Deneke 1965

Deneke, Bernward:
Zeugnisse religiösen Volksglaubens.
Aus der Sammlung Erwin Richter.
(= Bilderhefte des Germanischen Nationalmuseums, Bilderheft 2).
Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 1995.

Deneke präsentiert die Sammlung Erwin Richter, die im Hinblick auf Sammarei wegen des weitgehend identischen Einzugsbereichs von besonderer Bedeutung ist, einleitungsweise wie folgt:

Die von Erwin Richter (1903-1960) geschaffene Sammlung von Zeugnissen des religiösen Volksglaubens aus Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz, Franken und den an Bayern angrenzenden oberösterreichischen und Tiroler Gebieten konnte kürzlich durch eine Bewilligung der Stiftung Volkswagenwerk für das Germanische Nationalmuseum erworben werden. Sie demonstriert im Rahmen der volkskundlichen Abteilung des Museums einen Bereich von Realien, der bisher nur spärlich vertreten war, obgleich er seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts sowohl nach seiner künstlerischen Aussage wie auch als Objekt wissenschaftlicher Untersuchung zunehmende Beachtung fand. Schon um 1910 sammelten Franz Marc und Kandinsky, die Maler des Blauen Reiters, in Oberbayern bäuerliche Votivbilder und Hinterglasmalereien.

Erwin Richter hat nach 1935 begonnen, in seine Sammlungen von volkskundlichen und kusntgewerblichen Altertümern solche des religiösen Volksglaubens einzubeziehen. Er konnte sie über die Fährnisse des Krieges hin retten und zuerst 1949 in Wasserburg am Inn in Auswahl in einer Ausstellung zeigen. Seit um 1950 konzentrierten sich Richters Forschungen auf den Sektor, den seine Sammlung an Votivtafeln, sonstigen Votivgaben. Devotionalien, Andachstbildern und Amuletten umgreift. Die Materialien, die sein Eigentum geworden waren, sind häufig der Ausgang von Studien, die sie unter den mannigfachsten Aspekten sichten. Der Frage nach den Urhebern einzelner Objekte ist Richter in gleicher Weise nachgegangen, wie er ihren Charakter als Quelle für andere Sachbereiche - etwa die Geschichte der Medizin - zu würdigen wusste. Dass die Beziehungen zu Glauben und Brauch erfasst und hergestellt sind, ist selbstverständlich. Richter, der während seiner Wiener Studienjahre von Josef Strzygowski und Karl Spiess reiche Anregung empfing, hat sich stets den Blick für weite Zusammenhänge bewahrt. Vielfach hat er auf die Kontinuität germanischer und antiker Vorstellungen in den Äusserungen christlicher Volksreligiosität hingewiesen. Den "magisch-mystischen Unterströmungen im religiösen Volksdenken" galt seine besondere Aufmerksamkeit. Es mag manches, zu dem Richter geschrieben hat, aus einer von der seinigen abweichenden Perspektive eine andere Beurteilung erfahren, seine Kennerschaft bleibt unbestreitbar. Sie wird durch seine Sammlung dokumentiert.

Die Zeugnisse religiösen Volksglaubens, die in der Sammlung von Erwin Richter vereint sind, verweisen auf das Bedürfnis, sich der Gegenwart der Überwelt in sinnfälligen Bildern und Chriffren wie in zeichenhafter Handlung zu vergewissern. Auch wenn die Objekte überwiegend erst den beiden letzten Jahrhunderten entstammen, reichen Anschauungen und Bildthemen, die von ihnen reflektiert werden, weit in die Vergangenheit zurück.

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