Ein geflüchteter syrischer Journalist schreibt jetzt für B.Z. und BILD

Ein geflüchteter syrischer Journalist schreibt jetzt für B.Z. und BILD

Hamza Jarjanazi, 26, flüchtete 2014 aus Syrien in die Türkei und danach nach Deutschland, nach Berlin. Er wohnte zunächst im Flüchtlingslager am Wannsee. Heute hat er eine Wohnung im Wedding. Zurzeit arbeitet er bei der Boulevardzeitung B.Z. und schreibt gleichzeitig für die BILD.

Ein Porträt von Nilufar Ishandzhonova

Der Checkpoint Charlie war früher einer der bekanntesten Grenzübergänge an der Berliner Mauer. Heute erinnert dort ein Museum an die DDR-Flüchtlinge und deren Fluchtversuche. Das ist genau der richtige Ort, um sich mit einem geflüchteten Journalisten aus Syrien zu treffen.

Hamza ist pünktlich um 18 Uhr da. Er trägt keine Tasche oder Rucksack, weil er nach diesem Treffen wieder arbeiten geht. Er spricht Englisch.

Eine neue Familie für den geflüchteten Journalisten

Hamza Jarjanazi ist 2014 gleich nach seinem Abschluss an der Damaskus Universität für Medien und Journalismus vor der Gewalt und dem Terror aus Syrien in die Türkei geflohen. In Istanbul arbeitet er für eine syrische Zeitung. Im Mai 2015 entscheidet sich Hamza, aus der Türkei weiter nach Deutschland zu fliehen. Er schafft es bis nach Berlin, was er nicht bereut hat. „Ich war einmal spazieren und habe auf meinem Weg ein schönes Gebäude gesehen. Ich habe es gegoogelt und herausgefunden, dass es ein Gebäude der AXEL SPRINGER AG war, eines der größten Verlagshäuser Europas“, erzählt der 26-Jährige. „Das geschah zwei Wochen vor meinem Treffen mit Peter Huth, dem Chefredakteur der B.Z. (Berliner Boulevard-Tageszeitung, Anm. d. Red.). Jetzt sind die B.Z. und die BILD meine Familie.“

Der syrische Journalist trifft Peter Huth dank der Managerin des Flüchtlingslagers am Wannsee, wo er mit anderen 150 Geflüchteten wohnt. Bei einem Abendessen in einer Kirche, zu dem die beiden Medienmacher von der Managerin eingeladen wurden, lernten sie einander kennen. „Wir sprachen mit Peter viel über Syrien und den Krieg dort. Das war ein ziemlich langes Gespräch. Später habe ich dann seine KollegInnen kennengelernt und angefangen, für die B.Z. zu schreiben“, freut sich Hamza.

© Nila Ishandzhonova. Heute arbeitet Hamza für Medien des Axel Springer Verlags

© Nila Ishandzhonova. Heute arbeitet Hamza für Medien des Axel Springer Verlags.

In den Monaten Januar bis April 2016 machten Syrer 48,4% der neuen Flüchtlinge in Deutschland aus, Iraker 14,8% und Afghanen 12,3%. 18.540 Geflüchtete wurden in Berlin untergebracht, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Wie auch andere der knapp 1 Mio. Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, kam auch Hamza mit dem Boot über Griechenland nach Deutschland. Er hätte sich damals kaum vorstellen können, dass er schon vier Monate später selber über diese Million berichten wird, und zwar für die größte Boulevard-Zeitung Deutschlands. Das Beste in der Redaktion ist seiner Meinung nach die Freiheit bei der Themenwahl. „Ich muss nicht nur über die Flüchtlingssituation in Deutschland schreiben. Ich habe eine freie Wahl. Aber viele Medien wollen nur über Bomben-Explosionen berichten und nicht über die gravierenden Verstöße gegen die Freiheit in diesen Staaten.“

Lügenartikel über Syrer

In Berlin fühlt sich der 26-Jährige sehr wohl. „In anderen Städten wälzen Leute die Schuld für alles immer auf Flüchtlinge ab. Nur hier in Berlin ist es jedem egal, was für einen Hintergrund du hast.“ Hamza regt sich über die Medien auf, die Lügenartikel über die geflüchteten Syrer veröffentlichen und behaupten, dass alle Syrer Bettler und Diebe seien. „Das ist meine Geschichte, und natürlich fühle ich mich seltsam, wenn ich so etwas lese oder höre. Als Journalist recherchiere ich dazu, versuche die Wahrheit herauszufinden und veröffentliche Dementi zu solchen Artikeln. Das ist ja alles, was wir Journalisten tun können.“

Pressesituation aus seiner Sicht

Hamza arbeitete bereits in unterschiedlichen Ländern für unterschiedliche Medien. Er behauptet, dass „manche Medien nur eine Position, eine Haltung der Menschen schildern wollen, anstatt einfach die Wahrheit zu sagen. Einige machen Journalismus gar nur für das Geld.“ Für Hamza ist Journalismus etwas völlig anderes: „Freedom!“, wiederholt er. Freiheit.

Hamza erzählt von einem Fall, der ihm in diesem Jahr passierte, als er selbst von einer Korrespondentin interviewt wurde. Die beiden trafen sich zum Gespräch in einem Café, wo der Journalistin von einem Mädchen das Handy gestohlen wurde. Erst einige Minuten später merkten die beiden, dass das Handy nicht mehr da war. „Ich bin mir sicher, dass das eine von den syrischen Flüchtlingen war“, protestierte die Journalistin. „Solche Fälle gibt es viele“, sagt er.

© Hamza Jarjanazi Privatarchiv

© Hamza Jarjanazi Privatarchiv

Status quo

Zurzeit wohnt der junge Syrer im Berliner Wedding, sehr nah beim AXEL SPRINGER Verlag. Deutsch spricht er noch nicht, ist aber dabei, die Sprache zu lernen. Hamza hat zwei Brüder, die in Dubai wohnen, und zwei Schwestern, eine in Saudi-Arabien und die andere lebt in Syrien mit der Mutter. Sein Vater wurde vor drei Jahren zur Armee des Staatspräsidenten Baschar al-Assad eingezogen. Bis heute hat Hamza keinen Kontakt zu ihm.

Durch die Arbeit beim AXEL SPRINGER Verlag ergaben sich für den 26-Jährigen neue Kontakte zu Journalisten anderer Zeitungen, die dem Verlagshaus gehören. So ist auch der Kontakt zu BILD entstanden.

Hamza findet, dass deutsche Medien solche Menschen wie ihn bräuchten, um Lügen zur Flüchtlingssituation in der Presse und um Ausländerfeindlichkeit zu verhindern. „Sie sehen, dass ich nicht gefährlich bin“, sagt er. „Ich bin ein normaler Mensch wie sie selbst.“


Nilufar Ishandzhonova oder einfach Nila, kommt aus Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan. Sie schreibt für das deutsch-französische Onlinemagazin NOVASTAN.org. In diesem Jahr nimmt sie ihr Masterstudium in Deutschland auf. Nila ist sehr nachdenklich. In ihrer Freizeit denkt sie über Probleme dieser Welt nach.