Einhüllende Materialitäten

Eine Phänomenologie des Wahrnehmens und Handelns an Bahnhöfen und Fährterminals

ergänzendes Ton- und Filmmaterial zum Buch

Umschlag für das Buch 'Einhüllende Materialitäten' von Lars FrersDiese Webseite begleitet die gekürzte und überarbeitete, gedruckte Fassung meiner Doktorarbeit, die bei transcript veröffentlicht wurde. Folgend auf einen Ausschnitt aus der Einleitung des Buches stelle ich hier die Audio- und Videosequenzen zur Verfügung, die im Buch analysiert werden. Die Filmsequenzen liegen im Buch nur als Serien von Standbildern vor, die Tonsequenzen fehlen ganz. Ich freue mich sehr, dass Sie den Medienbruch vom Buch ins Internet gewagt haben!

Die Audiosequenzen sind vollständig verfügbar, das Videomaterial stelle ich zum Schutz der Privatsphäre der Gefilmten nur für einige Sequenzen zur Verfügung. Sollten Sie Fragen zum Material haben, dann zögern Sie bitte nicht, sich an mich zu wenden: lars.frers@fu-berlin.de.

Für die Einbindung der Audio- und Videosequenzen verwende ich moderne Webstandards (HTML 5). Diese werden von allerdings nur von aktuellen Browsern (Internet Explorer erst ab Version 9) unterstützt.


Vermitteln (Auszug aus der Einleitung)

Im Folgenden werde ich versuchen, das von mir beobachtete und von den Anwesenden individuell erfahrene Geschehen auf verschiedenen Wegen zu vermitteln und somit die Grundlagen meiner Analyse zu zeigen. Das erste Medium, über das diese Vermittlung stattfinden soll, ist der immer wieder ins Detail gehende Text. Innerhalb des Textes finden auf zwei Ebenen Wechsel statt: erstens wird sowohl der Aussenbeschreibung als auch der Introspektion Raum gegeben. Die Beschreibungen sollen der nüchternen und gleichsam objektivierenden Abbildung der Gegebenheiten dienen. Wie gestaltet sich der untersuchte Raum? Welche Witterungsverhältnisse herrschen zum Zeitpunkt der Beobachtung? Wie fassen die Menschen die Eingangstür an? Beschreibungen, die Antworten auf solche Fragen geben, werden immer wieder von Passagen durchbrochen, in denen zum einen mein eigenes Erleben geschildert und zum anderen eine Reflexion meiner eigenen Position im Verhältnis zu den beobachteten Personen und Dingen vorgenommen wird. Wann habe ich mich unwohl gefühlt? Mit welcher Haltung habe ich diese Beobachtungen gemacht? Wie haben Andere auf mich reagiert? Wie mag sich wohl der Obdachlose auf der Bank vor dem Bahnhofsgebäude fühlen und mit der Kälte klarkommen? Nicht alle Fragen dieser Art lassen sich befriedigend beantworten, aber in vielen Fällen richtet schon das Stellen der Frage die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt des Geschehens, der sich objektiv nicht sinnvoll fassen lässt und der deshalb leicht durch ein unflexibles methodisches Raster fallen kann. Nüchterne Beschreibung und Reflexion der eigenen Erfahrung werden so zusammengeführt und produzieren gemeinsam einen besser nachvollziehbaren Zugang zum Geschehen. Die Gründe für den zweiten Wechsel, den Wechsel zwischen konkreter Erfahrung und verallgemeinernder Analyse, zwischen Beobachtung und Begriffsbildung, wurden bereits erläutert – auch dieser Wechsel soll ein besseres Nachvollziehen ermöglichen und die Analyse davor bewahren, sich nur noch auf die eigenen Kategorien statt auf die erfahrbaren Qualitäten des Geschehens zu beziehen.

