„Die GEMA ist keine raffgierige Firma.“

„Die GEMA ist keine raffgierige Firma.“

Es ist eines der prominentesten Themen in der Debatte um Urheberrechte: die GEMA[1]-Gebühren. Die GEMA nimmt als staatlich legitimierte Verwertungsgesellschaft die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht für Musikschaffende und Verleger wahr, damit diese entlohnt werden, wenn ihre Werke öffentlich genutzt werden. Das ist ein guter, nachvollziehbarer Ansatz, doch wieso gibt es so viele Streitigkeiten rund um den Verein?

Von Julia Renkwitz

Marcel, du hast unter anderem Medienwissenschaften an der HU und in Schweden studiert, richtig? Was machst du jetzt nach dem Studium?

Marcel Weigel, 25.

Marcel Weigel, 25.

Ich habe hier in Berlin von 2010 bis 2013 meinen Bachelor in Musikwissenschaften mit dem Nebenfach Medienwissenschaften gemacht. Danach ging es nahtlos (eigentlich zu nahtlos) nach Schweden und dort habe ich von 2013 bis 2015 M.A. Media, Communication and Cultural Analysis studiert. Nach meinem Abschluss ging es zurück nach Berlin und jetzt arbeite ich im sogenannten Performance Marketing eines Start-Ups.

Du konntest 2012 an einer GEMA-Konferenz teilnehmen. Wie kam es dazu?

Während meiner Zeit als Student (sowohl in Berlin als auch in Stockholm) habe ich außerdem einen Studentenjob beim Tam Tam Musikverlag als Verlagsadminstrator gehabt. Dort bin ich logischerweise mit dem Thema GEMA in Berührung gekommen und war einmal auf der Jahreshauptversammlung der stimmberechtigten Mitglieder.

Worüber wird dort getagt?

Die Jahreshauptversammlung ist die wichtigste Versammlung der GEMA. Dort werden Änderungs-Anträge bezüglich der Satzung verabschiedet oder verworfen, es wird der Vorstand entlastet (im besten Fall), die Bilanzen werden vorgelegt, etc. pp. Wie es bei Jahresversammlungen in Vereinen üblich ist.
Die Versammlung ist dann in zwei Tage geteilt. Am ersten Tag treffen sich die einzelnen Kammern (die GEMA ist in die Kammern Komponisten, Textdichter und Verleger unterteilt) und diskutieren die im Vorfeld vorbereiten Änderungsvorschläge der Geschäftsordnung und vieles mehr. Das geht dann über Redebeiträge, Diskussionen und abschließende Abstimmungen. Auch die Vertreter der Kammern für den Aufsichtsrat und die Arbeitsgruppen werden dort bestimmt. Am zweiten Tag treffen dann alle Kammern in der Vollversammlung aufeinander und die verschiedenen Ergebnisse werden vorgetragen. Gibt es verschiedene Ergebnisse der Abstimmungen, dann wird versucht ein gemeinsames Ergebnis zu finden, da Änderungsanträge nur angenommen werden können, wenn alle Kammern zustimmen. Außerdem werden eben die Bilanzen vorgetragen und der Vorstand entlastet. Und gut gegessen wird auch! (lacht)

Was war das für eine Erfahrung für dich? Durftest du mitreden?

Es war schon interessant unter diesen Vollblutmusikern und Profis zu sein, deren Beruf das Musizieren oder Verlegen ist. Es gibt nämlich drei Arten von GEMA-Mitgliedern. Die angeschlossenen, die außerordentlichen und die ordentlichen. Wird man GEMA-Mitglied, dann ist man erst mal in der ersten Gruppe und steigt auf, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. Genau kenne ich diese Kriterien jetzt auch nicht, aber beispielsweise muss über eine längere Zeit ein festgeschriebener Umsatz überschritten werden. An den Versammlungen nehmen neben ein paar Delegierten der angeschlossenen und/oder außerordentlichen Mitglieder nur ordentliche Mitglieder teil. Grund dafür ist, dass wirklich nur professionelle Mitglieder, die sattelfest sind, an den Versammlungen teilnehmen.
Immerhin geht es dabei um das Herzstück und die Zukunft der
GEMA und teilweise um soziale Absicherung und viele weitere schwierige Themen.

