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Institut für Paläontologie und Historische Geologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Richard-Wagner-Str. 10
80333 München
Nautilus - namengebend für das berühmte U-Boot des Kapitäns Nemo aus Jules Vernes Roman "20 000 Meilen unter dem Meer" - ist ein Kopffüßler (Cephalopode), der ein kalkiges Außenskelett besitzt. Die Kopffüßler, populärer unter der Bezeichnung "Tintenfische", sind eine uralte Tiergruppe, deren erste Vertreter bereits gegen Ende des Kambriums in den damaligen Meeren auftauchten, also vor über einer halben Milliarde Jahre (vgl. Abb. 2).
In Abbildung 1 ist oben ein lebender Nautilus zu sehen, der gut einige der wesentlichen Merkmale zeigt. Zunächst eine eng aufgerollte einteilige Schale, in die sich das Tier bei Gefahr zurückziehen kann. Sodann die Tentakel, die kranzförmig am Kopf befestigt sind und auf den Namen der ganzen Gruppe ("Kopffüßler") verweisen. Darüber ist die kräftige Kopfklappe zu erkennen, mit der die Schale "verschlossen" werden kann, und eines der beiden großen Augen. Zwischen den Tentakeln lugt am unteren Rand der Schale der Trichter heraus. Durch diesen kann Wasser ausgestoßen werden, was dem Tier einen Antrieb mit Hilfe des Rückstoß- bzw. Raketenprinzips erlaubt, eine uralte Technik in der Tierwelt, die der Mensch aber erst seit kurzem beherrscht.
Das darunter abgebildete fossile Nautilusgehäuse aus dem Eozän zeigt noch eine Besonderheit der Schale. Diese ist nämlich unterteilt, d.h. durch Querwände, die sogenannten Septen, werden einzelne Kammern abgetrennt. Das Tier selbst lebt nur in der jeweils letzten Kammer, der Wohnkammer. Der übrige gekammerte Teil, der Phragmokon, ist vorwiegend mit Gas erfüllt. Dieses bedingt einen Auftrieb und erlaubt es dem Nautilus schwerelos, d.h. ohne Anstrengung bzw. Energieaufwand, in jeder beliebigen Höhe der Wassersäule zu "schweben".
Während fossile Nautiliden weltweit verbreitet sind, beschränkt sich das Auftreten des rezenten Nautilus auf den westlichen Pazifik und auf einige Vorkommen im Indik. Hier im tropischen Gürtel lebt er vor allem am Hang von Riffen. Tagsüber hält er sich in Tiefen von ca. 400 m auf, nachts steigt er bis etwa 100 m Wassertiefe auf und jagt nach Krebsen, seiner bevorzugten Beute, die er mit seinem großen papageienartigen Schnabel zerreißt.
Zur Geschichte des lebenden Fossils
Warum eigentlich wird Nautilus als "lebendes Fossil" bezeichnet? Zunächst ist festzustellen, daß dieser Begriff "informell" ist, d.h. es existiert keine verbindliche Definition, die festlegt, was genau darunter zu verstehen ist. Immerhin gibt es aber eine Reihe - mehr oder weniger subjektiver - Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Art oder auch Gattung als "lebendes Fossil" bezeichnet wird. Drei Punkte sind es vor allem, die in diesem Zusammenhang bei Nautilus eine Rolle spielen:
Langlebigkeit der Gattung. Die meisten Arten und Gattungen besitzen eine Lebensdauer, die maximal nur wenige Jahrmillionen umfaßt. In Abbildung 1 ist für eine große Anzahl mariner Gattungen deren durchschnittliche Lebensspanne angegeben. Besitzt eine rezente Gattung nun eine deutlich über dem Durchschnitt liegende Lebensdauer, so kann man aufgrund dieser Eigenschaft durchaus von einem "lebenden Fossil" sprechen.
Exakt dieses ist bei Nautilus möglich, denn die Gattung reicht mindestens bis ins späte Eozän (ca. 38 Millionen Jahre) zurück, vermutlich aber sogar bis in die Kreide (mindestens 80 Millionen Jahre).
Letzter Vertreter einer einst blühenden bzw. zahlreichen Gruppe. Gemeint ist damit, daß von einem "lebenden Fossil" gesprochen werden kann, wenn die Gattung als einzige von einer ehemals großen Anzahl Taxa übriggeblieben ist.
Auch in diesem Sinne ist Nautilus ein echtes "lebendes Fossil". Und das gilt gleich in doppeltem Maße. Zuerst betrifft es die ehemals so umfangreiche und im frühen Paläozoikum die Weltmeere beherrschende Gruppe der Nautiliden i.w.S.. Diese hatte - wie in Abb. 2 deutlich sichtbar - ihre Blütezeit im frühen Paläozoikum (Ordoviz - Devon). Danach aber hatte fast nurmehr die - bereits seit dem Devon existierende - Gruppe der Nautiliden i.e.S. eine Chance des Überlebens, die sie - eben in Gestalt des Nautilus, von dem hier die Rede ist - bis heute wahrgenommen hat.
