Winfried Göpfert

Wissenschaft im Fernsehen -
wie langweilig?


Die Herausforderung kam mit der Funkausstellung 1989. Wie üblich erhielt die Wissenschaftsredaktion des Senders Freies Berlin den Auftrag, über die technischen Neuheiten der Messe zu berichten. Doch diesmal war der Auftrag umfassender. Die Sendung sollte täglich von 13.00 bis 15.00 Uhr live von der IFA gefahren werden. Und natürlich sollte nicht nur über Technik berichtet werden, sondern über alles, was die Funkausstellung so ausmacht: Show, Medien und Märkte. Moderatoren: Margarethe Schreinemakers, Wolfgang Korruhn und der Autor dieser Zeilen.

Die Aufgabenverteilung war klar: Margarethe war der personifizierte Showteil, Wolfgang war zuständig für die bissigen Interviews und ich hatte den sachlichen Teil zu übernehmen: Informationen aus Wissenschaft und Technik.

Das erwies sich als ein besonders schwieriger Part. Denn Wissenschaft und Technik sind in der Regel kompliziert und bedürfen der Erläuterung. Die Sendung sollte aber unterhaltsam sein. Viel Zeit ging für das Tingeltangel drauf, mit den Gästen sollte geplaudert werden, die Themen sollten nicht so schwer sein. Unser Konzept: Eine Show mit Informationselementen, Infotainment (damals noch ein Fremdwort).


Das IFA Team '89: Göpfert, Schreinemakers, Korruhn

Lassen sich Informationen aus der Wissenschaft unterhaltsam vermitteln? Themen werden dadurch nicht unterhaltsamer, wenn zwischendurch ein Schlagersänger auftritt oder ein Prominenter Holz hacken muß. Was Unterhaltung überhaupt ist, beschäftigt ganze Publizistik-Seminare. Einer der früheren Programmdirektoren im Sender Freies Berlin hatte eine verblüffend einfache Definition: Wenn eine Sendung unterhaltsam sein soll, so sein knapper Kommentar, dann darf sie nicht langweilen.

Infotainment: Das Wort fängt mit "Info" an. Informationen, die spannend und unterhaltsam sein sollen, müssen Fragen beantworten, die für die Menschen im Alltag interessant sind. Sind das die Fragen der Wissenschaft? Viele ja, denn sie entspringen menschlicher Neugier. Sie lassen sich ebenso gut vermitteln, wie die Ergebnisse der Forschung. Aber Wissenschaft ist mehr. Lassen sich methodische Fragen oder etwa technische Details einem breiten Publikum vermitteln? Sicher nur begrenzt. Viele wollen beispielsweise wissen, was ein digitales Satellitenradio so alles kann. Aber wie es funktioniert, ist für die meisten eher uninteressant.

Das Gegenteil von langweilig ist kurzweilig. Und nicht etwa kurz. Kürze ist angebracht, wenn etwas ohne Umschweife und direkt gesagt werden kann. Aber Kürze darf nicht zum Selbstzweck werden. Der in allen Sendeanstalten übliche Zwang zur Kürze ist meist formell definiert, nicht inhaltlich.

Die Wege der Wissenschaft sind oft krumm und langwierig, denn der berühmte Teufel steckt im Detail. Das nachzuvollziehen kann spannend sein wie eine Detektivgeschichte. Aber es braucht seine Zeit. Und es braucht besondere Sendeformen.

Die Funkausstellung war stets eine der Gelegenheiten, mit neuen Formen der Informationsvermittlung zu experimentieren. Viele Formen sind auf diese und ähnliche Weise entstanden: Die Schüler gegen Lehrer-Show "Kopf um Kopf" mit Alexander von Cube, die "Hobbythek" mit Jean Pütz, Die "Knoff-Hoff-Show" mit Joachim Bublath. Aber schon lange sind keine neuen Ansätze mehr entwickelt worden.

Sie müßten erfunden und mutig weiterentwickelt werden. Aber sie können sich nur weiterentwickeln, wenn die Genres wieder gepflegt werden, wenn die entsprechenden Sendeplätze geöffnet statt geschlossen werden. Gutes Infotainment: das ist spannende Reportage, originelles Interview, ein packendes Portrait, Geschichten mit Witz und Hintergrund, kurz: wenn das Mit- und Nachdenken Spaß macht. Das gilt insbesondere für das spannende Themengebiet Wissenschaft, das bessere Sendeplätze verdient hätte, als nachmittags oder spät abends oder versteckt im Dritten Programm.


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