Zur Emeretierung von Prof. Blei

"Koryphäe [grch., "der an der Spitze steht"],
im altgriechischen Theater der Chorführer,
heute Bezeichnung für "einen Meister seines Faches ..."
Bertelsmann Lexikon

Mit welchen Adjektiven kann man die Tätigkeit von Hochschullehrern anläßlich ihrer Emeritierung beschreiben? "In Lehre und Forschung engagiert" oder "um seine Disziplin verdient gemacht" gehören zu den Ehrformeln, die bei solchen Anlässen Verwendung finden. Gerecht werden kann man Herrn Univ.-Prof. Dr. Hermann Blei damit nicht, dessen Emeritierung zum 31.3. dieses Jahres wirksam wurde.
"Prägend" umschreibt wohl den Einfluß von Prof. Blei auf unseren Fachbereich am besten, hat er doch die Mehrheit seiner 80 Lehrsemester an der Freien Universität verbracht. Seine Bekanntheit beschränkt sich aber bei weitem nicht auf die FU, Strafrecht an der Freien Universität wurde und wird assoziiert mit dem Namen Blei. Dieser Bekanntheitsgrad beruht nicht nur auf seinen Lehrbüchern zum Strafrecht, die trotz der geraumen Zeit seit dem Erscheinen der letzten Auflage in jeder Literaturliste zu strafrechtlichen Vorlesungen zu finden sind, sondern auch auf seiner Tätigkeit als Herausgeber der JA, insbesondere in der Zeit des Inkrafttreten des neuen AT des StGB 1975.
Mit seiner Lehrtätigkeit hat Prof. Blei Generationen von Studenten in den Bann des Strafrechts gezogen. Wer dabei seiner Vorlesungsart nicht unkritisch gegenüber stand, änderte seine Meinung wohl meist: Eine Anfrage bei einigen Absolventen früherer Jahrgänge anläßlich dieses Artikels zeigte durchwegs: Blei hat keiner vergessen und rückblickend wird vor allem sein markanter Vortragsstil geschätzt. „Was man bei ihm gelernt hat, hatte man gelernt."
Nicht nur in seinen Vorlesungen, insbesondere auch in seinen Kleingruppenveranstaltungen, lag der Schwerpunkt auf dem Verstehen der Zusammenhänge, nicht auf dem Lernen von Einzelproblemen. Wohltuend rüttelte er die Teilnehmer seiner Vertiefungsveranstaltungen aus der repetitororientierten Konsumentenhaltung auf. Echtes wissenschaftliches Verständnis zu vermitteln - ein Anspruch, den viele andere Veranstaltungen nicht mehr erfüllen können - oder wollen?
Mit dem Ausscheiden von Prof. Blei erleidet der Fachbereich einen weiteren Ansehensverlust. Der Studentenschaft geht ein wirklicher Lehrer verloren. Ein Lehrer, der noch das sein konnte, was zum Bild des antiken Lehrers gehörte: Nicht nur ein Wissensvermittler, sondern ein wahres Vorbild zu sein. Es bleibt die Hoffnung, daß Prof. Blei sein Recht zum Angebot von (Kleingruppen-)Veranstaltungen vielleicht auch als emeritus wahrnimmt.

Felix Clauß

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