Sohlen ohne Seelen

Sohlen ohne Seelen

Weil ein Londonder Werbetexter in Berlin endlich etwas Sinnvolles machen wollte, zog er eine eigene Schuhproduktion hoch: Er stellt jetzt Schuhe für Atheisten her. Bei der Gemeinde der Ungläubigen kamen seine Lederprodukte sofort gut an. Doch als er anfing, die Schuhe in die USA zu verschicken, stellte er schnell fest, dass einige amerikanische Postangestellte mit seinem weltlichen Produkt nicht einverstanden waren.

Von Anna-Sophie Harling

Schuhmacher David Bonney ist ein ruhiger Mann. Er spricht mit einer leisen Stimme und lächelt oft. Seine handgenähten Produkte sind schlicht und dennoch elegant. Auf den ersten Blick würde man nie denken, dass Bonney und seine Schuhe ein kontroverses Thema sein könnten. Aber auf jeder der von ihm gefertigten Schuhsohlen sind die Wörter „Ich bin Atheist” deutlich zu erkennen. David Bonney glaubt nämlich nicht an Gott.

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Schuhmacher David Bonney (Foto: A. Harling)

Vor genau fünf Jahren ist Bonney von London nach Berlin gezogen. Dort hat er als Werbetexter gearbeitet und fühlte sich ziemlich gelangweilt. Als seine deutsche Freundin beschloss, nach Berlin zu ziehen, ging Bonney mit. „Und ich bin einfach nicht mehr zurückgegangen”, erklärt Bonney.

„Ich dachte: Nun, wäre es nicht toll, meine eigene Marke zu gründen? Eine, die mich wirklich interessiert, statt all diese schrecklichen Marken, die ich in in London beworben habe? Ich wollte wirklich eine Marke, an die ich glaubte. Dann dachte ich: Hm, ich glaube nicht gerade an viel. Und das war irgendwie der springende Punkt. So kam ich zum Atheismus.”

Zuerst stellte Bonney sein Atheist-Schuhkonzept im Onlineforum Reddit.com vor. Dort konnte er andere atheistische User fragen, ob ihnen die Schuhe gefallen. Die Reaktion war überwältigend positiv. Gleich darauf machte Bonney für das Projekt einen Schlachtplan, zusammen mit anderen Schuhmachern und Designern. Im letzten Jahr haben sie 2 500 Paar Schuhe verkauft. „Am Anfang habe ich mir richtig Sorgen gemacht, dass der Atheismus dem Verkauf der Schuhe schaden würde,” sagt Bonney. „Aber das ist nicht passiert. Ich glaube es liegt daran, dass wir so entspannt sind. Wir sind keine sogenannten ‘Bible Bashers’.”

Die Schuhe selbst sind aus glattem Leder hergestellt. Außer den Buchstaben auf der Sohle gibt es noch ein leicht erkennbares Muster: einen großen schwarzen Kreis an der Ferse. Was bedeutet er?  „Na ja”, lacht Bonney, „Der Kreis ist halt der große, gähnende Abgrund des Nichts. Er ist ein Gott-förmiges Loch. Darin gibt es absolut nichts, und das Nichts ist eine schöne Sache.”

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Schwarze Kreise als Sinnbild für das Nichts (Foto: A. Harling)

Das Bonney nicht an Gott glaubt, ist in Berlin nicht besonders. Berlin ist die atheistische Hauptstadt Europas. Mehr als 60% der Bevölkerung haben keine konfessionelle Zugehörigkeit. Laut Amt für Statistik Berlin- Brandenburg glauben seit 2010 weniger als ein Drittel der Berliner an Gott oder mehrere Götter. Dennoch meint Bonney, dass es hier keine atheistische Gemeinschaft gibt. „Wir haben keinen Feind, und daher gibt es wirklich keinen Grund, um uns zu versammeln,” sagt Bonney, „In Berlin ist die atheistische Schuhmarke eine harmlose Sache.”

In Amerika ist das nicht so. „Wir hatten mit der Post, die nach Amerika ging, viele Probleme”, sagt Bonney. „Das lag daran, dass wir Klebeband benutzt haben auf dem das Wort ‘Atheist’ deutlich zu sehen war. Viele Pakete waren verspätet oder sind einfach verlorengegangen. Und darüber sind unsere amerikanischen Kunden überhaupt nicht überrascht.”
Jetzt benutzt Bonney nur noch Klebeband, auf dem nichts zu lesen ist. Dennoch meint Bonney. „Es ist wichtig, dass wir uns offener als Atheisten zeigen. Wir können nicht einfach weiter wie auf dem Zaun sitzen und nichts tun. In Amerika hört man immer nur von Atheisten mit extrem aggressivem Verhalten. Deswegen ist es wichtig, dass wir toleranteren Atheisten auch unsere Meinungen äußern. Und genau das versuche ich mit den Atheist-Schuhen zu tun.”


P1030599Anna-Sophie Harling kommt aus New York City und ist Studentin im 1. Studienjahr an der Yale University. Sie mag am liebsten die Fächer Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen und Jura. In ihrer Freizeit treibt sie Leichtathletik, spielt Trompete und fotografiert. Am liebsten reist Anna-Sophie um die Welt. Letzten Sommer war sie drei Monate in Peking; den Sommer davor in Kenia. Sie macht in der Lokalredaktion Königs Wusterhausen der Märkischen Allgemeinen Zeitung ihr Praktikum.

Internationales Journalisten-Kolleg ǀ  internXchange ǀ Sommer 2013

2017-07-06T12:18:18+02:00 Kategorien: Gefühl + Glaube, IJK, internXchange, Lesen|Tags: , , , , , , , |