Barrierefreie Bildung Online

Barrierefreie Bildung Online

Massive Open Online Cources (MOOC): Kostenlose Kurse auf Hochschulniveau

Von Anna Lina Junghänel

Patrick Neubert sitzt mit einer Tasse Kaffee vor seinem Laptop und sieht sich die neueste BWL Einführungsvorlesung an. Vor ihm auf dem Bildschirm erscheint sein Professor, vor einer Bücherwand sitzend. Er führt ins Thema Bilanzen ein und veranschaulicht seine Ausführungen mit interaktiven Grafiken. Wenn Patrick etwas nicht versteht, spult er kurzerhand zurück und schaut sich die Passage noch einmal an. Patrick ist überzeugt von dieser neuen Form des Lernens. Er kann seine Zeit flexibler einteilen und wird durch die wöchentlichen Tests und interaktiven Lernspiele zu einem kontinuierlicheren Lernen angehalten. Anders als bei einer klassischen Vorlesung, muss er nämlich jede Woche aktiv mitarbeiten. Durch diesen kontinuierlichen Rhythmus beschäftigt er sich mit dem Material ausführlicher und behält mehr.

Wie Patrick nutzen mittlerweile viele die so genannten MOOCs (Massive Open Online Cources). Das Berliner Start-up Ivercity hat bereits knapp 500.000 Anmeldungen, seit es mit den ersten Kursen im Oktober 2013 online gegangen ist. Diese Online-Bildungsplattform bietet viele Kurse mit einem breiten Spektrum von BWL, Design, Jura bis hin zu Medizin an. Hannes Klöpper, der Gründer von Iversity, sieht vor allem die finanzielle und örtliche Unabhängigkeit der MOOC-Nutzer als großen Vorteil. So kann jeder auch ohne Abitur oder NC, egal von welchem Ort der Welt, online einen Kurs belegen und muss für den Kurs nur zahlen, wenn er am Ende ein Zertifikat haben möchte.

Kritiker sehen das Ziel von MOOCs hingegen darin, klassische Vorlesungen an Universitäten zu ersetzen. Sie befürchten, dass die Politik diese Angebote missbrauchen könnte, um an der Bildung zu sparen. Klöpper betont hingegen, dass Iversity auf die enge Zusammenarbeit mit den Universitäten angewiesen ist, da die Kurse von Universitäts-Professoren gegeben werden und die Online-Bildungsplattform diese dann einer weltweiten Community zur Verfügung stellt. Nutzer können MOOCs dann als Einzelkurs aus persönlichem oder beruflichem Interesse sowie im Rahmen eines Studiums absolvieren. Auch das BWL MOOC von Patrick ersetzt die klassische Vorlesung an seiner Uni, der RWTH Aachen, nicht komplett. So kann er freiwillig – ergänzend zu seinem Online-Kurs – eine Vorlesung im Hörsaal besuchen. Hier hat sein Professor nun aber die Möglichkeit, interaktiv mit den Studenten zu agieren und auf Fragen einzugehen, denn er muss den Stoff nicht mehr im Frontalunterricht vermitteln.

Da MOOCs nicht einfach abgefilmte Vorlesungen sind, sondern aufwendig konzipierte Lernintervalle, die durch interaktive Grafiken, Lernspiele, Tests und Übungen ergänzt werden, sind diese in der Produktion recht teuer. Um diese Kosten bestmöglich abzufangen hat Iversity gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen MOOC-Wettbewerb ausgeschrieben und jeweils 25.000€ Preisgeld für die Produktion und Umsetzung von zehn interaktiven MOOC- Lernkonzepten vergeben.

Der Lernerfolg von MOOCs ist bisher schwer zu messen. Durch ein paar Klicks ist man schnell für einen Kurs angemeldet, ob man dann bis zum Schluss dabei bleibt ist eine ganz andere Frage. Veröffentlichte Daten unterschiedlicher MOOC-Plattformen zeigen eine Erfolgsquote von drei bis zehn Prozent. Dies ist durchaus verbesserungswürdig.

Die deutsche Online-Bildungsplattform Iversity wird momentan von der Telekom und weiteren kleineren Investoren finanziert und bietet so einen kostenlosen Zugang. Etwas länger bestehende amerikanische Plattformen wie Udacity rüsten mittlerweile mit kostenpflichtigen Mentoren-Begleitangeboten nach. Der Gründer Sebastian Thrun, Professor für künstliche Intelligenz an der Standfort University, begründet dies mit der Notwenigkeit einer persönlichen Betreuung der Studenten. Udacity reagiert damit auf die hohen Abbrecherquoten. Die Einführung einer 24-Stunden-Notfall-Hotline und Mentoren-Begleitung hätte die Erfolgsquote auf 60 bis 80 Prozent erhöhen können, so Thrun.

Die Zusammenarbeit von MOOC-Plattformen und Universitäten bietet Studenten eine Chance, die sich den klassischen Studiengang an einer der Eliteuniversitäten sonst nicht leisten könnten. So entstand in Zusammenarbeit von Udacity und der Universität Gorgia beispielsweise ein Masterprogramm, das statt 45.000 Dollar nun nur noch 6.600 Dollar kostet.

Vielen tausend Interessierten wird durch MOOCs die Möglichkeit gegeben, an Kursen teilzunehmen. Die Teilnahme scheitert hier weder am Platzmangel in den Seminarräumen, noch an der örtlichen Präsenz oder am finanziellen Budget eines Studenten. Diese neue Form der Onlinenutzung zwingt Universitäten allerdings zum Umdenken, bietet aber auch viele neue Möglichkeiten. So können Interessierte MOOCs von renommierten Professoren verschiedener Fachbereiche und Eliteuniversitäten verfolgen und Universitäten im Gegenzug ihre MOOCs als Aushängeschild und Werbung nutzen. Auch sind MOOC-Plattformen zukünftig als Talent-Scouts denkbar, denn in Sebastian Thruns Kurs Künstliche Intelligenz, den 23.000 Teilnehmer erfolgreich abschlossen, waren 400 Studenten besser als der beste Standford-Student.

Der Aufbau in verschiedene Lernintervalle und die Ergänzung durch wöchentlichen Tests und Online-Aufgaben, wie bei Patricks BWL Kurs, binden Kursteilnehmer kontinuierlich in einen Lern- und Entwicklungsprozess ein. Wer Selbstmotivation und Disziplin mitbringt kann hiervon enorm profitieren. Für Andere kann es jedoch schwierig sein genügend Motivation, auch außerhalb des sozialen Gefüges einer Universität, aufzubringen. Ob begleitend zum regulären Uni-Alltag, wie bei Patrick, oder als einzeln gebuchter Kurs aus persönlichem oder beruflichem Interesse, MOOCs bieten Kurse auf hohem Niveau, die dem Nutzer allerdings einiges an Selbstdisziplin abverlangen.

Weiterführende Links:
Einführungsvorlesung BWL Professor Dr. Malte Brettel (RWTH Aachen)
Interview mit Patrick Neubert und Professor Dr. Malte Brettel

Zu den größten MOOC-Plattformen gehören:
edX.org
coursera.org
Iversity.org
Udacity.com


Anna Lina Junghänel ist Studentin der Kunstgeschichte, Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin