Wenn der Glaube Hunger und Durst besiegt

Wenn der Glaube Hunger und Durst besiegt

Einst war Mohammed Herzog Protestant, doch vor über dreißig Jahren trat er zum Islam über. Damals  hatte er sich intensiv mit islamischer Literatur beschäftigt und fand zu seinem neuen Glauben. Das Fasten hält er nun für eine seiner wichtigsten religiösen Pflichten und kritisiert, dass viele Muslime in Berlin nicht mehr richtig Ramadan halten.

Von Gulmira Tugolbaeva

Seinen Glauben zu ändern ist nicht einfach. Man muss viel darüber diskutieren und nachdenken, um eine gute Entscheidung zu treffen. Für den Imam Mohammed Herzog war es aber leicht: Nach einem Gespräch mit türkischen und arabischen Jugendlichen entdeckte er Ähnlichkeiten zwischen dem Islam und dem Protestantismus und begann sich intensiv mit islamischer Literatur zu beschäftigen. Fünf Jahre später trat er zum Islam über.

Mohammed Herzog, 68 Jahre alt, gehört zur Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime in Berlin. Seit zwanzig Jahren hält er den Ramadan ein. Er war 34 Jahre alt, als er in Jordanien zum Islam übertrat und dort das Glaubensbekenntnis des Islams, die Schahāda, sprach. „Ich habe dort bezeugt, dass es nur einen Gott gibt und Mohammed ein Prophet ist. Als ich das ausgesprochen hatte, war ich zum Muslim geworden“, erzählt er.

Herzog

Mohammed Herzog (Foto: G. Tugolbaeva)

Der Imam hat bis heute keine Schwierigkeiten als Muslim und seine Entscheidung nicht bereut. Für ihn sind die beiden Religionen identisch. Er kann das, was er in der Bibel gelesen hat, auch im Koran finden. „Es ist schade, dass ich nicht früher den Islam kennengelernt habe“. Mohammed Herzog weiß, dass nicht nur das Koran-Lesen und das Beten zu den Grundpflichten der Muslime gehört, sondern auch das Fasten. Als er den Islam angenommen hat, fastete er von da an jedes Jahr. Bis vor 14 Jahren, als er damit wegen einer Diabetes-Erkrankung aufhören musste.

Der Ramadan ist der wichtigste Monat des Jahres, sondern für die Muslime in der ganzen Welt, sagt Herzog. Es ist das zweitwichtigste Fest des islamischen Jahres. Die Gläubigen beten, danken Gott, fasten und geben Almosen. Kein Kaffee, keine Zigaretten, kein Schluck Wasser ist tagsüber im Fastenmonat erlaubt. Gegessen und getrunken wird nur in der Nacht: „Vieles ändert sich für die Fastenden im Ramadan“, erzählt Herzog.

In diesem Jahr beginnt der Fastenmonat Ramadan am 9. Juli und endet am 7. August. In letzter Zeit setzt man im europäischen Raum den Ramadan auch mit der Sommerzeit in Verbindung. Denn seit einigen Jahren fällt die Fastenzeit im gregorianischen Kalender auf den Sommer. Anders als bei diesem richtet sich die islamische Zeitrechnung nach dem Mondkalender. Da das Mondjahr um circa elf Tage kürzer als das Sonnenjahr ist, verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr um diese elf Tage.

Am 9. Juli um 3.26 Uhr fangen die Gläubigen zu fasten an. Die Fastenzeit dauert bis 21.34 Uhr. Jeden Tag verschiebt sich dann der Zeitraum. Morgens essen die Fastenden ein bis zwei Minuten später und abends darf man zwei Minuten früher essen. Während der Fastenzeit ist Rauchen und Geschlechtsverkehr nicht erlaubt. Nur wenn ein Mensch krank ist, braucht er nicht zu fasten. Diabetes-Kranke oder Menschen, die Tabletten nehmen müssen, sind ganz befreit. Sie sollen dafür eine Speise-Spende von 6,50 Euro pro Tag zahlen. Wer die Spende nicht aufbringen kann, muss die Fastentage nachholen.

Wenn das Fest des Fastenbrechens kommt, gehen die Muslime in die Moschee und geben dort Zakat (Almosensteuer). Die Zakat ist das Gebot, einen bestimmten Teil des Vermögens an Bedürftige abzugeben. Sie beträgt für Muslime etwa zehn Euro pro Jahr.