Ein ergänzender Aspekt ist schließlich noch das reliktartige Auftreten. Gemeint ist damit, daß die entsprechenden Gattungen einstmals weite Gebiete besiedelten, heute aber nur mehr in wenigen, eng umrissenen Rückzugsgebieten auftreten. Dies trifft zweifellos auch für Nautilus zu. So stammt etwa der auf Abb. 1 wiedergegebene Nautilus praepompilius aus dem späten Eozän von Kazakhstan, zeitgleiche - und ältere - Vertreter der Gattung wurden auch in den USA gefunden. Heute dagegen ist das Verbreitungsgebiet des Nautilus, wie bereits erwähnt, auf den Westpazifik und Indik beschränkt.
Neue Blüte - neue Gefahr
Nautilus ist also - wie bisher festgestellt - der letzte Vertreter einer alten Gruppe. Bedeutet das automatisch das "Aus" in absehbarer Zeit? Nicht unbedingt, wie ein Blick auf die Abbildung 3 zeigt! Über das frühe Einsetzen der Entwicklung im Kambrium wurde schon gesprochen. In Abb. 3 sind darüber hinaus Krisen in der weiteren Entwicklung aufgezeichnet. Mindestens dreimal waren die Nautiliden nahe daran, völlig aus den Meeren zu verschwinden. Sie hätten dann das Schicksal der Ammoniten geteilt, die - in der Nachfolge der Nautiliden - die Meere vom Devon bis zum Ende der Kreide beherrschten, an der Zäsur der Kreide/Tertiär-Grenze aber ausstarben. Die Nautiliden überlebten hingegen, zuletzt eine Krise gegen Ende des Tertiärs.
Abb. 3: Entwicklung der Nautiliden in der Zeit. Sie setzen im höheren Kambrium ein (vgl. Abb. 2) und zwar mit der Gattung Plectronoceras, die als ihr ältester Vertreter gilt. Ihre weitere Geschichte ist gekennzeichnet durch drei große Krisen, in denen sie von Massensterben betroffen waren (Wellenlinien) und anschließenden Abschnitten, aus denen - bisher - keine Formen überliefert sind (sogenannte "outages": hier querschraffiert). Bemerkenswert ist die erneute Radiation, die sich heute feststellen läßt und im Nebeneinander zweier Gattungen gipfelt: Nautilus, der bereits Linné 1758 bekannt war, und Allonautilus, der erstmals 1997 beschrieben wurde. Wie die Abbildung zeigt, unterscheiden sich die beiden Gattungen u.a. in der Weite des Nabels und durch den Umriß der Querschnitte.
Unter Verwendung von Abbildungen aus Saunders und Landmann (1987), Teichert (1988), Ward und Saunders (1997).
Dann aber setzte - wie schon früher in ihrer Entwicklungsgeschichte - ein neuer Evolutionsschub ein, der in Abb. 3 durch die auseinanderstrebenden Pfeile in der Gegenwart ("Holocene") angedeutet ist. Gegenwärtig ist also wieder einmal eine Radiation, eine neue Entwicklung bzw. Entfaltung zu vermerken. Sie hat in jüngster Zeit dafür gesorgt, daß nicht nur wieder mehrere Arten von Nautilus in den Meeren schwimmen, sondern daß sich einige Vertreter morphologisch im Bau der Schale (s. Abb. 3) und des Weichkörpers, aber auch im Erbgut bereits so weit auseinander entwickelt haben, daß man von einer zweiten Gattung, nämlich Allonautilus, sprechen kann.
Nautilus & Co. haben also durchaus eine Zukunft. Allerdings ist diese gefährdet wie noch nie. Denn vor unseren Augen läuft ein Aussterbeereignis ab, das in diesen Dimensionen einmalig in der Geschichte des Lebens ist. Bedingt ist dies durch den Eingriff des Menschen, der dabei ist, die Erde völlig "umzukrempeln". Jeder von uns kann allerdings etwas dazu beitragen, gegenzusteuern. Deshalb eine Bitte an alle Leser, die für das "lebende Fossil" namens Nautilus Sympathie hegen: kaufen Sie niemals eine Nautilusschale, wo immer Sie diese auch angeboten sehen. Jeder Kauf führt unweigerlich zu neuen Fängen und gefährdet damit das Überleben dieser faszinierenden Geschöpfe. Es wäre doch wirklich zu schade, wenn diese letzten Zeugen einer langen Evolutionsgeschichte durch menschliches Versagen für immer aus den Meeren verschwinden würden!
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