Roth 1993

Roth, Hans:
Der Votivbilderbestand der Wallfahrtskirche Sammarei.
Die 1976 begonnene Inventarisierung fand ihren Abschluss.
In: Schönere Heimat 82, 1993, 36-39.

Bei Hans Roth vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege München lesen wir im Abschlussbericht:

"Der Votivbilderbestand der niederbayerischen Wallfahrtskirche Sammarei (Landkreis Passau, Gemeinde Ortenburg) zählt neben Sankt Walburg in Eichstätt und Altötting zu den zahlenmässig grössten in Bayern mit insgesamt 1264 Objekten. Dementsprechend ist auch sein frömmigkeitsgeschichtlicher, kultur- und medizinhistorischer, sozial- und volkskundlicher Aussagewert für ein weites Einzugsgebiet, das bis in das oberösterreichische Innviertel reicht. Anlass und Gelegenheit zu dieser Inventarisierung gab die 1976 begonnene Innenrenovierung der von 1629 bis 1631 erbauten frühbarocken Marien-Wallfahrtskirche, die hinter der mächtigen Chorbogen-Altarwand noch die Ursprungskapelle birgt: eine hölzerne Feldkapelle mit Holzschindeldach und Dachreiter - das Herzstück der Wallfahrtskirche. Sowohl im Innern dieser Kapelle als auch an deren Aussenseiten, dann an allen Wänden des sie umschliessenden hohen Chorraumes waren - und sind nun wieder - die Votivtafeln angebracht. Eine bunte Bilderwelt tut sich hier auf: Votivbilder, die Glaube, Hoffnung und Zuversicht der Menschen im Verlauf von vier Jahrhunderten an einzelnen oder gemeinsamen Schicksalen vergegenwärtigen. Bis zur nunmehr abgeschlossenen Bestandssicherung und gegenwärtigen Hangung der Bilder war ein langer Weg des Planens, Überzeugens, Initiierens und Organisierens durchzustehen und eine beschwerliche Arbeit zu leisten. Hier ist der Lehrer Hubert Kalhammer aus dem nahen Beutelsbach zu nennen, der nicht nur den Anstoss zu dieser Erfassungsmassnahme gab, sondern die Verwirklichung dieses zeitaufwendigen Unternehmens auf sich nahm, ehrenamtlich, versteht sich! Die Inventarisation wurde eingehend mit dem Landesverein abgesprochen, nach dessen Richtlinien die Erfassung der Votivbilder erfolgte und der dafür auch die vorgedruckten Karteikarten zur Verfügung stellte. Die fotografischen Aufnahmen (Dias in doppelter Ausfertigung, wovon sich eine Serie im Archiv des Landesvereins befindet) erstellte Gregor Peda aus Passau. [Eine Ergänzung beziehungsweise Erneuerung um rund 300 Stück erfuhren jene ursprünglichen Aufnahmen im Herbst 1995 durch Alexander Dannenberg aus Berlin. Dankenswerterweise stellte uns der Bayerische Landesverein seine Serie vorübergehend zur Verfügung, so dass aus dem Gesamtmaterial eine im Hinblick auf die CD-ROM geeignete Auswahl für die Digitalisierung getroffen werden konnte.] Hilfreiche Unterstützung fand Hubert Kalhammer in all den Jahren durch die unentgeltliche Mitarbeit von Matthias Dirnberger.

Bei der Abnahme der Votivbilder von den Wänden stellte sich heraus, dass nicht wenige dieser auf Holzbrettchen, Leinwand und hinter Glas gemalten Bilder erhebliche Schäden aufwiesen, die nur durch eine fachgerechte Restaurierung zu beheben waren. Dieser erfolgte in mehreren zeitlichen Intervallen im Atelier von Günther Wolf, jetzt Pörndorf bei Aldersbach. Die Restaurierung erstreckte sich hauptsächlich auf die Reinigung der Bildflächen und der Rahmen, auf die Bekämpfung des Holzwurmbefalls und auf die Härtung vermorschter Bilder auf der Rückseite durch Epoxydharz. Vergilbter Leinölfirnis wurde von den Bildflächen abgenommen, fehlende Rahmenstücke wurden ergänzt und lockere Teile gefestigt, Nagellöcher in der Bildfläche verfüllt und retuschiert, verblasste Farben lasierend aufgefrischt. Bei einigen Leinwandbildern war der Bildträger zu doublieren. [Zu diesen Techniken vgl. den informativen schmalen Band Nicht nur mit Pinsel und Öl].

