Profil 10: 1-168, 64 Abb., 10 Taf.; Stuttgart 1996

Ökologie und Sedimentologie eines rezenten Rampen-systems an der Karibikküste von Panamá

Lars Greb, Boris Saric, Hartmut Seyfried, Torsten Broszonn, Stefan Brauch, Gesine Gugau, Claus Wiltschko und Reinhold Leinfelder

Institut für Geologie und Paläontologie, Universität Stuttgart




Abstract

Zusammenfassung

Im Archipel von Bocas del Toro im Nordwesten Panamás haben sich einfache und differenzierte Riff-Ökosysteme auf engem Raum nebeneinander entwickelt. Diese Vielfalt spiegelt die morphologische, hydrodynamische, bathygraphische, sedimentäre, oxysche und trophische Struktur der Bucht wider. Wir haben diese Beziehungen im Rahmen eines Unterwasser-Kartierungsprogrammes im März und April 1995 studiert.

Zwei große Inseln sowie die dazwischenliegenden Untiefen schirmen die Bucht von Almirante vom offenen Karibischen Meer ab. Die strukturellen Hochgebiete zeichnen die Front eines Überschiebungsgürtels nach, der auf der Backarc-Seite des Magmatischen Bogens von Süd-Costa Rica und Nordwest-Panamá entstanden ist. Die hochenergetischen, dem offenen Meer zugewandten Untiefen sind mit gut entwickelten Riffen bewachsen, die eine typische Riffzonierung in Riffabhang, Vorriff, Riffkamm, Rückriff und Lagune mit Seegraswiesen und Fleckenriffen zeigen.

Trotz der Nähe zum Magmatischen Bogen verhindern heute dichte Mangrovenwälder und das Fehlen großer Zuflüsse stärkeren terrigen Sedimenteintrag in die Bucht. Das Fazies-Spektrum reicht von tonigen Karbonatschlämmen über bioklastische Sande und Kliffkollapsbrekzien bis hin zu den unterschiedlichsten Rasen- und Fleckenriff-Gemeinschaften. Korallen-Schwamm-Biozönosen sind besonders häufig. Das an manchen Stellen üppige Wachstum der Korallen überrascht angesichts folgender hemmender Faktoren:


An der Leeseite der großen Insel Colón läßt sich eine küstenparalle Fazieszonierung beobachten. Diese beginnt zunächst mit einem etwa 60m breiten Seegrasstreifen, dem ein rund 30m breiter Bereich folgt, in dem lockerer Kalksand angereichert ist. Mit Ausnahme vereinzelter kurzlebiger Porites-Rasen im flachsten Wasser setzen komplexere Korallengemeinschaften erst ab einer Tiefe von 7m ein. In diesem Bereich zeigt das Profil einen Anstieg des Gefälles auf 14°. Dieser Gefälleknick spiegelt dem Anschein nach ein aggradierendes oder sogar leicht progradierendes Anlagerungsgefüge wider, das durch das Zusammenwirken von Sedimentfang durch Seegras im flachsten Wasser und Überweidung durch Fische (aus dem Schutz der tieferen Korallengemeinschaften heraus) verursacht wird. Die Überweidung ist für den Streifen lockeren Kalksands verantwortlich, während der Sedimentfang das Aggradieren bzw. Progradieren verursacht, so daß eine verhältnismäßig steile Kalksand-Böschung entsteht.

In den geringturbulenten Bereichen der Bucht gibt es zahlreiche aggradierend wachsende Mangroveninseln. Nicht nur dort, sondern auch entlang einiger küstenparalleler Mangrovengürtel kann man dichtbesiedelte, jedoch niederdiverse Porites-Gemeinschaften beobachten. Auf den offenen Untiefen der Bucht sind hingegen häufig niederdiverse Korallengemeinschaften in Verbindung mit hochdiversen Schwammassoziationen inmitten der Karbonatsand-Fazies zu sehen. Typisch ist die Verbindung mit Seegraswiesen. Im Wasser vor einer Bananenplantage fanden wir in Lebendstellung erstickte Korallen- und Schwammgemeinschaften.

