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Bücherverwaltung

"Literatur-Recherche am PC" (FU:N 11/94. S. 9f.)

Wäre ich Studierender an der FU heute, hätte ich erhebliche Probleme mit dem Gebrauch von Bibliotheken, ca. 100 an der Zahl. Da fragt sich so mancher: Welche Bücher, welche Zeitschriften, auch Literatur genannt, finde ich am günstigsten wo für mein Referat, meine Hausarbeit, meine Diplomarbeit etc.? Gehe ich überhaupt in meine Bibliothek oder kaufe ich mir das Buch gleich selber? Wer hat es sonst noch in meinem Freundeskreis? Die studentische Vertreterin in der Zentralen Bibliothekskommission (BIK) hat einmal - zu Recht, wie ich meine - beklagt: sie brauche manchmal bis zu acht Stunden, um sich die erforderliche Literatur für ein zu bearbeitendes Thema zusammenzustellen. Das führt mich unmittelbar zu der Frage an Sie: Wie können Sie die klägliche Situation verändern? Wie können in dem Fachbereich, in der Universität, Korrekturen eingeleitet werden, um zu besserem Gebrauch der Bibliotheken zu kommen? Ist besserer Gebrauch: So schnell wie möglich an die Bücher zu gelangen, um sie unter dem Druck vorgegebener Studienzeiten gewissermaßen zu verschlingen? Oder: Kann ich dabei den gewonnenen Faktor "Zeit" qualitativ-genießend für mich schmecken, um den vorgegebenen Pflichtlektürekanon zu durchbrechen, ohne dabei auszuufern? Ist Studierzeit noch Lesezeit - und damit Zeit, um Verstehen zu lernen? Ist Bibliothek der Ort, wo ich einen Teil meines Lebens, genannt Studienzeit, angenehmer, vielleicht auch behaglicher, zubringen kann? Kann Bibliothek anderes sein als Streßfaktor, Schlangestehen an der Buchausleihe, Wettlauf in die Lehrbuchsammlung, um schnell noch den letzten "Palandt" für die juristische Klausur zu ergattern? Und dann noch: die unterschiedlichen Öffnungszeiten? Und last - not least: das gestreßte, vielfach unfreundliche Bibliothekspersonal. Wer kennt es nicht? Ich glaube - hier kann jeder sein traurig Lied singen. Kurzum: Ihre Erwartungen an Bibliotheken für Ihr Studium sind gefragt.

Welche Konzeption steckt hinter der oben beschriebenen Weise von "Informationsverwaltung", um den Ausdruck "Bücherverwaltung" durch diese etwas modernere Bezeichnung zu ersetzen? Und welchen Bezug hat diese Verwaltung zu Ihnen?

Der Präsident der Architektenkammer von Baden-Württemberg hat hierzu einmal formuliert: "Informationsvorsprung bedeutet Konkurrenz-Vorteil." Also Studier- und Lese-Zeit als Ihr Wettlauf in - und durch Bibliotheken? Und für uns Beschäftigte: Sie als Störenfriede in dem Anstaltsbiotop? Keineswegs! Denn da sind noch ganz andere Personen im Rennen. Die Entscheidungen darüber, was und wie zu lesen ist, treffen institutionalisierte Eliten: etwa zwei Prozent der Hochschulangehörigen, nämlich die Gruppe der Professoren. Das "Was" garantiert allein ihnen das Recht auf Anschaffung von Literatur laut Gesetz. Das "Wie" bezieht sich nicht nur auf den Faktor "Zeit", also das Tempo, in dem Sie ein von Hochschullehrern bestimmtes Quantum an Literaturstoff zu bewältigen haben, sondern das "Wie" greift mehr und mehr auch in die physische Gestalt des bisherigen Stoffes "Buch" ein - stofflich ausgeprägt in: Microfiches, Mikrofilm und elektronische Informationsspeicherung und -vermittlung mit vielen noch unbekannten Folgen. Die Entscheidungen darüber, was und wie zu lesen ist, treffen Professoren, deren Hauptkriterium in der Mehrheit dafür der Informationsvorsprung zum Erlangen des Konkurrenzvorteils ist.

Und die Bibliotheksbeschäftigten? Der Gesamtpersonalrat der Freien Universität Berlin hat u.a. dem Präsidenten der Universität eine ganz andere "Konzeption für eine empirische Untersuchung des Personalbedarfs in wissenschaftlichen Bibliotheken unter Berücksichtigung der Perspektiven der Benutzer- und (Beschäftigten-) seite" im September 1993 vorgeschlagen. Ihre Realisierung an der Universität ist bisher von der Kommission für Lehre und Studium (LSK) sowie von der Frauenbeauftragten der Freien Universität unterstützt worden. Die zentrale Bibliothekskommission (BIK) hat Unterstützung erkennen lassen - ein Beschluß liegt z.Zt. aber noch nicht vor. Im Präsidialamt wird über ihre praktische Umsetzung zögerlich nachgedacht; aber entsprechende Mittel sind noch nicht vom Präsidenten bereitgestellt worden. Ganz anders als die bisherige Rezeptur strebt diese Konzeption folgendes an:

1) Sie verläßt die Konkurrenzschiene und die Informationsvorsprungshascherei und sieht alle vier Statusgruppen der Hochschule als gleichberechtigte Nutzer der Institution Bibliothek.
2) Sie geht von unterschiedlichem Bedarf an der Bibliothek aus, die in gegenseitiger Anerkennung gleichberechtigter Bedürfnisse herauszufinden sind.

Aufbauend auf den Ergebnissen aus diesen Bedürfnissen könnte dann erst eine an den gleichberechtigten Interessen orientierte und motivierende Bibliotheksplanung für Lernende, Lehrende, Forschende und Arbeitende an der Bibliothek beginnen. Die Konzeption des Gesamtpersonalrats birgt die Chance zur Verwirklichung einer menschengerechten Serviceeinrichtung "Bibliothek". Ich möchte mit der Bitte an Sie aus dem LSK-Beschluß vom 8.11.1993 vorerst schließen: "Die Kommission regt zu intensiver Auseinandersetzung mit der Konzeption insbesondere in den Lehr- und Ausbildungskommissionen der Bereiche unter Einbeziehung der Bibliotheken an..."

Die schon begonnenen Diskussionen an mehr zentraler Stelle der Universität müssen jetzt auch verstärkt in den dezentralen Bereichen weitergehen. Hierüber schlage ich vor, nun miteinander zu sprechen.


Hans Menzler


(Gekürzte Fassung; d.Red.)

Vortrag beim Treffen der Ausbildungs- und Lehrkommissionen der Fachbereiche bzw. Institute der FU mit der Kommission für Lehre und Studium am 13. November 1993 im Clubhaus der FU. Schriftlich vorgelegt am 14.1.1995 bei gleichem Anlaß.


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