Film ab im "Kino Lankwitz"

Studierende machen Videofilme: aus Medienseminaren und Praxislaboren


Lange Gänge, Kunstlicht und wenig Menschen sind in Lankwitz zu sehen. Der Raum L127 ist, wie nicht anders erwartet, funktional eingerichtet. Ein Seminarraum wie jeder andere hier: mit Tischen, Stühlen, viel technischer Gerätschaft, aber - und das ist etwas besonderes - mit Leinwand. Wünscht man sich eine Filmvorführung auch an einem etwas einladenderen Ort, die Spannung ist die gleiche wie im wirklichen Kino.

Bevor der Videorecorder an- und das Licht ausgeht, begrüßen Winfried Göpfert und Carsten Schneider vom Fachbereich Kommunikationswissenschaften das Publikum. Einmal im Semester präsentieren Studenten und Studentinnen aus den Praxisseminaren der Institute für Publizistik und Semiotik ihre Arbeitsergebnisse im "Kino in Lankwitz - Werkstattgespräche".

Die Vorstellung beginnt mit den journalistischen Arbeiten des Instituts für Publizistik. Die Filme sind drei bis zehn Minuten lang - als Magazinbeiträge gedacht - und befassen sich mit Fragen der Kariesprävention im Vorschulalter oder der Situation Kreuzberger Kneipenwirte nach der Maueröffnung. Unter technisch professionellen Bedingungen wurden hier sendereife Fernsehbeiträge produziert.

Einen anderen Einblick in studentisches Filmschaffen gibt ein längerer Dokumentarfilm, entstanden am Institut für Semiotik, der einen mehr künstlerischen und experimentellen Ansatz hat: "Deutsch-Reich-Modisch", so der Titel des Videofilms von Sigrid Hoerner, Sandra Marschner, Larissa Vogt und Simone Warias, die drei deutschsprachige Bands zu Musik, Politik, Fans und Erfolg befragt haben. In ihrem Film treten die Studentinnen als Moderatorinnen auf und schaffen eine Atmosphäre, in der die Musiker freimütig ihre Ansichten und Eitelkeiten in Szene setzen. Auf Kommentarton verzichten die "Nachwuchsfilmerinnen" dabei. Durch Parallelmontage wird das Interviewmaterial so aneinandergeschnitten, daß dem Film ein humorvoller Blick hinter die Kulissen deutschen Musikgeschehens gelingt.

"Deutsch-Reich-Modisch" ist bereits der zweite Film der vier Frauen, ihren ersten haben sie vor zwei Jahren gemacht. Nach einer Einführung in Videokamera, Tontechnik, Licht und Schnittverfahren war ein Film zum Thema Leidenschaften entstanden: Fanverhalten am Beispiel der Musikgruppe "Die fantastischen Vier" war damals ihr Thema. Mit dem zweiten Film haben sie die Idee, sich mit deutschsprachiger Musik zu beschäftigen, weitergeführt.

Eine Geschichte von Rollstühlen, Kreissägen und einem Dichter erzählt der Film "...also der Lewin findet Behindertsein ganz toll...". Detlef Fluch, Kameramann und Publizistikstudent, und Autor Tom Franke dokumentieren in ruhigen, eindringlichen Bildern das Zusammenleben von Behinderten und Nichtbehinderten in dem thüringischen Dorf Hartroda. Bewohnerinnen und Bewohner einer seit 17 Jahren bestehenden Wohngemeinschaft sprechen über ihre Arbeit, ihre Wünsche, über Beziehungen untereinander und zur Dorfbevölkerung. Bilder eines bereits 1987 gedrehten Films über die Wohngemeinschaft sind in den Film eingeflochten und machen die persönlichen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen der WG-Mitglieder nachvollziehbar.

Dieser Film ist nicht im Rahmen eines FU-Seminars entstanden, sondern mit eigenen finanziellen und technischen Mitteln realisiert worden. Doch ist Detlef Fluch die Bindung an das Institut für Semiotik nach wie vor wichtig. Hier entwickelte er sein Interesse für den (Video-) Film und stellte durch eigene Initiative die Weichen für seinen Berufsweg. Vor sieben Jahren belegte er sein erstes Praxisseminar. Einige Jahre später kaufte er zusammen mit anderen Kommilitonen eigenes Equipment, um seminarunabhängig arbeiten zu können.

In der Regel entstehen die in Lankwitz vorgestellten studentischen Videofilme und Beiträge mit den Geräten der Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien (ZEAM). Neben der Betreuung der technischen Geräte koordinieren die ZEAM-Mitarbeiter auch die Vergabe der Schnittplätze. Nach personellen Veränderungen und Einsparungen ist allerdings nicht sicher, ob dieses Angebot auch in Zukunft bestehen kann; fällt möglicherweise schon bald der Vorhang für das "Kino in Lankwitz"?


Christine Janssen


Ihre Meinung:

[vorige [Inhalt] [nächste

Zurück zur -Startseite