Arbeitstitel: SFB-Intendant rechnet "im ungünstigsten Fall" mit Ende der ARD - Sparkurs für kommende Gebührenperiode - "Im äußersten Notfall allein überleben"


(epd) SFB-Intendant Günther von Lojewski rechnet "im ungünstigsten Fall" mit dem Ende der ARD. Der Politik wird es seiner Erwartung nach "sehr schwerfallen", die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Jahr 2001 an zu sichern. Wenn wie angenommen zum Jahr 2001 Abschied vom Finanzausgleich genommen werde, stelle für die "ganz kleinen Anstalten" die Frage des Überlebens. Eine gespaltene Gebühr als Alternative zum Finanzausgleich gehe an die Existenz der ARD, so Lojewski am 6. Juni im einem Hintergrundgespräch in Berlin.

Es sei die Frage, ob die politisch angestrebte Neustrukturierung der Rundfunklandschaft gelinge. Nach dem Scheitern des Zusammenschlusses von Berlin und Brandenburg gebe es zunächst keinen Anstoß zur Neuordnung der Rundfunklandschaft in der Region mehr. Wenn die Neugliederung insgesamt mißlinge, müsse der SFB bereit sein dafür, "im alleräußersten Notfall allein" überleben zu können. Dies könne bedeuten, nicht nur ohne Finanzausgleich und ohne Neuordnung, sondern auch ohne die ARD existieren zu müssen.

Lojewski kündigte einen - so wörtlich - "außerordentlichen Sparkurs" für die kommende Gebührenperiode an. Ab 1997 sollten pro Jahr zehn Millionen Mark eingespart werden, insgesamt also 40 Millionen Mark bis zum Jahr 2000. Die zur Zeit erstellte Mittelfristige Finanzplanung sieht für die kommenden Jahre jeweils Etats in Gesamthöhe von rund 400 Millionen Mark vor (derzeit 386 Mio.). Die Gebühreneinnahmen von derzeit etwa 300 Millionen Mark wachsen nach Angaben des Intendanten durch die vorgesehene Erhöhung um 36 Mio. Mark, von denen 12 Mio. zweckgebunden sind, so für den Aufbau weiterer Pensionsrückstellungen und die geplanten ARD-Spartenkanäle. Ziel sei es, einen "in der Gebührenperiode ausgeglichenen" Gesamtetat zu erreichen.

Der SFB soll nach dem Willen seines Intendanten die Kooperation mit dem ORB weiter vorantreiben. Dies sei auch "politisch richtig", so Lojewski. Auf der Programmseite strebt er eine Zusammenarbeit bei den Kulturwellen beider Häuser an. Auch über das Gemeinschaftsprogramm B Zwei müsse nach den Ergebnissen der MA 96 (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe) "nachgedacht" werden. Es gebe derzeit intern drei oder vier Varianten für eine "Neupositionierung". Die neu zu konzipierende Welle dürfe jedoch keinem der vorhandenen Programme Konkurrenz machen. Im Verwaltungsbereich sei es denkbar, Bereiche wie Rechteeinkauf und Lizenzen zusammenzulegen und Teile "auszulagern". Einsparungen erwartet Lojewski auch durch den für das laufende Jahr geplanten Verkauf des Deutschlandhauses.

Zum Ende dieses Jahres will Lojewski die Technische Direktion seines Hauses auflösen. Hörfunk- und Fernsehtechnik sollen jeweils den beiden Programmdirektionen zugeordnet werden, die Zentraltechnik der Verwaltungsdirektion. Die neuen digitalen Techniken brächten, so der SFB-Chef, "erhebliche Veränderungen bis in die Berufsbilder hinein" mit sich. Eine Hörfunk-Betriebstechnik in heutiger Größe und mit den heutigen Aufgaben werde sich in wenigen Jahren keine ARD-Anstalt mehr leisten können. Bereits in wenigen Monaten solle es einen digitalen "Aktualitätenspeicher" geben, der sämtliche aktuellen Hörfunkbeiträge für den Zugriff aller Redaktionen bereithält. Auch im Fernsehen will der SFB durch die digitale Zusammenführung von Bild, Ton, MAZ und EB-Schnitt Einsparungen erzielen. Das technische Personal soll mit der Umstrukturierung verringert werden, gleichzeitig kündigte Lojewski Umschulungsprogramme an. Der heutige Technische Direktor Wilhelm Sommerhäuser geht zum Jahresende in Pension.

