Berufswahl – (K)eine Frage des Geschlechts

Berufswahl – (K)eine Frage des Geschlechts

Vorurteile über Männer und Frauen sind in der Gesellschaft tief verankert. Nach wie vor gilt es als ungewöhnlich, wenn ein Mann von Beruf Kindergärtner ist. Woher kommen diese Vorurteile? Wie sexistisch ist unsere Arbeitswelt? Sabine K. (56) und Max W. (23) sprechen mit uns über ihre Erfahrungen. Sabine ist gelernte Softwareentwicklerin. Sie hat durch ihre jahrzehntelange Erfahrung sämtliche Eindrücke über die Stellung der Frau im Berufsleben sammeln können. Max ist Krankenpfleger und einer der wenigen männlichen Azubis gewesen.

von Emilie Klingberg und Dayra Palacios

 

Was arbeiten Sie und seit wann?

Sabine:

Ich bin Projektmanagerin in der Produktion bei einer Firma im Druckereiwesen. In meinem vorherigen Beruf habe ich als Software-Testerin gearbeitet. Dafür habe ich 1987 ein Studium als Diplom-Ingenieurin für Nachrichten und Informationstechnik für Hardware und Software abgeschlossen.

Max:

Ich bin Gesundheits- und Krankenpfleger auf einer Unfallchirurgie- und Orthopädie-Station. Im März 2018 habe ich meine dreijährige Ausbildung abgeschlossen.

Warum haben Sie diesen Berufsweg gewählt?

Sabine:

Ich denke das ist familiär bedingt. In meiner Familie sind viele Techniker, mein Vater zum Beispiel war Elektriker. Und ich wollte eine logische Sache lernen. Ich hatte nie eine Intention für das künstlerische bzw. freigeistige (lacht).

Max:

Die Arbeit im Team und vor allem mit anderen Menschen reizte mich immer mehr als von morgens bis abends im Büro vor dem Computer zu sitzen. Außerdem finde ich es wichtig, etwas Sinnvolles zu tun und andere in schweren Lebenssituationen zu helfen und zu unterstützen.

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?

Sabine:

Mir gefällt das Logische. Ich will wissen wie alles in einer Firma zusammenhängt. Ich frage mich: Was ist der Hintergrund, wie setzt sich die Strategie in der Firma durch? Dadurch das ich bereits in verschiedenen Bereichen gearbeitet habe verstehe ich bereits das gesamtheitliche Bild besser. Das empfinde ich als spannend. Das wiederum führt dazu, dass ich hinterfragen und verändern will und ggf. auch verbessern. Also wie kann ich es in Zukunft besser machen? Der Beruf kann auch stressig sein, denn es ist nie gerader Weg. Kompromisse müssen gemacht werden, Empathie für den Gegner, Fingerspitzengefühl wird benötigt und ebenfalls eine gemeinsame Findung einer Lösung.

Max:

Mir gefällt es, kranken Menschen in schweren Lebensabschnitten beizustehen und sie zu unterstützen, damit sie möglichst selbstständig und zufrieden, also bezogen auf die eigenen Lebensstile und die Ansprüche an sich selbst, die Tage, in denen sie auf Hilfe angewiesen sind, bestreiten.

Auch vermeintlich schlimme Zeiten für Patienten und Angehörige wie schlechte Diagnosen und Krisen, den Tod und das Sterben so zu gestalten, dass sie als trotzdem positiv und gelungen in Erinnerung bleiben.

Mir ist es wichtig, Menschen zu rehabilitieren   und zurück in die Gesellschaft einzugliedern, die mögliche Behinderung gering zu halten oder zu verhindern, um die Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Sabine:

Meetings, Meetings, Meetings! Von 8-16 Uhr Meetings, danach tausend E-Mails bearbeiten und schreiben. Deswegen bin ich zeitig auf Arbeit trotz der Gleitzeit. Viele Dinge müssen in der Morgenzeit geklärt werden, zum Beispiel die Planung des Tages und der Woche. Für die Woche planst du Meetings innerhalb deiner Gruppe. Die sind für die Einteilung der Themenbereiche bzw. Problembereiche, um diese wiederum zu besprechen und auszumerzen. Personaltechnische Fragen werden bearbeitet, strategische Themen für Gruppen werden vorbereitet und besprochen, wie sie umgesetzt werden sollen. Auch müssen regelmäßig Prozesse überdacht werden und angepasst werden. Ein großer wichtiger Teil ist die Aufbereitung von Report, die den üblichen Stand der Arbeit der Gruppe festhalten. Was immer gleich bleibt ist das Briefing. Es ist also kein reines Programmieren mehr. Aber dafür kann ich mit dem Wissen einen besseren Überblick bekommen und Wissen weitergeben.

Max:

Das ist je nach Dienst unterschiedlich, da sich die Aufgaben im Früh-/Spät- und Nachtdienst unterscheiden. Prinzipiell müssen wir die Patienten mit der nötigen vom Arzt verordneten Medikation versorgen und sie bei den Aufgaben des täglichen Lebens wie die Körperpflege, Ausscheidung, Essen und Trinken und so weiter, zu unterstützen. Außerdem müssen wir die abrechnungsrelevante Dokumentation führen.

