogener vergeben werden. Bislang trifft dies für 20 Prozent der freien Sachmittel zu. Im kommenden Jahr sollen auch die Personalmittel einbezogen werden. Nach welchen Kriterien erfolgt dann die Mittelvergabe? Wer kontrolliert die Vergabe?


v. Fircks: Im Rahmen eines Projektes der VW-Stiftung wird derzeit an der Freien Universität überprüft, wie weit die bisherigen leistungsbezogenen und qualitativen Kriterien für die Mittelverteilung sinnvoll waren, welche Wirkung sie hatten und wie man sie weiterentwickeln kann. Ich gehe davon aus, daß durch Leistungsvereinbarungen bei der Berufung von Professoren sowie innerhalb der Fachbereiche und anschließend durch Leistungsvereinbarungen der Fachbereiche mit der Universitätsleitung zusätzliche, nachprüfbare Kriterien entstehen werden. Aber im Wesentlichen werden die bisherigen Kriterien, also die Zahl der Studierenden, der Studienabschlüsse, der Promotionen, die eingeworbenen Drittmittel und Publikationen als quantitative Größen beibehalten werden, ergänzt um qualitative Aspekte wie Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs, interne Frauenförderung und Evaluationsberichte. Auf der zentralen Ebene kontrollieren einerseits die Dekane und andererseits der Senat die Universitätsleitung, auf der dezentralen Ebene werden die Dekane sowohl von den Mitgliedern ihres Fachbereiches informell als auch formell durch den Fachbereichsrat und die Universitätsleitung kontrolliert.


FU:N: Wieviele Haushaltsmittel sollen denn künftig leistungsbezogen vergeben werden?


v. Fircks: Anzustreben wäre aus meiner Sicht, daß 100 Prozent leistungsbezogen vergeben werden, wobei ich von ca. 70 Prozent nach quantitativen und 30 Prozent nach qualitativen Kriterien ausgehe und dabei auch Leistungsvereinbarungen einbeziehe. Dies gilt selbstverständlich auch für die Dienstleistungen der Verwaltung, für die ich im Rahmen der Erprobungsklausel auch entsprechende Vorschläge mache.


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