Auf das Verhältnis kommt es an

Auf das Verhältnis kommt es an

Altersbestimmung archäologischer Funde: Ohne die Radiokarbonmethode würde es der modernen Archäologie schwer fallen, das Alter ihrer Funde zu bestimmen. Eine wichtige Rolle dabei spielt ein bestimmtes Kohlenstoffisotop. Nun soll das Verfahren mit Hilfe von Statistik verbessert werden.

Von Maria Kupreeva

Während Ausgrabungen im Jahr 2008 hat ein Team von Archäologen, geleitet von Nicholas Conard, einen vielfach beachteten Fund gemacht – die „Venus vom Hohle Fels“. Diese Frauenfigur aus Mammutelfenbein ist angeblich wenigstens 35.000 Jahre alt und gilt damit als die älteste figürliche Darstellung eines Menschen überhaupt. Solche Aussagen sind nur dank moderner Altersbestimmungsmethoden der Archäologie möglich. Gängige Praxis ist dabei die Anwendung der so genannten Radiokarbonmethode.

Grundlage dieses Verfahrens bildet Kohlenstoff, einer der grundlegenden Bestandteile aller Organismen. In der Atmosphäre findet man Kohlenstoff in Form der stabilen Isotopen C12 und C13 und eines radioaktiven Isotopes – C14. Um das Prinzip der Isotope und ihrer Radioaktivität zu verstehen, muss man wissen, dass Atome, Grundbausteine aller uns bekannter Materie, aus noch kleineren Teilchen besteht: Den Protonen und Neutronen im Kern und den Elektronen, die diesen umkreisen. Durch die Anzahl der positiv geladenen Protonen in seinem Kern, lässt sich ein Atom eindeutig einem chemischen Element zuordnen, im Falle von Kohlenstoff (mit einem großen C abgekürzt) sind dies sechs. Im Gegensatz zu den Protonen kann die Zahl der Neutronen im Atomkern des Kohlenstoffs variieren, es entstehen so genannte Isotope. Jedes Element kann verschiedene Isotope bilden, von denen jedoch nur wenige in der Natur stabil sind. Bei Kohlenstoff ist dies der Fall, wenn sich zwölf oder dreizehn Neutronen im Kern befinden. Dabei liegen über 98 Prozent alles auf der Erde vorkommenden Kohlenstoffs in Form des Isotops C12 vor, auf C13 entfällt etwa ein Prozent. Darüber hinaus kann Kohlenstoff aber auch in Form von nicht stabilen Isotopen vorliegen, die dann radioaktiv sind, was heißt, dass sie mit der Zeit zerfallen. Das häufigste dieser instabilen Kohlenstoffisotope ist das für die Radiokarbonmethode grundlegende C14, bei dem sich neben den sechs Protonen vierzehn Neutronen im Atomkern befinden.

Wenn wir Atmen oder Essen nehmen wir aus der Atmosphäre eine bestimmte Konzentration von Kohlenstoffatomen auf, die dann in unsere körpereigenen Strukturen eingebaut werden. Dabei lagert sich dann ein bestimmtes Verhältnis der verschiedenen Kohlenstoffisotopen C12, C13 und C14 in unserem Körper ein. Gleiches gilt auch für alle anderen lebenden Organismen, etwa Pflanzen oder Tiere, wie das vor etwa 35.000 Jahren verstorbene Mammut, aus dessen Stoßzahn die Venusfigur vom Hohle Fels gefertigt wurde. Wenn ein Organismus dann stirbt, wird ab dem Zeitpunkt seines Todes kein Kohlenstoff mehr aufgenommen. Die Konzentration der stabilen Isotope C12 und C13 bleibt fortan gleich, das radioaktive C14 hingegen beginnt mit der Zeit zu zerfallen. Dabei spielt die so genannte Halbwertszeit eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um die Zeitspanne, in welcher sich der eindeutig messbare Strahlungswert des Isotops annährend halbiert. Für C14 sind dies 5.730 Jahre.

Um nun das Alter eines archäologischen Fundes wie der Venus berechnen zu können, muss man sich den Anteil des verbliebenen C14 im Verhältnis zum nach wie vor stabilen C12 ansehen. Ist der Fund 5.730 Jahre alt, muss sich dieser Anteil genau halbiert haben, sind es 11.460 Jahre verbleiben noch genau 25 Prozent der Ausgangsmenge an C14 usw. Das C14 hat also eine prozentual messbare Relation zum C12. Je weiter fortgeschritten der Zerfall des C14, desto älter die Probe. Jedoch ist die Altersbestimmung anhand von C14 nur bis zu 60.000 Jahren verlässlich, da es eine vergleichsweise kurze Halbwertszeit besitzt.

Das renommierte Labor Oxford Radiocarbon Accelerator Unit (ORAU) an der britischen Eliteuniversität, wo der Radiokarbontest der Venus durchgeführt wurde, hat ergeben, dass die Figur zwischen 30.000 und 50.000 Jahre alt ist. Diese Aussage ist wissenschaftlich unbestritten, da besonders dieses Labor große Fortschritte auf dem Gebiet der Altersbestimmung mittels Radiokarbonmethode gemacht hat, so Bernd Kromer, Mitarbeiter des Klaus-Tschira-Labors für Physikalische Altersbestimmung an der Universität Tübingen.

Eine Verfeinerung der Radiokarbonmethode ist mit der sogenannten Bayesschen Statistik denkbar. Die Grundlage dieses mathematischen Verfahrens zur Bestimmung des Alters ist das Vorwissen um die natürlichen Bedingungen zu besagter Zeit, die den C14 Gehalt erhöhen oder verringern, also somit das tatsächliche Alter verschleiern könnten. Solche Umweltbedingungen können sich beispielsweise auf das Klima beziehen oder die Sonnenaktivität. Die Bayessche Statistik ist also ein Ansatz zur Interpretation der Radiokarbonmethode. Sie kombiniert die Daten aus der Radiokarbonmessung mit den zusätzlichen Informationen. Beispielsweise kann man den Ausgrabungsort selbst und die Erdschichten, in denen ein Fund gemacht wurde betrachten. Vergleicht man zwei Funde desselben Grabungsortes miteinander, die jedoch in verschiedenen Schichten gefunden wurden, müssten sich diese Kontextdaten unterscheiden, was Rückschlüsse auf das Alter der Funde zulässt. Die Bayessche Statistik zielt also darauf ab, solche Informationen systematisch mit dem vorhandenen Wissen zu kombinieren. Neue Information, hier die Altersbestimmung, werden in den Kontext der vorhandenen Information eingefügt, hier die Schichten am Ausgrabungsort.

Nach Einschätzung von Maarten Blaauw, der Dozent an der Königlichen Universität Belfast ist, ist diese theoretische Möglichkeit unter Wissenschaftlern noch nicht weit verbreitet. Immer noch wird die Radiokarbonmethode in etwa 80 Prozent der Altersbestimmungsproben ohne die Verfeinerungshilfe der Bayesschen Statistik benutzt.