Arbeiten Sie lieber mit Männern oder mit Frauen? Warum?

Sabine:

Ich arbeite lieber mit Männern. Frauen klammern manchmal und es entstehen leicht Zickereien (lacht), deswegen trenne lieber Arbeit vom Privatleben. Männer halten es einfacher, aber vielleicht bin ich es auch nur gewohnt. Früher habe ich ausschließlich mit Männern gearbeitet hat.

Max:

An sich ist es mir egal, da wenig Zusammenarbeit mit immer den gleichen Kollegen des Teams auf der Station herrscht. Die Aufteilung erfolgt in verschiedene, unabhängige Bereiche. Bei der Zusammenarbeit mit Auszubildenden spielt das Geschlecht keine Rolle, da die Ausbildung und der Wissenserwerb im Vordergrund stehen. Unter Männern ist aber eine entspanntere, lockere Atmosphäre.

Wie viele Männer oder Frauen waren in Ihrer Ausbildung bzw. im Studium?

Sabine:

Im Studium waren es damals nur 5% Frauen. Die DDR förderte Frauen in jeder Richtung, die sie gehen wollten und mir wurde damals ein Stipendium angeboten.

Max:

Zu Beginn waren wir sechs von 31, abgeschlossen habe aber nur ich die Ausbildung.

Welche Probleme hatten oder haben Sie bei der Arbeit? Haben Sie das Gefühl bevorzugt oder benachteiligt zu werden? Warum?

Sabine:

Frauen werden gerne Steine in den Weg gelegt, man muss sich mehr beweisen als Männer. Die männlichen Mitarbeiter bezweifeln deine Entscheidungen oder Vorschläge. Ich spüre es gleich, wenn Männer mich nicht respektieren und mich nicht ernst nehmen. Besonders seit ich eine Führungsposition innehabe. Nicht jeder Mann hat dies begrüßt. Heutzutage sind viele Frauen in Führungspositionen. Sie verdienen trotzdem weniger als Männer, obwohl sie die gleiche Arbeit machen. Es gibt auch Männer, die versuchen ihre Position auszunutzen und baggern Frauen an, es wird versucht deren Unsicherheit auszunutzen. Selber ist es mir Gott sei Dank nicht passiert.

Max:

Bisher nicht, erfahrungsgemäß werden männliche Kollegen oft besser als weibliche aufgenommen, was einen möglichen Konkurrenzdruck unter Frauen vermuten lässt.

Wenn überhaupt, fühle ich mich bevorzugt, da es eine offenere Aufnahme, vor allem in der Ausbildung noch, gibt. Manchmal gibt es einen anderen, gleichwertigeren Umgangston mit von der Hierarchie höher gestellten Ärzten oder Vorgesetzten. Der Arbeitgeber zeigte mir gegenüber, im Vergleich zu anderen weiblichen Absolventinnen meines Ausbildungsjahrganges, größeres Interesse bei der Bindung an das Unternehmen.

Würden Sie den Beruf wieder wählen, wenn sie gewusst hätten, was auf Sie zukommt?

Sabine:

Ich würde es jederzeit wiederwählen. Für mich ist es die geistige Erfüllung. Die Thematik ist spannend und auch wie sich die Technik weiterentwickelt. Ich finde auch, dass Frauen notwendig sind für die Zukunft und für die Entwicklung. Frauen haben ein anderes Verständnis bzw. Gespür und durch sie entstehen neue Ansätze. Es sollten nicht nur Männer in dieser Branche arbeiten, die Mischung bringt es. Ansonsten ist es zu homogen. Der technologischer Wissensaustausch von Jung und Alt, von Männern und Frauen ist wichtig sowie Respekt lehren gegenüber anderem Mitarbeiter/innen. Das oder besser gesagt unser Wissen geht sonst verloren, wenn es nicht weitergegeben und gepflegt wird.

Max:

Ja, würde ich, da als Zulassungsvoraussetzung für die Ausbildung ein Praktikum nötig ist, wusste ich dort schon meine möglichen, späteren Aufgaben und mein Beruf hat mir gleich Spaß gemacht.

 

Quelle: IWD

Laut “iwd” (Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft) folgen Männer und Frauen nach wie vor “bei der Berufswahl althergebrachten Rollenmustern”. Frauen sind zwar vermehrt in Führungspositionen und auch die Einstellung zur Kindererziehung erlebt einen Wandel hin zu mehr Gleichberechtigung. Die Statistik zeigt aber, dass wir uns unterbewusst trotzdem noch durch gesellschaftliche Stereotypen beeinflussen lassen.

 


Dayra Palacios (28) studiert im 5. Semester Deutsche Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.


Emilie Klingberg (20) studiert im 5. Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.


2019-03-28T18:08:20+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen, Wissen + Wirken|Tags: , , |