SPEX #300 No. 07/2006

Mobilé
Kartographie

Mobilé sind eine Band aus Berlin, "Kartographie" ist ihr zweites Album. Darüber hinaus gibt es nicht viel, was ich subjektiv über diese Veröffentlichung schreiben kann. Ich finde, dass Mobilé vielleicht die "schottischste" Band sind, die es in diesem Land gibt. Weil sie das rumpelig Rockende, das ganz weit Ausholende und das Zärtliche, was einem wie nebenbei morgens beim Aufwachen einfällt, zusammendenken. Weil sie sich die eigene Sprache nicht verbiegen lassen.
Doch auch wenn die Streicherarrangements so toll sind wie bei den Delgados, wenn die Texte vielleicht die Schnittmenge aus der Menschlichkeit von Teenage Fanclub und der Nachdenklichkeit von Malcolm Middleton darstellen, ist "schottisch" nur eine notdüärftige Beschreibung, die mir unter Umständen nur deshalb einfällt, weil ich gerne in Schottland bin - und gerne Mobilé höre.
Und da ist man schon bei der Sache, die mir fast immer irgendwann gesagt wird, wenn ich Menschen für diese Musik begeistern möchte: "Die Gründe, die du aufführst, sind schon sehr persönlich, oder?" Das mag wahr sein. Aber ich glaube auch, dass es die ganz große Stärke dieser Musik ist, dass sie ganz unmittelbar dazu einlädt, solch ein persönliches Verhältnis aufzubauen. Weil sich diese Lieder auf eine Suche nach Geborgenheit machen, nach einem Raum, in dem man vor den Idioten endlich Ruhe hat.
Und weil sie immer wieder beweisen, dass man weder große Worte noch große Szenarien braucht, um die größten Ängste und das große Glück in Sprache zu fassen. Zwischen dem Stolpern über die eigenen Füße und dem Wiederaufstehen finden Mobilé so immer wieder den direktesten Weg zu dem Ort, an dem diese oder jene Gefühle entstehen: Sei es nun vertraute Realitätsflucht ("Solitär"), der Anfang von dem, was nach einem Ende kommt ("Wieder dahin kommen"), oder das Gut-aufgehoben-Sein wie in "Fraktale Selbstähnlichkeit der Weltkarte". Diese Stücke lassen einem kaum eine andere Möglichkeit als sie aus sehr persönlichen Gründen zu mögen.

Jan Niklas Jansen