Politikanalyse

(Konzept/Volker von Prittwitz/26.10.2010)

 

Umgangssprachlich bedeutet Analysieren, etwas systematisch oder vertiefend zu untersuchen. Politikanalyse ist demnach die systematische oder vertiefende Untersuchung von Politik. Wird hierbei vergleichend vorgegangen, kann von Vergleichender Politikanalyse gesprochen werden.

 

Wissenschaftliche Politikanalyse

Als Rahmen solcher Analyse bietet sich zunächst die Politikwissenschaft an. Denn Wissenschaft untersucht ihre Gegenstände vertiefend, dabei häufig vergleichend, und Politik ist der erklärte Gegenstand der Politikwissenschaft. Politikanalyse wird dementsprechend häufig als Form politikwissenschaftlicher Forschung interpretiert (http://de.wikipedia.org/wiki/Politikanalyse). Dies bedeutet sowohl eine theoretische wie methodische Fundierung.

Mit welchen Begriffen, Modellen und Methoden wissenschaftliche Politikanalyse im Einzelnen operiert, ist prinzipiell offen. In jedem Fall sollten die verwendeten Modelle und Methoden aber ausgewiesen und reflektiert werden. Ein inzwischen verbreitetes Basismodell von Politikanalyse ist der mehrdimensionale Politikbegriff aus policy, politics und polity: In der Policy-Dimension (genau: public policy= öffentliches Handeln) geht es um inhaltliche Politiken, speziell um die Suche nach optimalen allgemeinwohlorientierten Lösungen. In der politics-Dimension werden Interaktionsprozesse zwischen politischen Akteuren untersucht, wobei einschlägige Variablen wie Akteur-Interessen, Wertorientierungen, Weltsichten/Ideen, Akteurkonstellationen und Interaktions- bzw. Kommunikationsformen eine Rolle spielen. In der polity-Dimension schließlich sind institutionell-politische Systeme, beispielsweise Demokratie- und Autokratieformen, von Bedeutung (http://www.luciusverlag.com/shop/product_info.php/info/p9666_Vergleichende-Politikanalyse.html/XTCsid/1e813b66183f2d70f0b86daa9c393c2f)

Analytisch kann jede dieser Dimensionen zentral gestellt werden. Wird beispielsweise untersucht, welche klimapolitischen Maßnahmen notwendig erscheinen, um ein maximales CO2-Wachstum von 2% im 21. Jahrhundert zu sichern, wird die Policy-Dimension zentral gestellt. Will man dagegen einen realpolitischen, beispielsweise historischen, Prozess verstehen, werden Problem- und Zielüberlegungen einzelner Akteure nur im Rahmen des Variablensets der Prozessanalyse (mit Interessen, Wertorientierungen usw.) berücksichtigt. Mit Hilfe des mehrdimensionalen Politikbegriffs lassen sich allerdings auch und gerade Spannungen zwischen unterschiedlichen Politikanforderungen analysieren. So kann beispielsweise untersucht werden, wieweit bestimmte Interessen, Wertorientierungen, Weltsichten oder Kommunikationsformen Bemühungen um effektiven Klimaschutz oder eine Anpassung an Klimaveränderungen behindern beziehungsweise fördern.

 

Anwendungsorientierte Politikanalyse

Wer über theoretische und methodische Grundlagen wissenschaftlicher  Politikanalyse verfügt und sich in ein Politik- oder Problemfeld spezialisiert einarbeitet, ist für anwendungsorientierte Politikanalyse qualifiziert. Politikanalytiker(innen) mit dieser Qualifikation können mit Spezialisten anderer Professionen, beispielsweise Fachjuristen oder Fachökonomen, durchaus mithalten; ja sie haben sogar besondere Analysekompetenzen, die im Einzelfall besonders erklärungskräftig sein können. Gefordert ist hierzu in der Regel Spezialisierung und die Einbindung in Beziehungsnetzwerke jeweiliger Problem- bzw. Anwendungsfelder.  

 

Andere Analyseformen

Ausgehend vom altgriechischen Wort analyomai (Ich löse auf) kann Analysieren auch als gezielt aufzulösen und wieder kombinieren verstanden werden. Wissenschaftliches Untersuchen und darauf aufbauende anwendungsorientierte Politikanalyse sind demnach lediglich Analyseformen unter anderen. Gezielt (geistig oder materiell) aufgelöst und neu kombiniert werden können Gegenstände nämlich auch in anderen Medien, so im praktischen Alltag, in Kunst und Unterhaltung. Dies gilt gerade auch für den Gegenstandsbereich der Politik:

Alle politikanalytischen Medien tendieren dazu, sich nach ihren eigenen Kriterien weiter zu entwickeln: Politikwissenschaft analysiert, ihrerseits nochmals differenziert nach Subdisziplinen, Politik in für sie typischen  Formen; Journalisten versuchen, ihre besonderen Zugänge und Darstellungsformen von Politik zu pflegen und Künstler entfalten ihre eigene Kunst. Dennoch gibt es auch zwischen den unterschiedlichen politikanalytischen Medien Beziehungen. So regt die öffentliche Wahrnehmung und journalistische, teilweise auch künstlerisch unterhaltende Analyse von Politik wissenschaftliche Untersuchungen an. Andererseits breiten sich wissenschaftliche Analysemodelle auch in der öffentlichen Verwaltung, der praktischen Politik und und deren journalistischer Wahrnehmung aus. Nicht nur in einzelnen politikanalytischen Medien, sondern auch im Verhältnis zwischen ihnen Spannendes lässt sich also Spannendes entdecken.

 

Das Lehr- und Forschungsprogramm Politikanalyse

Im Lehr- und Forschungsprogramm Politikanalyse haben aktuelle politische Konflikte und Herausforderungen ihren Platz. Denn anwendungsorientierte Politikanalyse soll zur besseren Handhabung konkreter Politik beitragen. Beiträge zur sachbezogenen politischen Kommunikation und spezialisierten Politikberatung sind quasi ein Lackmus-Test der Fruchtbarkeit wissenschaftlicher Politikanalyse.

Wissenschaftliche Politikanalyse an sich allerdings geht es vor allem darum, wissenschaftlicher Modelle und Methoden weiter zu entwickeln. Ein eigener, neuer Bereich der Politikanalyse hat journalistische und künstlerisch-unterhaltende Formate der Politikanalyse (in Internet, TV- und Printmedien, Kunst und Unterhaltung) zum Inhalt. Schließlich sind  Beziehungen zwischen unterschiedlichen politikanalytischen Medien und Formaten von Forschungsinteresse.

Dieses Lehr- und Forschungsprogramm ist breiter aufgestellt als übliche Politikwissenschaft. Gegenüber der allgemeinen Medienforschung zeichnet es sich aber durch die spezielle Analyse politikbezogener Analyseformen aus.