„Ich finde es nicht schön, dass während der Ramadanzeit bei unseren Muslimen viel mehr gegessen wird als außerhalb des Ramadans. Das ist ungesund“, sagt Mohammed. Er kennt einige arabische Länder, in denen während des Fastens fünf verschiedene Sorten Kartoffeln, Fleisch und Reis aufgetischt werden. „Wir müssen überlegen, was es heißt zu fasten und zu spüren, wie der Hunger vergeht, wenn er kein Essen bekommt“, erzählt Mohammed Herzog.

Wenn die Abenddämmerung im Fastenmonat kommt, betet er erst, bevor er isst. „Viele machen das nicht. Viele beten nach dem Essen. Das ist nicht Fasten und nicht richtig“, bemerkt der Imam. Während des Ramadans hat Mohammed zwei oder drei Mal in der Woche mit anderen Fastenden ein Treffen, bei denen sie zusammen das Abendgebet sprechen und zusammen essen. Wichtig sei es, mit der Familie gemeinsam zu essen, empfiehlt der Imam. Viele Muslime erleben den Ramadan als eine Zeit von Nähe und Gemeinsamkeit. „Man soll abends versuchen, mit mehreren Leuten zusammenzusitzen und zu essen oder die Freunde einzuladen. Sehr wichtig ist aber vor allem, Essen für arme Menschen auszugeben“.

gebet

Muslim beim Beten (Foto: G. Tugolbaeva)

„Ich finde es gut, dass während des Fastenmonats Muslime eher zusammenkommen als sonst. Besser wäre es jeden Tag zusammenzukommen. Ramadan lehrt auch, mehr an arme Leute zu denken und ihnen zu helfen. Wir haben in Berlin auch Armut und viele Menschen übernachten auf den Straßen. Im Ramadan lerne man zu schätzen, was man hat“, sagt Herzog ernst.

Der tägliche Verzicht auf Essen und Trinken erfolgt durch die Kraft des Glaubens und soll zur seelischen Reinigung führen. Herzog glaubt, dass der Fastenmonat auch eine Reinigung des Körpers ist, das heißt eine Entschlackung. Die ersten Tage im Fastenmonat fällt es schwer, mit dem Essen aufzuhören. Aber in den folgenden Wochen ist nicht mehr so hart, weil der Magen klein geworden ist. In Deutschland sei es aber schwerer zu fasten als in den arabischen Ländern. Denn dort seien alle Geschäfte während der Fastenzeit geschlossen, sagt er. „Doch das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islams und man soll das aushalten“, findet Mohammed Herzog.

Die dreitägigen Feierlichkeiten beenden den Fastenmonat Ramadan. Wie Herzog erzählt, ist das Fest des Fastenbrechens ein wichtiges Ereignis für die Gemeinschaft. Für ihn beginnt der erste Feiertag mit einem morgendlichen Festgebet mit seiner Familie oder Freunden in der Moschee, an dem häufig vor allem Männer teilnehmen. „Danach finde ich es schön, dass ich nach Hause gehe und dort mit ganzer Familie am Tisch sitze und die Familienfeierlichkeiten zusammen anfange“, sagt Mohammed.

Während des dreitägigen Fests bewegt man sich meist von „nah nach fern“. Am ersten Tag ist der engere Familienkreis unter sich, an den beiden folgenden Tagen stattet man den übrigen Verwandten Besuche ab.


P1030388Gulmira Tugolbaeva ist in Bischkek, Kirgisistan, geboren und hat Journalistik studiert. Von 2007 bis 2012 arbeitete sie in einer Nachrichtenagentur. Seit 2013 ist sie PR-Managerin für die Fraktion „Respublika“ im kirgisischen Parlament. Sie interessiert sich besonders für Politik, Gesellschaft, Kultur, Medizin und Tourismus. Nach ihrer Meinung sind das die Themen, durch die die Menschen immer miteinander in Beziehung stehen. Für ihr Praktikum ging Gulmira zur Berliner Zeitung in die Lokalredaktion.

Internationales Journalisten-Kolleg ǀ  Journalisten International ǀ Sommer 2013

2017-07-06T12:18:16+02:00 Kategorien: Gefühl + Glaube, IJK, JIL '13, Lesen|Tags: , , , , , |