Niederwerbig (Ev. Dorfkirche)

Kirchenkreis Beelitz-Treuenbrietzen

Durch ihre Lage auf fast freiem Gelände bietet die Dorfkirche von Niederwerbig ein beeindruckendes Bild. Das Mauerwerk besteht aus fast perfekten Feldsteinquadern, die fast ohne Zwischenabstände aufeinander gesetzt worden sind. Die Portale sind kaum verändert (aber zur Hälfte zugesetzt; obere Hälfte jetzt Fenster). Leider sind aber die Fenster fast alle verändert worden (bis auf ein als Blende zugesetztes Fenster in der Schiffsnordwand).

Lage der Kirche: Niederwerbig liegt 6 km nordwestlich von Treuenbrietzen. Die Dorfstruktur ist ein Straßendorf (Historisches Ortslexikon). Die Kirche steht auf der Nordseite der Straße umgeben vom sehr großen Friedhof, der noch benutzt wird. Er ist zur Straße hin von einer niedrigen Mauer umgeben. . Der Friedhof wird

Ortsgeschichte: Der Ort wird erst 1337 als "villa Werbek sita prope Bryzzen" erstmals urkundlich erwähnt. Fischer (1970) leitet den Namen von polabisch "Virb-k-"= Ort, wo es Weiden gibt her. Er könnte aber auch ein aus Flandern übertragener Name sein, nach Wervik, Arr. Ieper, Belgien. Die Besitzgeschichte des Ortes ist recht kompliziert.

Baustruktur: Das Kirchengebäude besteht aus Schiff (15,40 m lang, 10,20 m breit), Chor (6,90 m lang, 7,40 m breit) und Apsis (6,20 m breit, 2,40 m ausgewölbt) mit einem Giebelturm aus Backstein über dem westlichen Teil des Schiffes. Deutliche Baunähte sind auf dem Kirchengebäude nicht zu sehen. Allerdings laufen die Schichten vom Chor nicht kontinuierlich in die Schichten des Schiffes, so dass wohl doch eine Bauunterbrechung zwischen Chor und Schiff angenommen werden kann. Der West- und Ostgiebel des Schiffes ist massiv mit Ziegeln gemauert. Der Westgiebel zieht in die Westwand des eingezogenen Ziegelturmes hinein. Dagegen ist der Ostgiebel des Chores ist unregelmäßig mit Feldsteinen gemauert. Die Kirche ist magnetisch ziemlich exakt Ost-West ausgerichtet.

Mauerwerksausführung: Die Kirche ist überwiegend ein Feldsteinbau. Lediglich der Ostgiebel ist mit neuen Ziegeln gemauert. Das Mauerwerk besteht aus Lagen von sehr gut gequaderten Feldsteinen in dichter Auflage. Die Lagenhöhe beträgt 25-35 cm. West- und Ostgiebel des Schiffes sind in Backstein ausgeführt. Die Apsis ist um drei Feldsteinreihen aufgestockt worden. Die Mauerkronen des Chores scheinen erneuert zu sein, wie man deutlich auf der Nordseite des Chores sieht. Der Otsgiebel des Chores ist unregelmäßig mit kleineren Feldsteinen gemauert.

Mörtel und Putze: Die Kirche hat entsprechend der Mauerwerksausführung nur einen Fugenputz.