Seit vielen Jahren wird Kritik an der GEMA-Gebühr geübt. Viele verfassen sogar Petitionen gegen den Beitrag. Werden diese Probleme auch bei den Jahresversammlungen besprochen? Findest du diese Kritik begründet?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Ich würde behaupten, dass die allermeisten Petitionen schlicht aus Unwissenheit entstehen. Auch ich habe schon Petitionen gegen die GEMA in meiner Jugend unterschrieben, weil ich mich mit dem Thema nicht beschäftigt habe.
Generell ist es so, dass die GEMA eine sehr alte Institution ist. Und sicherlich ist ein Teil der Kritik berechtigt. Wenn man mit der GEMA arbeitet, hat man schon manchmal das Gefühl, dass gleich der Staub aus dem Bildschirm purzelt. Alles in allem ist die GEMA aber eine extrem wichtige Institution und die allermeiste Kritik ist schlichtweg falsch. Das liegt auch daran, dass in den letzten Jahren extreme Propaganda gefahren wurde. Da sind die Diskotheken, die sich durch eine GEMA-Reform in Gefahr sahen. Das war blanker Unsinn, denn ein Teil der GEMA-Reform war, dass maximal 10% des Eintritts an die GEMA gegangen wären. Da bei einer Diskothek das Hauptprodukt nun einmal die Musik ist, ist das doch mehr als angemessen. Dazu kommt Google – der größte Monopolist im Internet – der mit YouTube seit Jahren gegen die GEMA schießt und vor allem junge Menschen damit negativ beeinflusst. Das Ganze ist eine Posse und dient nur der Abschaffung des Urheberrechts, eine Entwicklung, die sehr gefährlich ist. Dazu kommt dann noch die unsägliche Gratis-Kultur durch Spotify und YouTube, die dazu führt, dass vor allem junge Menschen gar nicht mehr den Wert von Musik erkennen. Vielen ist eben auch nicht bewusst, dass das Produzieren von Musik viel Geld und Zeit kostet, dass es sich um Berufe handelt und vor allem, um den Bogen zurückzuschlagen, dass die GEMA keine raffgierige Firma ist – wie viele Denken – sondern ein Verein, der nach Abzug seiner Arbeitskosten (etwa 17%) alles Geld an die Urheber ausschüttet. Das sind die Komponisten, Textdichter und Verleger.

Natürlich wird darüber auch auf Hauptversammlungen geredet. Es gibt immer wieder Ideen, wie man dagegen vorgehen kann. Es wird diskutiert, ob Creative Commons eine Alternative sind, ob es neben Abmahnungen andere sinnvolle Wege gibt, als ich dort war, war auch die Piratenpartei (kennt die noch jemand?) ein Thema.

Ja, doch, die kennt man noch. Ich würde gerne den Aspekt mit YouTube noch einmal herausgreifen. YouTube und GEMA stehen schon länger im Gerichtsstreit miteinander. Jetzt erst im Januar wurde die Schadensersatzklage der GEMA erneut, diesmal vom Oberlandesgericht München, abgelehnt. Du hast ja schon erwähnt, dass du nichts von der „Gratis-Kultur“ hältst. Wie stehst du diesem Gerichtsstreit gegenüber? Wieso erhält am Ende doch YouTube recht, wenn sie nur der Abschaffung des Urheberrechts dienen, wie du eben gesagt hast?

Marcel spielt Gitarre. Er ist selbst Teil einer Berliner Band.

Marcel spielt Gitarre. Er ist selbst Teil einer Berliner Band.

Das ist ja nur ein Aspekt. Es gab schon einige Gerichtsurteile zu Gunsten der GEMA, so zum Beispiel, dass die alten Texte der Sperrtafeln von YouTube eben irreführend waren. Die Gesetzeslage in Deutschland ist da relativ einfach. Es gibt gültige Tarife, die jeder auf gema.de einsehen kann, für jegliche Art der Musiknutzung – auch für’s Streaming. Alle anderen bekannten Dienste in Deutschland nutzen das auch. Vimeo, myvideo, clipfish, tape.tv. Meines Wissens nach sogar Spotify, da bin ich mir allerdings nicht sicher. Die einzigen, die es nicht tun, sind YouTube – und das obwohl dieses Unternehmen als Teil von Google Milliarden Umsätze fährt. YouTube ist nach Google die zweitwichtigste Suchmaschine der Welt, die meistgeklickten Videos sind oft Musikvideos, die allermeisten Videos enthalten Musik. Allerdings sehen Komponisten, Textdichter und Verleger in Deutschland davon nichts, da YouTube sich seit 2009 weigert, die gültigen Tarife anzuerkennen. 2009 lief nämlich der Start-Up Sondertarif aus und YouTube war nicht bereit, den eigentlichen Tarif zu zahlen. Dazu muss man wissen aus welchem Umfeld YouTube kommt. Disruptive Start-Ups versuchen – oft mit illegalen Mittel – Industrien aufzubrechen, zu verändern und die Gesetzeslage an ihre Nöte anzupassen. Ein anderes prominentes Beispiel dafür ist Uber. Und YouTube macht das weltweit sehr erfolgreich. Nicht umsonst kommen die Creative Commons von Google.

Das stimmt, die Informationen rund um das Thema sind immer ziemlich einseitig.

Ja, weil eben die einfache Erklärung die ist, die schnell geglaubt wird. Das arme YouTube ist nicht in der Lage so viel Geld zu zahlen, wie die böse raffgierige GEMA verlangt. Dabei geht es ja meist schon damit los, dass die, die am lautesten schreien, nicht mal wissen, wer oder was die GEMA ist.

Um noch einmal auf den juristischen Aspekt zurückzukommen: YouTube (mit einer Heerschar an Anwälten) bedient sich einem juristischen Trick. Sie behaupten, nicht zu streamen, sondern nur die Plattform zur Verfügung zu stellen. Demnach wäre jeder einzelne User verpflichten, die Lizenzrechte einzuholen – natürlich völlig absurd und unmöglich.

[1] Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte


Large Blog ImageJulia Renkwitz studiert im vierten Semester Deutsche Philologie sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität in Berlin.

2017-07-06T12:18:01+02:00 Kategorien: Kunst + Können, Lesen|Tags: , , , , , |