„‚Give me some beer!‘ cried little Jane

„‚Give me some beer!‘ cried little Jane

Die Vagabunden von Berlin

Der Bierkonsum in Deutschland nimmt stetig ab, nahezu alle großen Brauereien sind davon betroffen. Dieser Entwicklung stellen sich Kleinbrauereien, die „Craft-Beer“ brauen, entgegen. Ein Besuch einer Kleinbrauerei in Berlin.

Von Jonas Thomä

Die Vagabund Brauerei nahe der Seestraße in Berlin Wedding ist eine von 22 Kleinbrauereien in Berlin.. Von außen sieht sie aus wie ein kleines Restaurant oder eine kleine Kneipe. Der Raum ist geschmückt mit diversen Bildern und Tafeln, auf denen das Angebot erläutert wird und Zitate wie „‚Give me some beer!‘ cried little Jane, at dinner table as she sat. Her mother said, ‚Pray ask again, and in a prettier way than that'“ (Zitat aus Mrs. Turner’s cautionary stories von Elizabeth Turner) stehen. Der Raum bietet Platz für Tische, Stühle und eine Theke. Vier Biere gibt es zur Auswahl, zwei selbstgebraute und zwei aus befreundeten Kleinbrauereien.  Das Ambiente ist gemütlich, die Braumeister sind selbst vor Ort und unterhalten sich mit den Besuchern. Die Möbel sind aus Holz, in der Ecke steht ein Banner mit Werbung für eine Sprachschule.

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Hinter der Theke (Foto: Jonas Thomä)

David Spengler, Tom Crozier, und Matt Walthall lernten sich in einer Rockband kennen und begannen aus Verdruss über das ewig gleich schmeckende Bier, selbst zu brauen. Gelernt haben sie dies nicht, sie waren, und sind es zum Teil immer noch, Englischlehrer hier in Deutschland. 2011 gründeten sie ihre Brauerei, seit März wird gebraut. Momentan arbeitet nur David Vollzeit für die Brauerei, ab Ende des Schuljahres wollen alle drei Vollzeit arbeiten.

In Deutschland gibt es immer mehr solcher Kleinbrauereien. Allein in der Region Berlin und Brandenburg hat sich die Zahl der Brauereien seit 1995 von 22 auf 48 erhöht. Den Grund dafür sieht David in einem wachsenden Interesse an Neuem und Unbekanntem. Zwar gäbe es in Deutschland durchaus qualitativ hochwertiges Industriebier, „aber normalerweise gibt es hier nur Helles, Dunkles und Hefeweizen.“ Dies stehe in starkem Kontrast zu 10 bis 30 verschiedenen Sorten, die es in amerikanischen Craft-Beer-Brauereien gibt. So bietet die Vagabundbrauerei zum Beispiel ein belgisch inspiriertes Bier an. In dieses werden nach dem eigentlichen Brauprozess getrockneter Hopfen, Orangenschalen und Koriander gegeben. Diese wirken dann ungefähr wie ein Teebeutel und aromatisieren das Bier. Sofern dieser Vorgang nach dem eigentlichen Brauprozess stattfindet und die Zutaten damit nicht Bestandteil des Bieres sind, gilt das Bier als unter dem Reinheitsgebot gebraut. Durch diese Methoden lassen sich deutlich unterschiedliche Geschmäcker im Vergleich zu industriell gefertigten Bieren erreichen.

Dass die drei Berlin als ihren Standort gewählt haben, war Zufall. „Wir lebten zu dem Zeitpunkt alle in Berlin, sodass uns das logisch erschien. Zudem ist Berlin eine Stadt mit 3,5 Mio. Einwohnern, jedoch – komischerweise – mit sehr wenigen Brauereien. Darum erlaubt es uns Berlin, hier mit einer kleinen Brauerei und wenig Bier viel Aufsehen zu erregen“, so David.

Ihre Zutaten bezieht die Brauerei aus aller Welt. Das Malz kommt aus Bamberg, der Hopfen aus aller Welt. „Wir nutzen wegen des Geschmacks eher Hopfen von der Westküste der USA, aber auch aus Neu Seeland, Japan und Deutschland haben wir schon Hopfen genutzt.“ Dies ermöglicht es, dass sich die Biere untereinander stärker im Geschmack und Erscheinungsbild unterscheiden.