Portale: Das südliche Gemeindeportal ist relativ groß, gedrückt-spitzbogig und einmal abgetreppt. Der Spitzbogen endet in einem Scheitelstein. Dem Hauptbogen folgt ein Begleitbogen aus flachen, mäßig gequaderten Feldsteinen. Die Feldsteine von Gewände und Hauptbogen sind gut behauen und geglättet. Das Südportal ist bis auf den Bogenbereich mit barocken Ziegeln zugesetzt (Format: 27-27,5 x 14 x 7,5-8 cm); bündig mit der innerer Abtreppung, so daß eine Portalblende entstanden ist. Im oberen Teil (Bogenbereich) ist ein halbrundes Fenster eingepasst worden. Das Nordportal ist im Vergleich zum Südportal deutlich kleiner, im Abschluß aber rundbogig. Es besitzt ebenfalls einen Begleitbogen aus flachen Feldsteinquadern. Wie das Südportal ist es ebenfalls halb zugesetzt, allerdings im Unterschied zum Südportal mit Feldsteinen. Im oberen Teil sitzt ein Halbrundfenster. In der Westwand ist ein großes rundbogiges neuromanisches Portal mit Ziegelgewände. Das rundbogige Priesterportal ist fast einmalig. Der Bogen besteht nämlich aus einem in halbrunde Form geschlagenen Feldstein. Dem Bogen folgt außen ein Begleitbogen aus flachen Feldsteinen. Im Bereich unter dem Turm ist auf der Südseite ein rundbogiges, neuromanisches Portal mit Feldsteingewände.

Fenster und Blenden: Alle heutigen Fenster der Kirche sind im Barock verändert worden. Auffallend dabei ist, dass sie für barocke Fenster relativ klein sind. Es sind aber noch Reste der ursprünglichen Fenster erhalten.
In der Südwand des Schiffes befinden sich drei korbbogige Fenster mit Ziegelgewände. Das westliche Fenster ist etwas größer als die beiden östlichen Fenster. Zwischen dem östlichen und mittleren Fenster zeichnen sich die Umrisse eines zugesetzten ursprünglichen und rindbogigen Fensters mit Feldsteingewände in der Wand ab. Auch zwischen dem westlichen und dem mittleren Fenster ist die Kante eines ursprünglichen Fensters zu erkennen. Die Nordwand des Schiffes weist fünf Fenster (bzw. Blenden) auf. Vier Fenster sind korbbogig mit Ziegelgewände. Die Gewände waren einmal verputzt. Das zweite Fenster von Westen (als Blende zugesetzt) könnte noch ursprünglich sein. Es ist rundbogig mit einem Feldsteingewände und mißt 75 cm in der Breite. Die Höhe konnte nicht gemessen werden, da es zu hoch in der Wand sitzt. Das Höhen-Breiten-Verhältnis dürfte um 2 betragen.
In der Südwand wie auch in der Nordwand des Chors sind je zwei korbbogige Fenster mit Ziegelgewände. Deren Position dürfte wohl der Position der ursprünglichen Fenster entsprechen.
Die Apsis weist drei korbbogige Fenster mit Ziegelgewände auf, die sich an der Stelle der ursprünglichen Fenster befinden.
Im Westgiebel sind je zwei spitzbogige Fenster und Blenden unter je einem großen Rundbogen. Darüber ist eine Rundblende.

Innenbögen: Der Apsisbogen ist rundbogig, ebenso der Triumphbogen ist rundbogig. Es haben sich noch die Ansätze der Chorschranken erhalten.

Turm: Der Turm ist ein gegenüber dem Schiff eingezogener, quadratischer Giebelturm aus Backstein mit massiver Westwand aus Backstein. Das Glockengeschoss hat auf Westseite drei rundbogige, einmale gestufte Schallöffnungen, auf Nord- und Südseite je zwei derartige Schallöffnungen, und auf der Ostseite eine Schallöffnungen. Das Dach schließt mit Kugel und Kreuz ab.

Dächer: Die Dächer von Schiff, Chor und Apsis haben eine Dachdeckung aus Doppelbibern. Das Material des Zeltdaches des Turmes ist nicht bekannt.

Innenausstattung: Das Innere konnten wir noch nicht aufnehmen. Das Schiff ist flachgedeckt mit frei liegenden Querbalken. Der Fußboden ist ein Ziegelfußboden. Die hölzerne Kanzel stammt wahrscheinlich vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Der polygonale Korb besitzt Ecksäulchen und sparsames Ornament. Der hölzerne Altaraufsatz entstand wohl gleichzeitig wie die Kanzel. Er besitzt gewundene Weinlaubsäulen, die das Abendmahlsgemälde zwischen sich einschließen. In den vegetabilen Schnitzwangen und im Aufsatz befinden sich ovale Medaillons. Die Taufe ist ein neogotischer Taufstein. Auch die Westempore ist neugotisch. An der südlichen Schiffswand haben sich Reste einer ursprünglichen friesartigen Wandmalerei erhalten, wohl vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Sie stellen den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies dar.

