Wie nutze ich das Netz heute und wie nutze ich es in 10 Jahren ?

 

 

Das Internet als möglicher virtueller Handlungsraum ist mir vermutlich durch meinen jüngeren Bruder vermittelt worden. Zu dem Zeitpunkt existierte das www noch nicht und die Modems lösten gerade die Akustikkoppler ab; mein Bruder legte Wert auf Qualität - er legte sich ein Zyxel-Modem zu. Damit saugten wir, aus heutiger Sicht in Schneckentempo, Daten aus dem Netz, unterhielten uns zeilenweise mit Bekannten und Unbekannten und setzten uns den berechtigten Befürchtungen über eine stark erhöhte Telefonrechnung und erzieherischen Drohungen unserer Eltern aus. Der deutliche Unterschied zwischen ihm und mir lag in der Dauer der Begeisterung an der Nutzung: es vergingen einige Jahre, bis ich wieder mit dem Internet durch das Studium der Informationswissenschaft zu tun bekam.

 

Die naive Begeisterung erwachte diesmal in gebremster Form und es gesellte sich, an einer Universität nicht unüblich, so etwas wie wissenschaftliches Interesse dazu. Nun stellte sich das Internet plötzlich als die Summe seiner Dienste dar und sollte von mir theoretisch und praktisch erforscht werden. Ein eigener e-mail account und Zugang zum Internet war durch die Zedat kostenlos realisierbar. Es stellte sich jedoch kein hemmungsloser Gebrauch der mir zur Verfügung stehenden Kapazitäten ein. Die Nutzung beschränkte sich auf die „Kommunikation" mit der seminareigenen mailing-liste und dem Recherchieren nach vorhandenen Dokumenten im www für Referate. Diese Nutzung erfolgte auf den Rechnern der Zedat, was vermutlich ein Hindernis darstellte, denn ich mußte körperlich anwesend sein und es mußte natürlich ein Rechner frei sein. Aus bekannten Gründen, die in der studentischen Lebensweise ihre Ursache haben mögen, schien es mir unmöglich zu Beginn der Öffnungszeiten körperlich in der Zedat anwesend zu sein. Abgesehen davon mußte ich Geld verdienen und mich mit meiner Freundin und meinen Freunden beschäftigen, was die mögliche Nutzungszeit erheblich einschränkte. Eine „Kommunikation" mit Freunden über die Dienste des Internet scheiterte größtenteils an der nicht vorhandenen Internetanbindung ihrerseits, eine „Kommunikation" mit Unbekannten scheiterte an nicht vorhandenen Bedürfnissen meinerseits. Inzwischen besitze ich seit ca. 9 Monaten ein Modem, das den Komfort des Zugangs zum Internet erheblich erhöht. Mit diesem Komfort kann ich auch eine mäßig gesteigerte Nutzung von e-mail und surfen im www feststellen, die sich nicht nur auf Recherchen für Seminare beschränkt, sondern sich auch auf andere Themen erstreckt. Außerdem habe ich Wissen zur Präsentation im www aufbereitet, um Seminarscheine zu erlangen. Die anderen Dienste des Internets werden von mir nicht in Anspruch genommen. Die einzige Hemmung, die ich bei der Nutzung verspüre ist die der kommenden Telefonrechnung, die ich mittlerweile selbst begleichen muß.

 

Eine Aussage über die Nutzung des Internets in 10 Jahren hängt ab von den Veränderungen, die ich innerhalb dieser Zeit annehme. Mögliche Faktoren, die sich ändern können und dadurch auch mein Nutzungsverhalten ändern können sind: die berufliche Situation (Beschäftigung / Arbeitslosigkeit), Veränderungen in der Partnerschaft / im Freundeskreis, das zur Verfügung stehende Geld, die Kosten für die Internetnutzung, die angebotenen Dienste des Internets, die Art der Anbindung an das Internet, mein Informationsbedürfnis.

 

Eine Version aus der Zukunft:

Selbstverständlich habe ich einen gutbezahlten Job in der Informationsbranche. Die beruflichen Kontakte werden zu 90% per e-mail und video-conference abgewickelt. Persönliche Kontakte zu Kollegen finden drei mal monatlich zur Besprechung laufender und neuer Projekte statt. Da sich meine Arbeit überwiegend in den eigenen vier Wänden abspielt und die abstrakten Kontakte effizient aber langweilig sind, treffen wir uns häufiger mit Freunden als früher. Tageszeitungen gibt es bis auf ein paar konservative Blätter nur noch in elektronischer Form im Netz. Die Computer sind inzwischen soweit entwickelt, daß sie Sprache auch dann verstehen, wenn ich verschnupft bin oder verkatert. Einkäufe, die eine persönliche Probe erfordern (wie zum Beispiel Kleidung oder Käse), werden noch mit körperlicher Präsenz erledigt, alles andere per electronic commerce. Produktinformationen werden ebenfalls über das Netz eingeholt; die Beratungsagenten im Netz sind zwar noch etwas holzig aber sie machen sich. Die Kapazitäten der Leitungen sind zwar im 10-Jahres-Vergleich mächtig gestiegen, hinken aber dem Bedarf und den immer mitwachsenden Anforderungen hinterher.