Bau dir was, das sonst keiner hat: Ikea Hacking

Bau dir was, das sonst keiner hat: Ikea Hacking

Weltweit wird geschraubt, geklebt, gehämmert und gesägt, was das Zeug hält – Beim IKEA-Hacking werden die Möbel und Kleinteile vom bekanntesten Schweden den eigenen Wünschen und Vorstellungen angepasst. Was als kleiner Trend im Internet begann, hat mittlerweile schon einigen Menschen zu einem eigenen Standbein verholfen. Und Möglichkeiten gibt es fast so viele, wie IKEA-Möbel selbst.

Von Mandy Haugg

Nur das Genie beherrscht das Chaos, heißt es im Volksmund so schön. Nun, wenn der Volksmund recht hat, dann muss die 24 jährige Studentin Julia definitiv zur Elite der großen Geister gehören. Unzählige Materialien haben sich über mehrere Jahre in ihrer Bastelecke angesammelt: Stempel, Papiere, Bänder, Karten und alles, mit was man diese verzieren kann. Den Überblick verliert sie jedoch nie und hat auch jetzt mit zwei Handgriffen das gewünschte Stempelkissen bei der Hand. Denn das Ordnungssystem und die dazugehörigen Möbel hat sie ganz auf ihre speziellen Bedürfnisse angepasst. „Vieles in meiner Wohnung ist von IKEA, auch die Möbel und die meisten Kästen in meiner Bastelecke“, sagt sie, „Ich habe es nur alles so verändert oder beklebt, dass es für meinen Zweck passt, und nicht so langweilig aussieht“.

Gesamtansicht der Bastelecke

Julias Bastelecke besteht fast nur aus IKEA-Produkten, die sie selbst verschönert
oder zweckentfremdet hat.

Was Julia da mit ihren Möbeln und Kleinteilen macht, nennt sich IKEA-Hacking. Auf der ganzen Welt gibt es tausende Menschen, denen die Objekte aus dem schwedischen Möbelhaus mittlerweile zu langweilig sind. Sie schnappen sich Farbe und Werkzeug und dekorieren nach eigenen Wünschen um. Oft verändern sie die Möbel nur mit kleinen Dingen, manchmal ist am Ende aber auch nur noch mit Mühe das eigentliche IKEA-Produkt zu erkennen.

Begonnen hat alles 2006 als die Malaiin Jules einen englischsprachigen Blog online stellte, um zu dokumentieren, was man aus einfachen IKEA-Möbeln alles machen kann. Schon bald fanden sich auf der ganzen Welt Leser, die entweder selbst bereits auf ähnliche Ideen gekommen waren oder sich auf ihrer Seite Anregungen holen wollten. Heute ist die Seite weltweit bekannt. Auch für Julia ist ikeahackers.de eine der ersten Anlaufstellen, wenn sie nach neuen Ideen sucht. „Für viele wirklich umwerfende Sachen muss man handwerklich schon ganz schön begabt sein. Da traue ich mich noch nicht so wirklich ran. Dafür finde ich aber immer sehr viele kleinere Dinge, die sich schnell umsetzen lassen oder die mich auf eine ähnliche Idee bringen.“

IKEA-Hacker, die wie Julia eher zögerlich bei größeren Handwerksarbeiten sind, können mittlerweile aber auf professionelle Hilfe setzen. Mehrere Firmen in verschiedenen Ländern haben sich auf die Veränderung von IKEA-Produkten spezialisiert. Die einen produzieren Klebefolien, die anderen Füße für Polstermöbel und Regale. Wer nicht im Ausland bestellen möchte, wird auch in Deutschland fündig. Die in München beheimatete Firma „Saustark Design“ stellt passgenaue Überzüge für verschiedene Polstermöbel von IKEA her. Aus zahlreichen Mustern und Farben kann man das passende wählen und muss dann nur noch die Einzelteile eigenhändig mit den neuen Bezügen beziehen. Zusatzteile für Regale bekommt man hingegen bei „New Swedish Design“ aus Potsdam. Das bisher noch recht überschaubare Angebot verwandelt ein Billy-Regal in ein Schuhregal oder sorgt durch verschiedene Einsätze für Ordnung im Kallax.

Julia hingegen setzt bisher komplett auf Marke Eigenbau. In ihrer selbst zusammengefügten Bastelecke steht ein großer Tisch, umgeben von einem hohen Regal und verzierten Holzkästen. Auf den ersten Blick sieht es wenig spektakulär aus, aber bei genauem Hinsehen erkennt man es an vielen Stellen: Hier wurde gehackt! Das schmale Billy-Regal erstrahlt in neuen Farben und die Fächer wurden ihrem Zweck angepasst. Eine Erhöhung hier, schmale Fächer dort und Kisten, die sich ebenfalls erst auf den zweiten Blick als Waren aus dem Schwedenhaus entpuppen. Auf dem Tisch an der Wand stehen bemalte und verzierte Holzkästen mit zahlreichen kleinen Fächern, ehemals unter dem Produktnamen MOPPE bekannt, und die bunten Stoffbänder stehen in einem guten Dutzend ehemaliger Gewürzgläser bereit. „Die Knöpfe dort will ich noch an die Kästen anbringen, aber dazu muss ich mir erst eine Bohrmaschine leihen“, sagt Julia und zeigt auf verzierte Keramikgriffe, wie sie mittlerweile in vielen Läden zu finden sind. „Und die Streifen auf dem Regal sind nur mit Washi-Tape aufgeklebt“, erklärt sie weiter, einer Art buntem Malerkrepp, dass es mit zahlreichen Mustern gibt und das leicht anzubringen und auch wieder zu lösen ist. „Wenn ich einmal Lust auf eine andere Farbe habe, wird einfach alles runtergerissen und neu aufgeklebt“, sagt sie und versichert, dass die Möbel dadurch keinen Schaden nehmen.

Es ist schwer zu erklären, was Menschen in aller Welt dazu bewegt, sich ausgerechnet an IKEA-Möbeln kreativ auszulassen. Vielleicht ist es gerade die Schlichtheit der Möbel, die dazu einlädt, sie individueller zu gestalten, vielleicht aber auch nur die Tatsache, dass die Produkte fast überall auf der Welt für wenig Geld zu haben sind. Für Julia ist es vor allem das Geld, das sie dazu bewegt, ihre Möbel bei IKEA zu kaufen und dann umzugestalten: „Als Studentin schau ich natürlich immer aufs Geld und es ist leichter, erst einmal ein billiges Regal zu kaufen und dann erst ein, zwei Monate später noch etwas mehr zu investieren, um es aufzupeppen. Und immerhin habe ich dann ein Möbelstück, das genau zu mir passt und das garantiert kein anderer hat.“


Profilfoto

Mandy Haugg studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin.

(Alle Fotorechte: Mandy Haugg)

2017-07-06T12:18:12+02:00 Kategorien: Lesen, Wissen + Wirken|Tags: , , , |