Warum die Angst vor dem Jobverlust berechtigt ist: Die Roboter kommen!

Warum die Angst vor dem Jobverlust berechtigt ist: Die Roboter kommen!

Maschinen bestimmen schon jetzt unser Leben. In Zukunft könnten sie sogar unsere Arbeitsplätze einnehmen. Forscher sagen voraus, dass 59 % der Arbeitsplätze durch Roboter ersetzt werden könnten. Besonders bedroht sind Büroangestellte und Paketzusteller. Auch höher qualifizierte Berufsgruppen sind gefährdet. Ein Blick auf die Entwicklung zeigt: die Zukunft hat schon jetzt begonnen.

Von Arne Hansen und Sophie Krause

Einsteigen, anschnallen, Ziel nennen – und los geht’s. So einfach könnte Autofahren in Zukunft sein. Ohne manuelles Zutun werden Fahrzeuge in einigen Jahren auf den Straßen unterwegs sein. Der Fahrer wird zum Fahrgast. Bereits seit dem Jahr 2007 arbeiten Informatiker der Freien Universität Berlin an einem vollständig autonomen Fahrzeug, das ohne Fahrer auskommt. Erste Testfahrten mit dem hoch technologisierten VW Passat in der Berliner Innenstadt, in Zürich und in Mexiko City bewiesen, wie hoch versiert und vorausschauend die Technik bereits ist.

Das fahrerlose Auto der FU Berlin.

Das autonome Auto der FU- Forscher unterwegs auf Berlins Straßen. Foto: Claudia Heinstein

Doch die fahrerlosen Autos, die vom fehlbaren menschlichen Verhalten unabhängig sind, könnten nicht nur den Straßenverkehr sicherer und flüssiger machen, sondern das Ende ganzer Berufsgruppen bedeuten. Taxifahrer, die von jeher auf das Vertrauen der Kundschaft angewiesen sind, werden durch den Einsatz der fahrerlosen Autos überflüssig. Den Fahrdienst erledigen die Roboterfahrzeuge schon heute kostengünstiger, zuverlässiger und sicherer. In Singapur und Abu Dhabi wurden die Cyber-Taxis bereits getestet.

Beispiele für die Einsparung menschlicher Arbeitskräfte durch Roboter gibt es genug: In fahrerlosen U-Bahnen, Lagerhallen und Logistikzentren wie dem von Amazon und bei Selbstbedienungskassen in Supermärkten und Möbelhäusern. Die Roboter werden immer intelligenter. Sekretäre, Köche, Kellner, Reinigungskräfte und weitere Berufsgruppen könnten in Zukunft durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Sind Millionen Arbeitsplätze in Gefahr?

“Nicht jeder unserer Berufe wird automatisiert, aber jede Arbeit, die aus einer vorhersagbaren Routine besteht, ist in den kommenden Jahren gefährdet”, sagt IT-Experte Martin Ford. “Und das sind genauer betrachtet die meisten Jobs.” Denn im Prinzip wiederholen sich die Tätigkeiten der Menschen an ihrem Arbeitsplatz, so der Experte. Ein Algorithmus braucht die Arbeit lediglich in Daten umzuwandeln und der Maschine beizubringen. Schon ersetzt der Roboter den Menschen.

Roboter bei der Arbeit.

Intelligente Fertigungsstraßen. Menschen greifen nur bei technischen Fehlern ein. Quelle: KUKA Systems

Knapp die Hälfte der Arbeitsplätze durch Roboter bedroht

Die Forscher Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne der Universität Oxford haben dazu im Jahr 2013 eine düstere Prognose veröffentlicht. In ihrer Studie untersuchen sie 700 Berufsgruppen in den USA auf ihre Automatisierungswahrscheinlichkeit. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in den nächsten Jahrzehnten 47 % der Arbeitsplätze durch Computerisierung bedroht und ersetzt werden könnten. Das höchste Risiko besteht für Arbeitnehmer in der Logistik, dem Transport und im Bereich der Fertigung. Aber auch Büroangestellte und Verwaltungsangestellte müssen bald mit Robotern in Konkurrenz treten.