Ebenso mühevoll erwies sich die beschreibende Erfassung der Votivbilder. Schon in den 50er Jahren wurde durch Dr. Annelene Mann mit einer mehr summarischen Inventarisierung des Bestandes, worauf Signaturen auf den Rückseiten eines Teiles der Bilder hinweisen, begonnen, aber nicht fortgeführt. Deshalb entschloss sich Hubert Kalhammer zu einer Erfassung in chronologischer Reihenfolge, ausgehend von den ältesten Votivtafeln aus dem Jahr 1632 bis in das 20. Jahrhundert. Den datierten Bildern folgen die undatierten ohne Rücksicht auf eine mögliche zeitliche Einordnung.

Das Inventarisierungsschema umfasst die ausführliche Beschreibung der Darstellung, den Text des Bildes, den Namen des oder der Stifter (Votanten), Angaben über Maltechnik, Material, Grösse und Rahmen, die Datierung, eventuell Maler und Herkunftsort, Erhaltungszustand und die Numerierung.

Bei dieser systematischen Erfassung liessen sich zum Beispiel fast hundert Votivbilder des bekanntesten Taferlmalers im niederbayerischen Raum feststellen, der unter dem Notnamen als Meister von Schacha in die Literatur eingegangen ist und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkte. Seine Bilder weisen sich durch Kassettenwände, ganz typische Wolkenballen und durch ein oben angerundetes Inschriftfeld in einer Bildecke auf.

Die Wiederanbringung der Votivbilder in und an der Holzkapelle sowie an den Kirchenwänden erfolgte in einzelnen Etappen ab Sommer 1980 und fand einen vorläufigen Abschluss Ende 1992. Freilich, nicht die chronologische Reihenfolge der Inventarisierung war für die Hängung massgebend, vielmehr wurde das Prinzip der 'bunten Mischung' beibehalten. Neben dieser optischen Wirkung gald die besondere Aufmerksamkeit der Sicherung der Bilder vor Diebstahl und Beschädigung. So wurden die Votivtafeln in 'Blöcke' zu je 10 bis 65 Bilder entweder auf Spanplatten oder Lattenroste aufgeschraubt, die in den Wänden fest verankert sind.

Eine solch intensive Beschäftigung führt zwangsläufig auch zur Suche nach verschollenen oder andernorts aufbewahrten Votivbildern. Hubert Kalhammer konnte aus Sammarei stammende Tafeln sowohl in der Sammlung Kriss im Bayerischen Nationalmuseum in München (wenigstens 10 Stück), in der Sammlung Richter im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und im Oberhausmuseum in Passau feststellen. Im Heimatmuseum der Stadt Braunau befindet sich eine Votivtafel, die den Stadtbrand zu Ende des 17. Jahrhunderts zeigt; sie wurde erst in der Nachkriegszeit mit kirchenaufsichtlicher Genehmigung dorthin verkauft. Auch in den Museen in Wien und in Berlin scheinen Votivbilder dieser Wallfahrtskirche gelangt zu sein. Schliesslich dokumentiert noch ein gedrucktes Mirakelbuch von 1707 eine Anzahl Votivbilder, die nur noch zum Teil nachgewiesen werden können und auf starke Verluste in der Vergangenheit schliessen lassen - wohl mehr aus Unverständnis und Unkenntnis als durch Diebstahl. Und dennoch überrascht die grosse Zahl des erhaltenen Bestandes. [Gemeint ist die Zusammenstellung von Regineberto Schuel: Wolriechender Marianischer Quitten-Apfel / Das ist: Denckwürdige Gnaden-Geschichten / Welche die gecrönte Jungfrau Maria zu Sammarey der bedrängten Welt erwiesen. Regensburg: Johann Zacharias Seidel 1707. - Ein erhaltenes Exemplar dieses Mirakelbuches befindet sich unter der Signatur "Barock 24" in der Bayerischen Staatsbibliothek in München]. Dass dieser Bestand nun vollständig erfasst, aber auch hinreichend gesichert ist, ist das persönliche Verdienst von Hubert Kalhammer, seit 1986 Kreisheimatpfleger, und seines Mitarbeiters Matthias Dirnberger - eine jahrelange Arbeit im Stillen fand ihren Abschluss" (S. 36-39; gekürzt).

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