Außenbereich: Schiff und Chor besitzen einen Ziegelfries aus Neuen Ziegeln. Die Ziegel sind schräg angeordnet und durch die vorstehenden Ecken entsteht dadurch eine Art Zahnfries. Der Friedhof ist noch von der stark verfallenen Feldsteinmauer umgeben. Nur vorne zur Straße zur Straße ist sie noch eine richtige Mauer. Die restlichen drei Seiten sind mit Buschwerk bewachsen.

Baugeschichte: Zwar sind alle ursprünglichen Fenster verändert oder zugesetzt oder gar fast ganz beseitigt worden, aber die Reste erlauben doch eine Rekonstruktion der ursprünglichen Verhältnisse.
Aufgrund der Baustruktur, der Mauerwerksausführung und der Stilelement (rundbogige Fenster, rundbogiges Nordportal, gedrückt-spitzbogiges Südportal) dürfte der Baubeginn sicher in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen, vermutlich sogar aufgrund des gedrückt-spitzbogigen Südportals in das 2. Viertel des 13. Jahrhunderts.
Der Kirchenbau besaß Schiff, Chor und Apsis. Nach den Portalpositionen beinhaltete der ursprüngliche Bauplan keinen Querwestturm . Das Schiff hatte vermutlich je 5 Fenster auf Nord- und Südseite, sowie Gemeindeportale auf der Nord- und Südseite. Der Chor hatte je zwei Fenster auf Nord- und Südseite , und das Priesterportal auf der Südseite. In der Apsis dürfen wir mit den üblichen drei Fenstern rechnen.
Vermutlich um 1700 wurden die Fenster verändert.
Erbauung des Dachturms

Vergleiche: Niederwerbig ist eine verhältnismäßig große Dorfkirche. Mit einer Breite von 10,20 m gehört sie mit zu den breitesten Dorfkirchen des Fläming (Borne: 10,80 m; Bergholz: 10,20 m). Vier deutlich größere Dorfkirchen waren Burgwardkirchen und sind hier nicht berücksichtigt. Ungewöhnlich sind die vermutlich 5 ursprünglichen Fenster im Schiff. Die Dorfkirche Borne hat bei 17,70 m Schiffslänge nur vier Fenster. Die Dorfkirche von Stahnsdorf, die vermutlich um dieselbe Zeit entstand (auch hier ein rundbogiges und ein gedrückt-spitzbogiges Gemeindeportal, kein Querwestturm) besitzt ebenfalls 5 Fenster im Schiff, ist aber mit 16,20 m Länge und 11,20 m Breite etwas größer als die Dorfkirche in Niederwerbig.

Bemerkungen: Die Beschreibung im Dehio/Brandenburg, daß sich "die urspr. kleinen Rundbogenfenster z. T. erhalten" haben, ist mißverständlich. Es gibt keine ursprünglichen Fenster. Es finden sich aber noch Reste als Blende oder komplett zugesetzt. In der Südwand haben sich im westlichen Teil nur die Kanten erhalten. Das zweite rundbogige Portal der Südseite ist natürlich neuromanisch und sollte nicht in einem Atemzug mit den ursprünglichen Portalen genannt werden, um Mißverständnisse in der Interpretation zu vermeiden.
Die neuere Baugeschichte ist bisher noch nicht recherchiert.