Andere Studien, etwa von der London School of Economics oder vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) kommen zu ähnlichen Schlüssen. Roboter können selbst in hochqualifizierte Berufe, wie Anwälte oder Ärzte, vordringen. Komplexe Algorithmen und eine immer weiter wachsende künstliche Intelligenz machen es möglich. Kaum Sorgen machen müssen sich Kreative und Angestellte, von denen eine hohe soziale Kompetenz gefordert wird. In Japan kommen zwar bereits Roboter in Pflegeheimen zum Einsatz, doch werden sie auch langfristig nicht die menschliche Interaktion ersetzen können. Egal ob Roboter-Robbe oder Manga-Figur.

Die Direktbank ING-Diba hat die Ergebnisse der Amerikaner auf Deutschland übertragen. Sie gehen davon aus, dass 18,9 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sind. Das entspricht 59 % der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten, die in der Studie berücksichtigt wurden. Die Autoren gehen davon aus, dass es noch viele Jahre dauert, bis es zu diesem Umschwung kommt. Noch sind die Kosten für Maschinen und Roboter, die komplexe Aufgaben übernehmen sollen, zu hoch.

Der Chefvolkswirt der ING-Diba und Co-Autor der Studie, Carsten Brzeski, geht allerdings nicht davon aus, dass die neue Technologie auch zwangsläufig genügend neue Jobs schafft. Gegenüber der Welt sagte er: „Die Erfahrungen mit früheren technologischen Veränderungen zeigen, dass es unrealistisch ist, darauf zu hoffen, dass Arbeitskräfte, die durch Roboter freigesetzt werden, einfach in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Dieser Wandel wird Gewinner kennen, aber leider auch Verlierer.“ Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sieht die Ausmaße nicht ganz so drastisch. In ihrer Forschung werden, im Gegensatz zu anderen, nicht Berufe, sondern Tätigkeitsprofile in den Fokus gerückt. Ihrer Meinung nach, müssen Angestellte desselben Berufs nicht zwangsläufig dieselbe Tätigkeit ausführen. In Deutschland weisen 12 % aller Tätigkeitsprofile eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit auf. Der technologische Wandel führt laut der Studie zu neuen, anspruchsvolleren Tätigkeiten. Dies wird gerade für die Verlierer der Automatisierung fatale Folgen haben, da der Arbeitsmarkt neue Skills von ihnen fordert.

Unternehmen leiten Industrie 4.0 ein

Dass dieses Szenario in den nächsten Jahren Realität werden kann, zeigen neuste Entwicklungen. Die Industrie treibt unterstützt von der Bundesregierung Deutschland die Informatisierung der Fertigungstechnik voran. So zum Beispiel Volkswagen. Das Unternehmen will in den nächsten Jahren in den Werkshallen intelligente Roboter einsetzen. Diese übernehmen nicht nur körperlich schwere Arbeiten, sondern ganze Teile des Produktionsprozesses und somit auch Tätigkeiten, die derzeit von Menschen verrichtet werden. Dieser Umstellung werden viele Jobs zum Opfer fallen.

Horst Neumann, der Personalvorstand des Konzerns, rechnet vor: „Für die heute bei Volkswagen eingesetzten Roboter kommt man bei einer Laufzeit von durchschnittlich 35.000 Stunden auf Gesamtkosten von 100.000 bis 200.000 Euro. Das sind drei bis sechs Euro pro Stunde – Kosten etwa für Instandhaltung oder Energiekosten inklusive“. Diese Kosten liegen weit unter den durchschnittlichen Stundenlöhnen von VW-Arbeitern.

Auch Siemens macht sich die neue Technik zu Nutze und testet heute schon die Fabrik von morgen. Das Werk in Amberg gilt als Vorzeigeobjekt einer digitalen Fabrik. Maschinen und Computer sind für 75 % der Wertschöpfungskette verantwortlich. Die Fabrik steuert sich mit speicherprogrammierter Steuerung selbst. Ein Eingreifen von Menschen ist kaum noch nötig. Dieser wird nur noch bei der Entwicklung neuer Produkte und Designs zu Rate gezogen oder springt bei unerwarteten Zwischenfällen ein. Selbst in China sind die Lohnkosten eines Arbeiters mittlerweile für einige Firmen zu hoch. So sollen beim Apple-Zulieferer Foxconn in Zukunft 1 Millionen Roboter Smartphones wie das iPhone zusammenbauen. Derzeit beschäftigt das Unternehmen 1,3 Millionen Mitarbeiter.