Das zweite Medium zur Vermittlung des Geschehens und der möglichen Perspektiven auf die untersuchten Orte sind Fotografien, Karten und Grafiken. Fotografien bieten sich besonders an. [1] Sie ermöglichen das Einfangen eines Augenblicks aus einer bestimmten Perspektive und bilden eine Vielzahl an unterschiedlichen Relationen ab, die von unterschiedlichen Betrachterinnen unterschiedlich interpretiert werden können. Die Fotografien können jedoch auch einen falschen Anschein von Objektivität erwecken. Sie zeigen immer nur eine Seite des Geschehens. Durch die Belichtung, den Zeitpunkt der Aufnahme, die verwendete Brennweite und Linsenart kann ein kleiner Raum groß wirken, können Linien, die in der Alltagswahrnehmung nur geringe Bedeutung haben, ein Bild dominieren, kann eine abendliche Szene entweder düster oder anheimelnd erscheinen. Es können also viele Effekte auftreten, die in der Fotografie etwas zeigen, das man so in der Alltagswahrnehmung nicht beobachtet. Um diese Effekte zu umgehen, habe ich auf die Verwendung ungewöhnlicher Brennweiten weitestgehend verzichtet und in der Regel aus Augenhöhe und von Positionen fotografiert, die man ohne weiteren Aufwand erreichen kann. Darüberhinaus werde ich die jeweiligen Aufnahmen nicht einfach als illustrative Ergänzungen in den Text streuen. An einigen Stellen dienen die Bilder dazu, Assoziationen zu wecken. Insbesondere wenn es ich um mehrere Einzelaufnahmen in Folge handelt, soll durch die Folge der Bilder eher ein Zugang zur spezifischen Erfahrung des Orts oder des Geschehens gegeben werden. An anderen Stellen dienen die Bilder als Material für die Analyse – das, was sie zeigen, wird im Text genauer untersucht. Die Bilder dienen in diesem Text also je nach Kontext als Anregung und als Argument. In keinem Fall sind sie bloßes Beiwerk. Aufgrund dieser großen Bedeutung der Fotografien werde ich wiederholt auf ihre Aufnahmeumstände eingehen – sie sind Resultat einer Auswahl und eines Produktionsprozesses und als solche sollten sie auch behandelt werden. Ein Aspekt, der die Nützlichkeit der Fotos beschränkt, lässt sich durch keine der genannten Maßnahmen vermeiden: Fotografien frieren das Geschehens ein, sie reduzieren einen dynamischen Prozesses auf einen Augenblick.

Abhilfe in Bezug auf dieses Problem schafft das dritte Medium: die für diese Arbeit so wichtige Verwendung von Videoaufzeichnungen. Die Wiedergabe und Auswertung von Filmsequenzen in gedruckten Medien gestaltet sich allerdings schwierig. Um dem entgegen zu wirken, gibt es in Ergänzung zum Buch einen Internetauftritt, über den auf die hier verwendeten Audio‑ und Videosequenzen zugegriffen werden kann. Die Audiosequenzen sind durchnummeriert und im Text wird die Nummer des jeweiligen Titels auf Webseite angegeben. Es empfiehlt sich, die Sequenzen über einen Kopfhörer zu hören. Die Videosequenzen sind mit den Nummern der dazugehörigen Abbildungen versehen. Ich füge jedoch auch eine große Zahl von Bilderserien in die Druckvariante dieses Textes ein, um auch im Buch den sequentiellen Charakter des Geschehens wiederzugeben – dabei habe ich mich am Vorgehen verschiedener anderer Arbeiten orientiert, die ebenfalls Videosequenzen im Detail analysieren. [2] Diese Bilderserien können aber nur einen stark eingeschränkten Eindruck des Geschehens vermitteln – deshalb möchte ich nachdrücklich dazu ermuntern, den Medienbruch zu wagen und die Webseite zu besuchen. Der Schlüssel zum Verständnis der Videosequenzen liegt in der Wiederholung. Da das Geschehen im Video ein dynamisches ist und da die Aktionen im Terminal nicht wie im Film geskriptet und kontrolliert produziert sind, finden oft verschiedene Dinge gleichzeitig statt: im Zentrum der bewegten Bilder können Leute stehen und sich unterhalten, das eigentlich spannende Geschehen jedoch läuft am Rand der Bilder oder im Hintergrund ab, so dass man bei der Betrachtung der Sequenzen seine Sehgewohnheiten ändern muss. Auf die Auswahl der jeweils relevanten Handlungsstränge wird in der Besprechung der Sequenzen eingegangen.