Information und Dank: -

Literatur: Fischer (1970), Brandenburgisches Namenbuch, Teil 2 Die Ortsnamen des Kreises Belzig, S.110/1, Rohrlach (1977): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 5 Zauch-Belzig, S.454-458, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bezirk Potsdam (Dehio/Potsdam), (1983), S.312, Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam (1978), S., Ibbeken (1999): Die mittelalterlichen Feld- und Bruchsteinkirchen des Fläming, S.173, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.730/1

Ältere Beschreibungen:

Dehio/Potsdam: Niederwerbig Bez. Potsdam, Ldkr. Belzig Dorf-K. Spätrom. Feldsteinbau aus Schiff, eingezogenem rck. Chor und Apsis, A. 13. Jh. Über dem erneuerten WGiebel rck. Dachturm mit Walmdach und Dachreiter, Backstein, 19. Jh. den spätrom. Öffnungen noch 2 Portale im S und eine Tür im S und eine Tür im N (teilweise vermauert) erh. Reste einiger Rundbogenfenster erkennbar. Im Inneren Balkendecke; rundbogiger Triumph- und Apsisbogen. WEmpore. Rest. um 1900. - An der s Schiffswand Wandmalerei, wohl 16. Jh., mit Szenen der Genesis in friesartigem Streifen. Altaraufsatz E. 17. Jh., Holz, Abendmahlsgemälde von Säulen flankiert, Knorpelwerkwangen und -aufsatz mit ovalen Medaillons. Etwa gleichzeitig die hölzerne Kanzel, der polyg. Korb mit Ecksäulchen und sparsamem Ornament.

Dehio/Brandenburg: Niederwerbig Lkr. Potsdam-Mittelmark. Karte 5 Ev. Dorfkirche. Stattlicher Feldsteinquaderbau mit eingezogenem rechteckigen Chor und Apsis, 2. V. 13. Jh. Um 1900 Restaurierung und Errichtung des neuromanischen Dachturms aus Backstein über dem erneuerten Westgiebel. Die urspr. kleinen Rundbogenfenster z. T. erhalten; auf der Südseite zwei rundbogige Portale und ein spitzbogiges Stufenportal (alle zumindest teilweise zugesetzt). Innen Balkendecke; runder Triumphbogen und Apsiskalotte. Neugotische Westempore. - An der südl. Schiffswand Reste einer urspr. friesartigen Wandmalerei, wohl A. 16. Jh. Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies. - Hölzerner Altaraufsatz A. 18. Jh. (vgl. die Altäre in Alt Bork, Jeserig bei Niederwerbig, Preußnitz und Schwanebeck) mit Abendmahlsgemälde zwischen gewundenen Weinlaubsäulen, in den vegetabilen Schnitzwangen und im Aufsatz ovale Medaillons. Etwa gleichzeitig die hölzerne Kanzel, der polygonale Korb mit Ecksäulchen und sparsamem Ornament.

Bau- und Kunstdenkmale in der DDR: Niederwerbig Dorfkirche Stattlicher Feldsteinbau mit eingezogenem Chor und Apsis, 1. H. 13. Jh., der Turmaufsatz über dem Westgiebel in Backstein gegen 1900. Geringe Reste spätmittelalterlicher Wandmalereien, Szenen der Genesis. - Altaraufsatz E. 17. Jh. Kanzel 2. H. 17. Jh. Taufschale, Zinn, 18. Jh.

Historisches Ortslexikon für Brandenburg: K Feldsteinbau mit eingezogenem Chor, Apsis und Turmunterbau 1. Hälfte 13. Jh, Turmaufsatz in Backstein um 1900, geringe Reste spätma Wandmalereien, 1 ma Glocke.

Ibbeken (1999): Niederwerbig liegt 6 km nordwestlich von Treuenbrietzen. Die dreiteilige Anlage aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts besteht aus einem langen Schiff, eingezogenem Chor und relativ großer Apsis. Der Backsteinturm stammt von 1900. Quaderung und Mauerung dieses Baues sind durchgehend perfekt, nur der Schiffsgiebel ist in Backstein erneuert. Der Rundbogen der Priesterpforte ist aus einem Stück gehauen, darüber liegt die Begleitschicht. Die große Gemeindepforte ist eigenartigerweise spitzbogig, ebenfalls mit einer Begleitschicht. Westlich davon liegt eine dritte Pforte. Im Norden gibt es noch eine Frauenpforte. Aufnahme von Südosten.

Aufnahme der Kirche: Oktober 2000, Februar 2003

Grundriss:

Grundriss der Dorfkirche Niederwerbig (eigene Aufnahme; nicht winkeltreu).

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©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 2003