Hinter der Theke (Foto: Jonas Thomä)

Wir mischen nicht mit Cola, Limonade oder Fruchtsaft (Foto: Jonas Thomä)

Der kleine Laden im Wedding lockt ein buntes Publikum an. „Manchmal hört man hier nur deutsch, manchmal nur englisch und manchmal ein Mix aus allem von deutsch über spanisch zu norwegisch. Beide Geschlechter, jedes Alter, Anwohner, Touristen aus Russland…. . Es ist ein echt cooler Mix von Leuten.“

Auch für Stammkunden wird geworben. Dies ist neben der Produktionsmenge und der Art des Bieres, wohl der größte Unterschied zu einer klassisch industriellen Brauerei. Statt nur auf den Verkauf an der Theke zu setzen, werden Abonnements angeboten. Für 200€ ist man ein Jahr Mitglied und bekommt einen wiederverschließbaren Krug, sowie zwei Nachfüllungen pro Monat. Hinzu kommt noch jeweils ein T-Shirt und ein Sweatshirt. Und die Möglichkeit, an diversen Verkostungen teilzunehmen. Vor allem sei dabei aber der Fokus auf die Community gerichtet. „Für uns machte das einfach Sinn: So haben wir eine Community von Unterstützern, mit denen wir uns treffen und über das diskutieren können, was wir tun.“ Momentan ist die Anzahl der Mitglieder auf 30 begrenzt, da für mehr Mitglieder die Produktion noch zu gering ist.

Der Hopfen kommt unter anderem aus Bamberg (Foto: Jonas Thomä)

Hopfen aus Bamberg (Foto: Jonas Thomä)

Da bisher nur David Spengler Vollzeit arbeitet, ist die Produktionsmenge sehr gering. Die momentane Produktion summiert sich auf 10 Hektoliter im Jahr. Allerdings sind hier Steigerungen geplant. Im Vergleich dazu produziert die Berliner-Schultheiss-Kindl Brauerei 1,5 Mio. Hektoliter im gleichen Zeitraum. Um dies zu erreichen ist die Anlage dort rund um die Uhr in Betrieb, zu Stoßzeiten werden 100.000 Flaschen pro Stunde abgefüllt. Doch hohe Produktionsmengen führen dazu, dass das Bier sich auf Dauer immer ähnlicher wird. So müssen die Berliner Biere aus der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei mit dem gleichen Wasser gebraut werden, was den Geschmack ähnlicher werden lässt.

Da die Vagabund-Brauerei noch in den Anfangsjahren steckt und von nur drei Leuten betrieben wird, fehlt ihr die Möglichkeit, das Bier in Flaschen abzufüllen und somit in anderen Läden in Berlin zu verkaufen. Die Mengen sind dementsprechend marginal, verglichen mit der Produktion großer Brauereien. So sind Brauereien, die unter 1000 Hektoliter pro Jahr produzieren, zwar die einzige Sparte, die in ihrer Anzahl signifikant steigt und inzwischen fast die Hälfte aller Brauereien in Deutschland ausmacht. Dennoch produzieren sie nur 0,2% des in Deutschland produzierten Bieres. Trotzdem sei jede Kneipe, die kein Bier der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei verkauft, als Konkurrenz einzustufen, so eine Sprecherin der Brauerei.

Doch sich mit den großen anzulegen, ist nicht das Anliegen der drei Amerikaner. Es geht darum gutes Bier zu brauen und eine Alternative zu dem ewig gleichen Pils, Dunkel und Hefeweizen zu bieten. Denn ein Spruch der Capital Brewing Brauerei aus Middleton an der Wand erklärt: „People who drink light beer don’t like the taste of beer, they just like to pee a lot.“


IMG-20131204-WA0001Jonas Thomä ist 22 Jahre alt und studiert Anglistik und Publizistik und Kommunikationswissenschaften and der Freien Universität Berlin.

2017-07-06T12:18:12+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , , , , |