„Die Tiere sind für gewöhnlich den ganzen Tag über im Freien“

„Die Tiere sind für gewöhnlich den ganzen Tag über im Freien“

Bereits seit Ende November 2016 gilt im gesamten Land Brandenburg für Geflügel privater wie kommerzieller Halter eine allgemeine Stallpflicht. Eine Aufhebung ist zurzeit nicht in Sicht. Grund dafür ist das wiederholte Auftreten der Geflügelpest, auch bekannt als Vogelgrippe. Tom und Linda Müller* (22, 20), zwei engagierte Nachwuchslandwirte, absolvieren ihr Studium im Agrarbereich, um später den Hof und den Hofladen ihrer Eltern zu übernehmen. Besonders im Weihnachtsgeschäft sahen sie sich mit der Tierseuche konfrontiert. Im Interview erzählen sie von ihren Erfahrungen und schildern, wie die Krankheit die Existenz ansässiger Landwirte bedroht.

* Namen von der Autorin geändert

Von Julia Staskowiak

Die aviäre Influenza

…besser bekannt als Vogelgrippe oder Geflügelpest, ist eine hochansteckende Virus-Erkrankung, die vor allem Hühner, Puten und Wildvögel befällt und meist zum Tod führt. Auch einzelne Übertragungen auf Katzen und Menschen sind registriert worden. Die Ansteckung erfolgt durch Tröpfen- oder Kontaktinfektion. Eine Übertragung durch die Aufnahme von durchgegartem Fleisch bzw. Eiern gilt aktuell als ausgeschlossen.

Am 25. November 2016 wurde in Werder/Havel eine verstorbene Möwe aufgefunden, die mit dem H5N8-Virus infiziert war. Seitdem besteht eine landesweite Stallpflicht für Geflügelhalter, ob privat oder kommerziell. Wie seid ihr damit umgegangen?

Linda: Im ersten Moment waren wir schockiert, dass die Vogelgrippe nun auch in unserer Gegend ausgebrochen war. Wir haben die Tiere sofort ins Stallgebäude gebracht, so wie es die Vorschriften verlangt haben. Da es Vorweihnachtszeit war und viele Kunden ihr bestelltes Geflügel erst kurz vor Heiligabend abholen wollten, haben wir die gesamte Kundschaft angerufen und angefragt, ob sie das Geflügel schon früher abholen könnten. Somit konnten wir den Kunden die Sicherheit geben, dass das Geflügel noch nicht an der Vogelgrippe erkrankt war.

In der Zeit von Mai bis Dezember haltet ihr Geflügel, um am Weihnachtsgeschäft teilzuhaben. Wollt ihr das beibehalten?

Tom: Ja, denn der Verkauf von Geflügel macht den Großteil unseres Weihnachtsgeschäfts aus. Zudem steigt die Nachfrage nach unseren Weihnachtsgänsen und -enten Jahr für Jahr an.

War das Weihnachtsgeschäft 2016 durch die Seuche in Gefahr? Habt ihr Einbußen in Kauf nehmen müssen?

Linda: Dadurch, dass wir schon früh viele Tiere geschlachtet haben und die Kunden damit auch einverstanden waren, gab es für uns keine Einbußen. Die Verbraucher waren verunsichert, aber kein Kunde hat seine Bestellung zurückgenommen.

Viele Großbetriebe müssen aus Gründen von Erkrankungen ihren aktuellen Bestand töten und verbrennen (lassen). War euer Geflügelbestand schon einmal von einem derartigen Krankheitsfall betroffen?

Linda: Nein, so etwas kam noch nie vor.

Bestand schon einmal der Verdacht einer Infizierung?

Tom: Nein, auch das kam bisher noch nicht vor.

Welche Konsequenzen hätte eine Infektion dieses Ausmaßes für euch?

Linda: Unsere Existenz wäre dadurch massiv bedroht, da die Geflügelhaltung wie gesagt den Großteil unseres Weihnachtsgeschäftes und sogar etwa ein Drittel unseres Jahresgeschäftes ausmacht.

Lernt ihr im Studium etwas über die Vogelgrippe bzw. den Umgang mit einer solch bedrohlichen Seuche?

Linda: In meinem Studium kommt dieses Thema nicht vor. Da ich dual studiere, sind  die Themen relativ begrenzt. Wenn ich aber die Möglichkeit hätte, würde mich solch ein Modul schon interessieren.

Tom: Bei mir wurde dieses Thema auch nicht angesprochen. Das liegt aber einfach daran, dass mein Master- Studium auf die Pflanzenproduktion ausgelegt ist. Im Bachelor haben wir solche Themen aber ebenfalls nicht behandelt.

Aufgrund immer neu auftretender Krankheitsfälle ist eine Aufhebung der Stallpflicht nicht in Sicht. Was heißt das konkret für ansässige Geflügelhalter?

Linda: Dass die Stallpflicht immer noch besteht, ist natürlich schlecht für alle Halter in der Umgebung. Wenn die Stallpflicht im Mai immer noch besteht, ist das dann auch wieder für uns ein Problem, da wir im Mai die Küken bekommen. Später müssen die Tiere dann auch ins Freie, damit sie genügend Auslauf haben, da unsere Kunden das sehr schätzen. Beispielsweise besagen die Vorschriften der Stallpflicht aber auch, dass ab zwölf Wochen Stallpflicht die Eier aus Freilandhaltung als Bodenhaltungseier deklariert werden müssen. Das ist zum einen schlecht für den Produzenten, da weniger Gewinn erzielt wird. Zum anderen neigen die Kunden aktuell dazu, mehr Eier aus Freilandhaltung zu kaufen. Das liegt wahrscheinlich am Bewusstsein der Bevölkerung, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und genug Auslauf bekommen.

Haben die Tiere auf eurem Hof normalerweise die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten?

Linda: Ja, die Tiere sind für gewöhnlich den ganzen Tag über im Freien. Sie haben dort Zugang zu Trinkwasser und eine sehr große Wiese, wo sie Gras fressen können. In der Nacht befinden sie sich in einem komfortablen Stallgebäude, wo sie noch einmal eine Futterstation zur Verfügung haben.

Tom: Unsere Kunden legen Wert darauf, wo und wie unsere Tiere gehalten werden. Außerdem können sie sich jederzeit unsere Gänse und Enten auf der Wiese anschauen, da sie sich nur unweit von unserem Hofladen befinden.

Gehen wir ein paar Jahre in die Zukunft. Wie würdet ihr als selbstständige Landwirte mit einer solchen Seuche umgehen?

Linda: Für mich ist es besonders wichtig, dass die Tiere sich trotzdem genügend bewegen können und immer Zugang zu Futter und Wasser haben. Also so, wie es jetzt ist.


Julia Staskowiak studiert im fünften Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.