Schließlich gibt es noch die Welt der Töne, die die Atmosphäre und die Erfahrung der Orte entscheidend mitträgt. An einzelnen Stellen in der Untersuchung wird auf Töne – Geräusche, Gerede, Lärm und Musik – eingegangen. Meist wird dies im Zusammenhang mit Videomaterial stattfinden, an bestimmten Stellen ist es aber auch angebracht, nur den Ton zu hören. Auch hier können die üblichen Wahrnehmungsgewohnheiten ein Hindernis beim Zugang zum Verständnis sein, da das Sehen zu sehr ablenken kann und einzelne Geräusche, obwohl vorhanden und bedeutsam, kaum bewusst wahrgenommen werden. Auf die unterschiedliche Akustik der untersuchten Orte wird im Text eingegangen, ebenfalls auf die Schwierigkeiten bei der Aufnahme. Vereinzelt wird auch die besondere Form der Feldnotizen, wie ich sie während des Arbeitens mit der Kamera angefertigt habe, hörbar sein oder als Transkript wiedergegeben werden: ich habe während meiner Aufnahmen häufig in das Mikrofon der Kamera gesprochen und so Beobachtungen und Eindrücke festgehalten, die ich nicht gleichzeitig niederschreiben konnte, da ich die Kamera in der Regel in meinen Händen gehalten habe. Ein Stativ habe ich nicht verwendet und nur selten habe ich die Kamera neben mich auf eine feste Unterlage gestellt – auch dies wird im weiteren Text Erwähnung finden, insbesondere im Abschnitt Methoden: Ich und die Anderen. Gerüche werde ich soweit möglich beschreiben, ihre mediale Wiedergabe ist im Zusammenhang dieser Arbeit ausgeschlossen.

Videosequenzen

  1. Abb. 11: Absicht (1:11 min)
  2. Abb. 12: Haare (0:20 min)
  3. Abb. 14: Orientieren (0:24 min)
  4. Abb. 15: Vergessen (1:00 min)
  5. Abb. 16: Passage (1:07 min)
  6. Abb. 21-23: Drehtür 1 (2:56 min)
  7. Abb. 24: Drehtür 2 (0:42 min)
  8. Abb. 25: Drehtür 3 (0:41 min)
  9. Abb. 31: Hindernis (0:31 min)
  10. Abb. 42: Abfahrt (0:40 min)
  11. Abb. 47: Checken (0:38 min)
  12. Abb. 54: Zeigen (1:09 min)
  13. Abb. 56-62: Fahrkartenautomat (4:39 min)
  14. Abb. 118: Grölen (0:19 min)

Audiosequenzen

  1. Frankfurt Hauptbahnhof (1:05 min):
  2. Kiel Hauptbahnhof (2:57 min):
  3. Leipzig Hauptbahnhof (0:25 min):
  4. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (1:10 min):
  5. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (0:38 min):
  6. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (0:50 min):
  7. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (1:09 min):
  8. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (0:29 min):
  9. Darmstadt Hauptbahnhof Nachts (0:39 min):
  10. Fähre Kiel-Oslo, MS Fantasy (0:57 min):
  11. Fähre Kiel-Oslo, MS Fantasy (1:07 min):
  12. Leipzig Hauptbahnhof (0:16 min):