Politische Ambition und ökonomisches Fiasko

Die Währungsunion à la Kohl


Um die Abschaffung der Deutschen Mark geht es nur vordergründig bei der Währungsunion. In Wahrheit folgt sie einer Politik, die ökonomische Flickschusterei auf Kosten Europas betreibt.

Das beginnt bei den Maßstäben, die an ihre Verwirklichung gelegt werden: Die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages, von denen das wichtigste darin besteht, daß das staatliche Budgetdefizit nicht mehr als 3% des Bruttoinlandsprodukts umfassen darß die Auswahl der Länder der Europäischen Union; der Zeitpunkt am 1.1.1999. Aber nur zwei der drei Maßsstäbe sind realistisch. Werden die Konvergenzkriterien und der frühe Zeitpunkt erfüllt, so bleibt die Auswahl der Länder notgedrungen klein. Die Sache läuft dann auf eine Zweierunion Deutschland/Frankreich mit einigen angrenzenden Ländern hinaus. Die Skeptiker wiederum neigen dazu, den Einführungstermin zu verschieben, damit die Konvergenzkriterien von möglichst vielen Ländern erfüllt werden können. Vor allem Wissenschaftler plädieren (und so plädiere auch ich) für eine Aufweichung der Konvergenzkriterien, weil sie sowieso willkürlich festgelegt seien.

Viele Befürworter einer Währungsunion hegen die Illusion, daß allein eine restriktive Geldpolitik à la Bundesbank die beteiligten Länder zur monetären Disziplin zwingt. Eine zutiefst romantische Vorstellung, die schnell von harten Realitäten widerlegt werden wird.


Diese Willkür weist darauf hin, daß völlig inhomogene Volkswirtschaften, von Spanien bis Dänemark, von Deutschland bis Italien, eine einheitliche Währung bekommen sollen. Dabei wird die Währungsunion gerne als Vollendung der Integration bezeichnet. Das aber ist ein Irrtum. Denn Integration heißt erst einmal nur, Märkte füreinander zu öffnen. Formen dieser Integration lassen den eigenständigen Charakter der Ökonomien unangetastet. Das aber ist bei einer einheitlichen Währung anders. So drückt sich der eigenständige Charakter einer Ökonomie im Wechselkurs aus - der Preis zwischen Währungen, den zwar politische Instanzen festsetzen, der aber durch eine Revision ökonomische Disparitäten zwischen Volkswirtschaften auszugleichen vermag - wenn beispielsweise die istalienische Lira gegenüber der Deutschen Mark abgewertet wird. Deshalb besteht der Knackpunkt der Währungsunion darin, daß sich die ökonomischen Unterschiede zwischen den Ländern, die nach einem Beitritt zur Union weiterhin bestehen werden, nicht mehr über eine Revision des Wechselkurses nivellieren lassen. Das hat unübersehbare Folgen: So ist zu erwarten, daßeine einheitliche Währung die Attraktivität der Industriezonen erhöht. Als Folge findet eine Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivität in die Industriezonen statt, die Arbeitskräfte mit sich zieht. Man spricht davon, dan eine einheitliche Währung für periphere Regionen eine reale Aufwertung bedeute. Ganz ähnlich wie in der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung.

Es ist aus diesem Grunde völlig unrealistisch anzunehmen, daß eine Europäische Zentralbank einfach den Stabilitätskurs der Deutschen Bundesbank fortsetzen könne. So tönt es zwar aus dem Munde der Politiker, die damit aber nur unterschlagen, daß eine Zentralbank nicht unabhängig von den ökonomischen Gegebenheiten handeln kann. Die Wirklichkeit dürfte anders aussehen: Da der Maastrichter Vertrag ausdrücklich Kompensationszahlungen verbietet, die wie im Fall der ehemaligen DDR einer realen Aufwertung entgegenwirken, bleibt der neugegründeten Zentralbank als Alternative nur eine weiche Geldpolitik, die ein moderates Inflationsklima mit einem niedrigen Realzinssatz schafft. Hinzu kommt, daß vom Tage Null an die Länder der Währungsunion ihre eigene Finanzpolitik betreiben - und dazu gehört auch Schuldenmachen. Dies aber kann den Druck auf die Europäsche Zentralbank, eine weiche Geldpolitik zu betreiben, nur verstärken.

Viele Befürworter einer Währungsunion hegen die Illusion, daß allein eine restriktive Geldpolitik à la Bundesbank die beteiligten Länder zur monetären Disziplin zwingt. Eine zutiefst romantische Vorstellung, die schnell von harten Realitäten widerlegt werden wird. Da Märkte Realitäten zu antizipieren pflegen, sehen viele Ökonomen die Gefahren für die Währungsunion schon vor ihrer Einführung kommen, beispieisweise als Flucht aus der Deutschen Mark.

Man sieht, daß eine Währungsunion, die durch die Beteiligung möglichst vieler Länder diesen Namen verdient, große, kaum bewältigbare Probleme aufwirft. Aber das bestätigt nur den Verdacht, daß es bei diesem Projekt gar nicht um die Ökonomische Integration Europas, sondern um eine deutsch-französische Allianz à la Helmut Kohl geht.
Hajo Riese ist Professor am Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte an der Freien Universität Berlin.
Hajo Riese

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