Wie nutze ich das Netz heute und wie in 10 Jahren ?

 

Samstag, 05. Dezember 1998. Ich sitze gerade mit einer Tasse Zitronenmelissen- Tee am Schreibtisch und habe soeben den Connect- Button meiner DFÜ-Netzwerk Anwendung geklickt. Seit einigen Tagen bleibt das vertraute Quieken meines Modems beim Aufbau der Verbindung aus, denn seit kurzem besitze ich einen ISDN- Anschluß. Ich bilde mir ein, für einige Zeit der wachsenden Datenflut im Netz gewachsen zu sein. Zumindest solange, bis ADSL zu einem für den Endverbraucher erschwinglichen Preis angeboten werden wird.

Bei der Abfrage meiner Email fällt mir auf, daß die Übertragung vom Server der FU- Berlin beträchtlich lange dauert und beschließe diesem auf den Grund zu gehen. Ich vermute das Problem zunächst beim Server selbst, stelle dann aber fest, daß mein Schwager mir soeben eine Email geschickt hat, welcher er einige Bilder von meinem Neffen beigefügt hat. Die insgesamt zwei Megabyte großen Attachments befördere ich mit einem Mausklick zum späteren Betrachten ins Familienalbum auf Laufwerk F und widme mich, nachdem ich meine restlichen Emails gelesen habe, nun meinem eigentlichen Anliegen, nämlich der Suche nach Texten, die sich mit dem "Jahr 2000 - Problem" befassen.

Mit wenigen Mausklicks befinde ich mich auf der Hompage einer Suchmaschine und lasse diese ihren Dienst tun, während ich ein neues Browserfenster öffne und mich im Internet nach dem aktuellen Treibern für meinen neuen CD- Rom Brenner umsehe. Ernüchtert muß ich jedoch feststellen, daß die Datei welche ich herunterladen möchte 1,5 Mbyte groß ist und die Durchsatzrate meiner Verbindung momentan gerade mal 2 kb/sec beträgt. Also beschließe ich, dies demnächst auf einem Uni- Rechner zu erledigen und breche den Vorgang ab. Immerhin tröstet mich, daß meine Recherche nach den Texten erfolgreich war und speichere das Suchergebnis auf meiner Festplatte ab, nachdem ich einige Links verfolgt und für brauchbar befunden habe. Ein wenig ärgere ich mich zwar noch über den langsamen Datenverkehr im Internet (zumindest hier in Europa) und den ewigen Datenstau, doch dann erinnere ich mich an die Adresse einer Homepage, die ich neulich in einer Zeitschrift gelesen habe und die ich unbedingt mal ansehen wollte. Also gebe ich die Adresse ein und befinde mich nach der üblichen Wartezeit auch tatsächlich dort. Bald darauf bin ich wieder einmal der Versuchung des Surfens erlegen und klicke mich nun von einem Link zum nächsten. Die Telefongesellschaften wird's freuen ...

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, daß ich mal wieder völlig die Zeit um mich herum vergessen habe und beschließe die Verbindung welche nun immerhin schon eine Stunde besteht mit einem Klick auf den entsprechenden Button zu beenden.

 

 

 

 

 

05. Dezember 2008, soeben habe ich meinen Arbeitstag beendet und logge mich aus dem System meines Arbeitgebers aus. Mit etwas Mitleid denke ich an all die Menschen, die sich jetzt in ihr Auto setzen und den Launen der alltäglichen Berufsverkehrs ausliefern müssen.

Vier Jahre ist es nun schon her, daß mir angeboten wurde, künftig meine Arbeit von zu Hause aus zu tun. Nach anfänglichen Bedenken habe ich diese Art zu Arbeiten inzwischen sehr zu schätzen gelernt.

Der Remote- Computer meines Arbeitgebers meldet gerade "Disconnect from x- System" als das Telefon klingelt. Die Bezeichnung Telefon hat sich merkwürdigerweise erhalten, obwohl bei der heutigen Kommunikationsform nichts mehr an ein Telefon im herkömmlichen Sinn erinnert. In der Praxis heißt dies, daß in den Wohnungen zum Beispiel keine Telefonbuchsen mehr benötigt werden. Sie wurden überflüssig, als letztes Jahr Fernseh- und Telekommunikationsnetz zu einer Einheit zusammengewachsen sind und der Computer zum zentralen Kommunikationsgerät geworden ist, welches nicht nur Fernseher und Telefon ist, sondern auch sämtliche Geräte im Haus steuern kann. Die Fernsehkabel wurden zum neuen gemeinsamen Medium.

Die Hauptvorteile dieses Zusammenschlusses liegen auf der Hand: Durch die wesentlich besseren Übertragungs- und Zugriffszeiten aufgrund der höheren Bandbreite des ehemaligen Fernsehnetzes dauert das Herunterladen von Daten nur noch wenige Sekunden. Folglich kann heute sämtlicher Datenaustausch über dieses Netz erfolgen. Die Tageszeitung, die Post, Videos, Literatur sind online verfügbar. Lediglich ein Problem konnte noch nicht zur Zufriedenheit gelöst werden und kristallisiert sich als Hauptproblem des 21. Jahrhunderts heraus: Die Sicherheit der Daten. Und so verzichte ich, obwohl es überall angeboten und als sicher angepriesen wird, auf Telebanking, wie auch ansonsten auf Dienste welche die Übertragung empfindlicher Daten erfordern.

Doch zurück zum Telefon welches immer noch klingelt: Ich klicke das Feld "Gespräch annehmen" an und es öffnet sich der Bildschirm des Videotelefons. Es ist meine Frau, die sich gerade mit den Kindern auf dem Weg nach Hause befindet und mich bittet, beim Supermarkt noch einige Dinge per Email zu bestellen und außerdem einen Termin in der Autowerkstatt zu vereinbaren.

Während ich noch mit meiner Frau spreche öffne ich das Fenster des Service- Bereichs meines Netzbetreibers, fülle das Bestellformular aus auf und teile abschließend die Terminwünsche mit.

Ich beende das Gespräch mit meiner Frau, stehe auf und gehe zum Fenster. Draußen schneit es. Genau wie am 05.Dezember 1998 denke ich und mir kommt das Internet- Seminar in den Kopf. Irgendwo muß ich die Liste mit den Email- Adressen noch haben ....