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Jan Kelch


Vielleicht hätte Jan Kelch heute eine Professur am Kunsthistorischen Institut der FU, wäre da nicht 1971 das Angebot der Berliner Gemäldegalerie gekommen. Damals war Kelch Assistent bei den Kunsthistorikern, als ihm die Stelle des Oberkustos für die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts offeriert wurde. Kelch, der an der FU über den holländischen Marinemaler Simon de Vlieger promoviert hatte, mußte nicht lang e überlegen: "Dazu gab es einfach keine Alternative." Und so wechselte er von der Uni ans Museum.
Seit ein paar Wochen steht der 57jährige, der unter anderem die große Rembrandt-Ausstellung im Alten Museum vor fünf Jahren organisiert hat, an der Spitze der Berliner Gemäldegalerie. Am 1. Dezember 1996 hat Kelch als Nachfolger v on Henning Bock das Amt des Direktors übernommen. Die holländische Malerei wird auch künftig sein Fachgebiet bleiben. Gegenwärtig bereitet Kelch eine Ausstellung über holländische Marinemalerei vor. "Herren der Meere, Me ister der Kunst" wird derzeit in Rotterdam präsentiert; im März ist die Ausstellung im Bode-Museum zu sehen. Etwas wehmütig ist Kelch bei dem Gedanken zumute, daß dies die Abschiedsausstellung im sogenannten Stammhaus sein wird. Im Mai beginnt dann der seit langem geplante Umzug in den von den Münchner Architekten Hilmer und Sattler entworfenen Neubau am Kulturforum. Ein halbes Jahrhundert waren die Bildbestände der Dahlemer Gemäldegalerie und des Bode-Museums getr ennt. Die rund 3.000 Bilder werden nun wieder vereint und sollen, so wünscht es sich Kelch, endlich zur Ruhe kommen.
Nicht immer hat Kelch seine berufliche Zukunft als Kunsthistoriker gesehen. Eigentlich wollte er einmal Filmarchitekt werden, entschied sich aber schließlich gegen die Baugeschichte und für die Kunstgeschichte. Mit den Nebenfächern Arc häologie und Theaterwissenschaft begann der gebürtige Berliner 1964 das Studium an der FU. Nach ein paar Semestern zog es ihn nach München, dann kehrte er aber wieder nach Berlin zurück. Durchaus stolz gesteht er, ein bis zwei Jahre se iner Studienzeit auf Vollversammlungen verbracht zu haben. "Es war eine sehr anregende Zeit, und schließlich haben wir damals die neue Hochschulgesetzgebung erreicht."
Auch wenn Kelch der Universität nach Studium und Promotion den Rücken kehrte, hat er hier an der Gemäldegalerie immer darauf geachtet, den Kontakt zur Universität zu halten. Begeistert erzählt er von der Zusammenarbeit mit dem Hahn-Meitner-Institut; für Kelch ein Beispiel dafür, wie zwei exklusive Bereiche - nämlich Atomphysik und Kunstgeschichte - kooperieren können. Seit über zehn Jahren wird die Neutronenbestrahlung von Gemälden praktiziert. Ei ne Methode, die in Kombination mit der Röntgenbestrahlung sichtbar macht, was sich unter der Oberfläche eines Bildes befindet. Aus dem Bereich der holländischen Malerei wurden bisher an die 100 Bilder bestrahlt. Die Befunde sind oft erstaun lich: So ergab sich zum Beispiel für Rembrandts "Mann mit dem Goldhelm", daß das Bild unter der Oberfläche nicht Rembrandt, sondern lediglich "rembrandesk" ist.
Für die Zukunft hat sich Jan Kelch vor allem eines vorgenommen: Obwohl die Sammlung der Berliner Gemäldegalerie, die im übrigen eine der umfangreichsten in der Stadt ist, weltweit eine große Reputation genießt, ist sie von B erlinern nie so richtig angenommen worden. Genau das möchte Kelch ändern, und zwar mit einer verbesserten ˆffentlichkeitsarbeit, pädagogischen Programmen und kleineren Wechselausstellungen. Er hofft, daß sich die Berliner dann irgendw ann einmal mit ihrer Gemäldegalerie identifizieren werden.
Christina Engel


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