Die durch die Auflösung der Technikdirektion möglichen Einsparungen kalkuliert der Sender mit 1,5 Millionen Mark im Durchschnittsjahr der kommenden Gebührenperiode. Den Rest der geplanten Sparsumme von zehn Millionen Mark wollte der Intendant nicht durch konkrete Zahlen untermauern. Die Summe sei derzeit im Entwurf des Wirtschaftsplans "pauschal ausgewiesen". Lojewski erwähnte Überlegungen, "teure Musikproduktionen" zum Beispiel im Bereich der neuen Musik zu verringern. Er kündigte auch den Versuch an, "an soziale Besitzstände" herangehen zu wollen. Den geplanten Personalabbau wollte Lojewski nicht in Zahlen ausdrücken. Derzeit hat der SFB rund 1130 Mitarbeiter, der Anteil der Personalkosten am Etat betrage weniger als 50 Prozent.

Einnahmen in Millionhöhe erhofft die Anstalt sich von der geplanten Einführung eines Meldedatenabgleichs, mit dem die Einwohnermeldeämter Umzugsmeldungen an die Gebührenstelle von SFB und ORB weitergeben würden. Einnahmerückgänge hält Lojewski jedoch mit der geplanten Einführung eines "Hotelprivilegs" für möglich, mit dem die Gebührenpflicht von Radios und Fernsehgeräten in Hotelzimmern entfallen würde. Ende 1996 laufe auf Verlangen der KEF auch die Vereinbarung der ARD-Anstalten und des ZDF über die Verteilung der Leitungs- und Senderkosten aus. Eine neu zu verhandelnde "verursachergerechte Zuordnung" dieser Kosten ergebe nach SFB-Plänen eine Reduzierung um rund acht Millionen Mark.

Im Jahr 1999 will Lojewski SFB-Personal, vor allem aus den Bereichen Technik und Verwaltung, ins neue Haupstadtstudio der ARD verschieben, das derzeit gemeinsam mit dem WDR gebaut und je zur Hälfte finanziert wird. Die Übernahme von 0,25 Prozent der ARD-Quote durch den ORB verringere die Ausgaben um insgesamt 2,75 Millionen Mark, davon 1,25 Mio. für ARD-Gemeinschaftsaufgaben und 1,5 Mio. Produktionskosten. Weitere Kooperation mit dem ORB habe "absolute Priorität", so der Intendant wörtlich. Auch mit dem MDR und dem MDR bliebe aber weitere Zusammenarbeit möglich.

Das rund 150 Millionen Mark umfassende Negativkapital des SFB soll mit den Jahresabschlüssen von 1995 an in mehreren Schritten "erheblich abnehmen". So könne die "gewaltige Differenz" zwischen Buchwert und Verkaufswert des Deutschlandhauses nun das Negativkapitel abschmelzen. Auch die laufenden Investitionen für das Hauptstadtstudio trügen zur Verringerung des Negativkapitals bei. Die ersten Jahre der neuen Gebührenperiode sollen nach SFB-Plänen jeweils mit Überschüssen abgeschlossen werden, um die Kostensteigerungen und die zu erwartenden Defizite der Jahre 1999 und 2000 aufzufangen.

Die direkten Zahlungen aus dem ARD-Finanzausgleich verringern sich für den SFB von bislang 25,5 Millionen Mark auf 10 Mio. jährlich. Die Leistungen des MDR an den SFB betrügen insgesamt 13,75 Millionen davon fünf Mio. für ARD-Gemeinschaftsaufgaben und sechs Mio. Produktionskosten. Der MDR wird auch den SFB-Anteil am Kinderkanal und damit 2,75 Millionen Mark übernehmen.

Von der Gesamtsumme des ARD-Finanzausgleichs in der kommenden Gebührenperiode sollen zehn Millionen Mark der Magdeburger Einigung zufolge im laufenden Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden. Nach Angaben Lojewskis könne dies dadurch geschehen, daß die ungedeckten Ansprüche gegen Zahlungsverpflichtungen für das Gemeinschaftsprogramm verrechnet werden. Zahlungskräftige Anstalten wie der WDR würden demnach die entsprechenden Anteile der drei Nehmeranstalten finanzieren. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>