Im Hinblick auf die Schwammfauna sind offensichtlich sowohl Individuenzahl als auch Diversität in den Riffen der offenen Meeresbereiche (Cayos Zapatilla) am geringsten, während sie an der leewärtigen Seite der Insel Colón, insbesondere aber im Inneren der mangrovendominierten Bucht ansteigen. Zum einen ist dies die Folge geringerer Wasserenergie, zum anderen hat dies mit dem erhöhten Gehalt an partikulären und gelösten Nährstoffen im Buchtinneren zu tun.
Die Sedimentationsrate (im wesentlichen als Folge von Sedimentumlagerung) kontrolliert klar die Entwicklung und Zusammensetzung der Korallengemeinschaften. In der Sandfraktion sind Fragmente von Korallen, Grünalgen und Rotalgen mit durchschnittlich etwa 20-25%, Molluskenfragmente mit etwa 10% vorhanden. Foraminiferen haben keine Bedeutung am Sedimentaufbau. Lockersedimente aus Riff, Lagune und rifferneren Bereichen unterscheiden sich nicht besonders hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, was auf umfassende Sedimentverlagerungen sowie wechselne Besiedlung durch Pionier-Riffrasen schließen läßt.

Festlands- und inselküstennahe Riffgemeinschaften wachsen nur innerhalb bzw. seewärtig einer Zone von Mangroven und Seegraswiesen, welche Sediment stabilisieren. Sind diese durch Sturm oder Eingriffe des Menschen geschädigt, so finden sich keine Riffe. Porites porites-Rasen beginnen in der Regel innerhalb der Seegraswiesen zu wachsen, oft auf Korallenschutt, der durch Weichschwämme und coralline Algen verkittet wurde. Riffische und Seeigel weiden Seegras um diese Porites-Rasen ab; es entstehen Sedimentringe. Teilweise finden sich auch üppige Acropora cervicornis-Hecken mit ähnlichen Sedimentringen. Höherdiverse Korallenriffe unterhalb der Seegraszone und der anschließenden Lockersedimentzone finden sich insbesondere auf der Leeseite der Insel Colón. Sediment wird hier zum Teil von der Salatkoralle Agaricia stabilisiert, zum Teil wird es zwischen größeren Montastrea-Stöcken hindurchgeschleust. Wir haben beobachtet, daß das Häufigkeitsverhältnis (a/c) von Montastrea annularis zu Montastrea cavernosa umgekehrt proportional zum Sedimentationsstreß ist. Obwohl die Montastrea annularis-Agaricia-Gemeinschaft in der Karibik in Wassertiefen zwischen 2 und 24 Metern vorkommen kann, scheint in der Bucht von Almirante die jeweilige Tiefenlage an einer gegebenen Lokalität an die Wassertrübung und damit eng an die Lichtverhältnisse gekoppelt zu sein. In den untersuchten Bereichen kommt die Gemeinschaft je nach Wassertrübung ab etwa 4-7m Wassertiefe vor und reicht bis etwa 23m. Die Bedeutung dieser Koralle als Durchlichtungsanzeiger wird auch durch Änderungen der Wuchsform von knollig zu plattig innerhalb mehrerer Meter großer, pfeilerförmiger Kolonien deutlich.

Das gleichzeitige Auftreten von niederdiversen Riffrasen, biologisch stabilisierten Sedimentkörpern und hochdiversen Riffen mit klarer Zonierung sowie die deutlichen funktionsmorphologischen Anpassungen mancher Organismen wird durch folgende Prozesse gesteuert:

Unter den heutigen Bedingungen hat sich das Karbonatsystem stabilisiert; es ist dabei, im Wettlauf mit der Tektonik die Struktur der Bucht zu verändern. Wir versuchen mit dieser Arbeit, die Beziehungen zwischen den beteiligten Prozessen und ihren Produkten aufzuzeigen. Der Archipel von Bocas del Toro ist ein ausgezeichnetes Studienobjekt für ein Ökosystem, das andauernd geologischen Veränderungen unterworfen ist; es ist ein sehr gutes Modell für fossile tropische Rampensysteme.



Abstract

Various types of both initial-stage and mature coral reefs coexist within the Bay of Bocas del Toro (Northwest Panamá), together with a wide range of other sediment types. This variability reflects the pronounced morphological, hydrodynamic, bathymetric, sedimentary, oxic and trophic compartmentalisation of the bay. These controlling factors were analyzed during an underwater mapping project in March and April 1995.

Two large islands and shallow shoals protect the bay from the open Caribbean Sea. Cliffs, plains of marine erosion, and shoals outline the front of the easternmost thrust sheet of a mobile belt which follows the backarc side of the magmatic arc in Southeast Costa Rica and Northwest Panamá.
The shallow, high-energy, ocean-facing shoals are capped by well developed coral reefs, especially around the islands of Cayos Zapatilla. These reefs grow directly upon the structural high formed by the above-mentioned front of the thrust sheet. They exhibit well-developed facies belts such as fore reef, reef front, reef crest, back reef, and a lagoon with seagrass meadows and patch reefs.