Unternehmen profitieren enorm von den technischen Möglichkeiten. Sie können in Zukunft in kurzer Zeit, zu geringen Kosten produzieren und das in höchster Qualität. Dem kann der Mensch mit all seinen Fehlern, Arbeitszeitregelungen, Urlaub, Krankheit und seinem Lohnanspruch nichts entgegenbringen. Joe Schoendorf, einer der Leiter des Weltwirtschaftsforums in Davos und Kenner des Silicon Valley, bezweifelt die Annahme, dass Roboter zwar Arbeitsplätze ersetzen, aber damit mehr Wohlstand bringen. „Einst haben wir Dinge besser gemacht. Jemand war vielleicht in der Lage, mehr zu leisten, aber nun brauchen wir die Person gar nicht mehr. Das ist der große Unterschied,“ sagt er zu den Auswirkungen der digitalen Revolution im Vergleich zu den Umbrüchen, die durch die industrielle Revolution ausgelöst wurden.

Selbst Unternehmer, wie Johann Rupert warnen vor den Auswirkungen und der Verstärkung sozialer Ungleichheit. Der Milliardär und Leiter des Luxusunternehmens Richemont warnte in einer Rede bei einem Financial Times Business of Luxury Summit vor den Folgen der Digitalisierung. Er sieht die Gefahr nicht nur in hoher Arbeitslosigkeit, sondern vor allem auch in wachsender sozialer Ungleichheit. Dies hat auch Folgen für die Reichen. Fehlt die Mittelschicht und somit die größte Säule unserer Gesellschaft, sinkt auch der Konsum. Soziale Spannungen sind dann vorprogrammiert.

Kämpfen wir bald alle gegen Roboter?

Bereits jetzt lässt sich feststellen, dass Ängste und Unsicherheiten bestehen. Das Thema ist längst nicht nur in der Wissenschaft und in der Wirtschaft präsent. Bei einer Umfrage der EU im Jahr 2012 stimmten 70 % der Befragten der Aussage zu, dass Roboter den Menschen Arbeitsplätze wegnehmen.

Gleichen unsere Städte in 10 Jahren also den Sets von Science Fiction Filmen? Kämpfen wir bald alle wie Will Smith in dem Film „I, Robot“ gegen Roboter um unsere Arbeitsplätze?

Von heute auf morgen wird sich die Robotisierung der Arbeitsplätze sicherlich nicht ereignen. Taxifahrer werden mindestens noch so lange gebraucht, wie die Behörden brauchen, um autonome Autos zuzulassen, die Straßen anzupassen und bis die Fahrzeuge in Serie hergestellt werden können. Es handelt sich um einen schleichenden Prozess, bei dem sukzessive Menschen durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Denn technischer Fortschritt hat sich noch nie aufhalten lassen. Aber gleichsam ist zu erwarten, das neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen: um die neuen Kollegen zu warten, instand zu halten und zu kontrollieren. Womöglich wird sich das Dienstleistungsgewerbe revolutionieren, da Kellner, Friseure, Köche herausgefordert sind, sich gegenüber den Maschinen durch Individualität und Kreativität zu behaupten. Somit hat die schleichende Automatisierung der Arbeit womöglich auch positive Effekte.

Infobox

Titelbild: „Roboter Pepper“. Foto: Pressemappe © Aldebaran // www.aldebaran.com


Arne Hansen studiert im 4. Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin. Er freut sich auf Roboter, die seine Arbeit übernehmen. Dann bleibt mehr Zeit für Fahrradtouren.


Sophie Krause studiert im 8. Semester Deutsche Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität in Berlin. Neben ihrem Studium arbeitet sie als Lokalistin bei „Welt HD“. Vor Robotern fürchtet sie sich ebenso sehr wie vor Dosenöffnern.

2017-07-06T12:18:09+02:00 Kategorien: Gefühl + Glaube, Lesen, Wissen + Wirken|Tags: , , , , , |