Zur Situation von Studentinnen an der Freien Universität

"Guten Morgen, meine Herren!"


Gern gehört von Frauen: Germanistikvorlesungen vieler Herren


Christiane ist begeistert: nicht nur, daß sie nette Professorinnen hat und im Lehrangebot feministische Fragestellungen zu finden sind, nein, sogar ein Frauencafò hat sie in der "Rostlaube" entdeckt.

Anna ist gefrustet: Nachdem sie endlich den Mut gefunden hatte, ihrem Professor zu sagen, daß seine Anrede "Guten Morgen, meine Herren!" von den anwesenden Studentinnen als unangemessen empfunden werde, weigerte sich dieser dennoch standhaft, seine Anrede zu ändern - sie seien doch selbstverständlich "mitgemeint".

Sylvia ist positiv überrascht: Während die Studienberatung in ihrem Fachbereich nur als Unverschämtheit bezeichnet werden konnte - "Warum wollen Sie als Frau denn dieses Fach studieren? Germanistik wäre doch wohl eher was für Sie." - hatte sich die Beraterin in der Zentraleinrichtung Studienberatung als sehr kompetent und engagiert erwiesen. Und das dort erworbene Studentinnenhandbuch UniKunde würde sie am liebsten nicht mehr aus der Hand legen.

Drei willkürlich gewählte Beispiele, die jedes für sich die Studienrealität an der FU widerspiegeln - denn die jeweilige Situation einer Studentin ist zunächst einmal abhängig von ihrem Fachbereich. So ist die Freie Universität trotz aller Kürzungen noch immer eine der größten Universitäten der Bundesrepublik mit einer enormen Bandbreite von Fächern - und Fachkulturen, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Wer mehr als nur ein Fach studiert, wird wissen, wovon ich rede: Mir kam es so manches Mal wie ein Pendeln zwischen zwei Welten vor, wenn ich nach einem Seminar in Geschichte zu einem in Politologie ging.

Doch jenseits aller (Fach-) Differenzen existieren Gemeinsamkeiten, Erfahrungen, die (fast) alle Studentinnen teilen. Damit meine ich zunächst einmal so vermeintlich banale Dinge wie die Tatsache, daß in nahezu jedem Seminar Männer die Diskussion dominieren, Frauen weniger zu Wort kommen und öfter unterbrochen werden; oder den Umstand, daß nicht wenige Dozenten ihren weiblichen Studierenden häufig leichtere Fragen stellen als den männlichen - und überrascht sind, wenn frau auf einem so "harten" Gebiet wie etwa der Politischen Theorie firm ist. Eine Unterforderung, deren Kehrseite das ebenfalls nicht selten anzutreffende Prüfen "auf Lücke" (Motto: "Aber das werden Sie als Frau ja sowieso nicht wissen") ist.

Es sind (neben androzentrischen Lehrinhalten) vor allem Erfahrungen dieser Art, die nicht wenige Studentinnen demotivieren - und häufig auch an den eigenen intellektuellen Fähigkeiten zweifeln lassen. Insbesondere die vielleicht zu Beginn des Studiums angestrebte Karriere als Wissenschaftlerin erscheint nun nahezu unmöglich. Und eines darf nicht vergessen werden: Wenn sich Christiane aus meinem ersten Beispiel über Professorinnen freut, so sind diese doch Ausnahmen: noch immer sind nur vier Prozent der C4-Professuren mit Frauen besetzt. Auch dies ist ein Signal, das bei Studentinnen ankommt. Denn obwohl sie trotz allem die besseren Abschlüsse machen, die lukrativen Stellen und Professuren bekommen sie (zumeist) nicht.

Die Situation von Studentinnen an der FU ist also auch in den neunziger Jahren durchaus noch durch strukturelle Diskriminierung gekennzeichnet, die Universitäten sind noch immer nicht zu einem Frauenort geworden - sondern im Kern - nach wie vor zutiefst patriarchale Institutionen.

Stefanie Marggraf


Stefanie Marggraf, Studentin der Geschichte, Politologie und Soziologie an der FU, hat sich während ihres Studiums als studentische Vertreterin in diversen Gremien (Studentenparlament, Konzil, Akademischer Senat, Kuratorium) engagiert. Sie war ASta-Öffentlichkeitsreferentin und Stellvertreterin der Frauenbeauftragten. Derzeit ist sie noch Mitglied im Zentralen Frauenrat und arbeitet in der AG gegen sexuelle Belästigung mit.


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