Despite its location close to the magmatic arc, today there is little terrigenous influx into the bay, owing to dense coastal mangrove forests and the lack of larger rivers. Sediment types within the bay encompass clayey carbonate muds, bioclastic sands, cliff collapse breccias, and reefal meadows as well as patch reefs built by quite variable coral and coral-sponge communities. The reefal communities are flourishing within the bay, despite the following restrictions:


At the leeward side of the island of Colón, facing the bay, sediment types show a zonation parallel to the coast. A coastal mangrove strip is paralleled by an about 60m broad seagrass zone, adjacent to which occurs a 30m broad strip of unstabilized, loose bioclastic sands. Except for occasional, ephemeral Porites-meadows within the very shallow seagrass zone, more complex coral communities only occur below 7m depth, distal to the bioclastic sand zone. The steepening of the slope angle up to 14° appears to be the result of sediment baffling by sea-grass in the shallowest water and excessive grazing of reef fishes from out of the shelter of the deeper coral gardens. Overgrazing results in the formation of the strip of loose bioclastic sand, whereas baffling brings the seagrass belt to aggrade and, possibly, prograde, thus forming a steep transition zone.
Mangrove islands occur frequently in the less turbulent parts of the bay. Around these islands and, less frequent, along the mainland coast, the low diversity Porites-community still occurs within seagrass meadows, whereas shoals without island development show a dominance of demospongid sponges and milleporids, often also associated with seagrass. Offshore a banana plantation we found a Porites porites colony which has been buried underneath a metre-thick layer of organic mud.

Both number of individuals and diversity of the sponge fauna appear lowest in the open marine reefs (Cayos Zapatilla), whereas they are higher at the leeward side of the island Colón and, particularly, in the inner parts of the mangrove-dominated bay. Besides lower water energy, this is thought to be related to increased concentration of particulate and dissolved organic nutrients in the inner parts of the bay.

The paramount influence of sedimentation on the development and characteristics of the coral communities is particularly obvious. Rather than hinterland sediment influx is redistribution the critical factor. Major reworking and redistribution of sediments as well as ephemeral, shifting development of initial reef meadows is highlighted by the fairly similar composition of bioclastic sands from reefs, lagoons and areas more distant to reef growth: The sand fractions show averages of about 20-25% of coral, codiacean and corallinacean bioclasts each. Mollusks average 10%, foraminifera are of no major importance.

Reef communities close to mainland and island coasts only grow within, or seaward to, a twin-belt of mangroves and seagrass, both of which trap and stabilize sediments. No reefs exist in cases where these are damaged by storms or anthropogenic influence. Porites porites-meadows normally start their growth within the seagrass zone. Pioneer corals use bioclastic lumps which are clotted by soft sponges and subsequently cemented by coralline algae. Finding shelter in the initial coral meadow, reef fishes and sea urchins graze on the sea grass which is increasingly removed within the community and which causes typical sediment halos around the Porites-meadows. Healthy Acropora cervicornis-thickets, accompanied by even larger sediment halos, also occur occasionally within or adjacent to the sea grass belt. Coral reefs below the sea grass zone and the adjacent belt of loose bioclastic sands show higher diversities. These are particularly developed off the leeward side of the island of Colón. The lettuce coral Agaricia stabilizes portions of the sand. Sand may also be bypassed towards greater depths through gaps within the Montastrea-dominated association.
We observed that a large proportion (a/c) of Monstastrea annularis versus Montastrea cavernosa is characteristic of low sedimentation rates, whereas high values reflect decreasing sedimentary stress. Despite the fact that the Montastrea annularis-Agaricia-community occurs from 2m to 24m in the Caribbean, its actual depth position at a given site is clearly related to turbidity. Hence the community reflects fairly well-defined ambient light conditions. In the study area the community occurs below a water depth of 4-7m down to 10 to 23m depending on the turbidity of the site. The importance of M. annularis as a light indicator is also substantiated by the change of growth form, within several meter-sized massive, pinnacle colonies, from a knobby outer surface to plate-like, horizontal protrutions.

The coeval occurrence of low-diversity reef meadows, biologically stabilized sedimentary bodies and high-diversity reefs with distinct facies zonation and clear morphological adaptions of some organisms is controlled by


Today, the carbonate system appears to be stable and the infilling process seems to be well underway. Our aim is to understand the processes and products involved in this interplay between tectonics and sedimentation. We consider the Archipelago of Bocas del Toro as an excellent example of an ecosystem subjected to constant physical changes and we regard it as an exquisite model for fossil tropical ramp systems.





Last changes 21. February 1997 by Reinhold Leinfelder