Tagung der Geol. Vereinigung '92 Stuttgart zum Thema 'Meeresspiegelschwankungen', Tagungsposter; 15 Kb, JPG

Meeresspiegelschwankungen

- Ursachen, Folgen, Wechselwirkungen -

von Hartmut Seyfried und Reinhold Leinfelder


Teil 3


Die Erdgeschichte als Nachschlagewerk

In den vorhergehenden Kapiteln haben wir bereits schon einige der Arbeiten vorgestellt, in denen versucht wurde, die Auswirkungen der modernen Treibhausgase auf Klima, Umwelt und Meeresspiegel zu quantifizieren. Das Problem mit diesen Vorhersagen ist stets, daß wir die kontrollierenden Faktoren qualitativ annäherungsweise kennen, nicht aber die interaktiven Rückkopplungs- und Selbstverstärkungseffekte zwischen ihnen. Gar nichts wissen wir über das Wie und Wann eines möglichen neuen Gleichgewichtszustandes, oder ob es den überhaupt in absehbarer Zukunft geben wird. In der Erdgeschichte ist es gerade andersherum: hier kennen wir Ergebnisse, denen Vorgänge zugrundeliegen müssen, aber über ebendiese haben wir selten mehr als qualitative Vorstellungen. Trotzdem ist gerade die Qualität dieser Aussagen für die Zukunftsforschung wichtig, da die Ergebnisse eines bestimmten Vorgangs direkt ablesbar sind. Durch den Vergleich fossiler Ökosysteme lassen sich außerdem auch (selbstverständlich innerhalb enger Grenzen) qualitative Aussagen über Steuerungsmechanismen machen. Spätestens seit Ende des Kambriums (das heißt vor etwa 500 Millionen Jahren) ist die damalige Welt mit der heutigen in den Grundzügen vergleichbar. Der hohe Entwicklungsstand der damaligen Lebewesen zeigt, daß die Atmosphäre und die Gasphase der Meere ähnlich wie heute beschaffen waren und daß die Nahrungsketten, zumindest im marinen Bereich, ähnlich wie heute verknüpft waren. Auf dem Lande stellten sich durch den erst seit dem Silur (vgl. Abb. 6) aufkommenden Landpflanzenbewuchs diese Verhältnisse etwas später ein. Meeresspiegelschwankungen sind seit dem Kambrium gut bekannt und waren sicher bereits im schon Präkambrium (in der Zeit vor 570 Millionen Jahren), welches sich ja durch mindestens zwei lange Eiszeitphasen auszeichnet, von Bedeutung. Einige Beispiele aus der Erdgeschichte sollen im folgenden die Vorhersagemöglichkeiten einer "angewandten Historischen Geologie" erläutern.


Ein hoher Meeresspiegel als Klimapuffer

Die langperiodischen Meeresspiegelschwankungen sind besonders gut mit dem fossilen Klimaverlauf koppelbar (vgl. Abb. 5). Wie oben bereits schon angedeutet wurde, war der Meeresspiegel zu Ende des Präkambriums, im späten Ordovizium, in der späten Karbon- und in der Permzeit sowie seit dem Tertiär bis heute besonders tief. Diese Zeiten zeichnen sich durch das Vorhandensein großer polarer Eiskappen sowie Inlandvereisung aus ("Kühlhaus"-Zeiten). Die dazwischenliegenden "Treibhaus"-Zeiten entsprechen den Phasen sehr starker Ozeanbodenspreizung: Hauptentwicklung des "Iapetus"-Ozeans (der kambrisch-ordovizische Vorläufer des Antlantiks), Entstehung der "Paläotethys" (zirkumäquatoriales Mittelmeer vom Silur bis zum Karbon) sowie Bildung der "Neotethys" (zirkumäquatoriales Mittelmeer von der Trias bis ins Tertiär) und schließlich Hauptentwicklung des Atlantiks zwischen Kreide und Tertiär. Dabei wurde die Form der Ozeanbecken durch starke Anhebung der mittelozeanischen Rücken so verändert, daß die Meere auf die Festländer "überschwappten" und damit insgesamt der Meeresspiegel stieg. Die geologische Dokumentation dieser Treibhauszeiten läßt klar erkennen, daß der hohe Meeresspiegel mit einem warmen, ausgeglichenen Klima und dem Verschwinden von polaren und Inlandseiskappen gekoppelt ist. Zwei Mechnismen kommen hierfür in Frage:

  1. maritimer Treibhauseffekt: ausgedehnte flache Schelfmeere haben eine ausgleichende Wirkung auf das Klima, da sie als Temperaturpuffer wirken und außerdem das schwache, aber reichlich vorhandene Treibhausgas "Wasserdampf" in großer Menge abgeben;
  2. vulkanogener Treibhauseffekt: die Entgasung von vulkanischem CO2 und H2O ist positiv mit der Spreizungs- und Verschluckungsrate ozeanischer Kruste gekoppelt. Während der Kreidezeit nimmt man atmosphärische CO2-Konzentrationen bis zu 1200 ppm an, wogegen während der letzten Hauptvereisung vor 18000 Jahren wohl nur 200 ppm vorhanden waren. Da jedoch intensive vulkanische Tätigkeit auch aus Kühlhausepochen bekannt ist (z.B. während des Perms), scheint der Klimapufferung durch den maritimen Treibhauseffekt langfristig größere Bedeutung zuzukommen. Es muß hier jedoch nochmals betont werden, daß die letzte Ursache für alle wesentlichen Veränderungen auf der Erdoberfläche natürlich in plattentektonischen Prozessen begründet liegt.


Abb.10, 23 kb, GIF Abb. 10: Sauerstoffisotopenkurve für marine benthische Fossilien der letzten 70 Millionen Jahre. Die Zunahme der ∂18O-Werte spiegelt deutlich die Abkühlung der tiefen Ozeanwässer und die Zunahme der Eiskalotten an den Polen wieder (nach Raymo & Ruddiman, Nature, 359: 117 - 122, 1992)

Die känozoische Kühlhausepisode oder: Wie auf Umwegen eine Eiszeit zustande kam

Die Verteilung der Sauerstoffisotopen-Konzentrationen im Verlaufe des Känozoikums (Abb. 10) deutet darauf hin, daß permanentes Eis sich schon vor 50 Millionen Jahren bildete und daß seit etwa 40 Millionen Jahren ein Eisvolumen existiert, das dem heutigen vergleichbar ist. Manche Klimatologen legen den Beginn der Antarktis-Vereisung allerdings erst vor 36 Millionen Jahren. Damit dauert die jüngste Kühlhausepisode der Erdgeschichte auf jeden Fall schon mehr als 30 Millionen Jahre. Die heutige Zeit gehört trotz des augenblicklichen Temperaturanstiegs ebenfalls noch zu dieser Episode. Vor allem aus dem Quartär sind Wechsel von Warm- und Kaltzeiten mit großer Genauigkeit bekannt (Abb. 14). Sie passen gut in die Perioden von Milankovitch-Zyklen, weshalb diese auch als die "Schrittmacher der Eiszeiten" bezeichnet werden. Keinesfalls jedoch sind sie der eigentliche Grund für eine Vereisung. Globale Energiebilanzierungen untermauern die aus der Erdgeschichte bekannte Tatsache, daß ein globale Klimata mit großen Eiskappen bzw. ohne dieselben (also Treibhaus- und Kühlhaus-Klimata) stabil sind; ein globales Klima mit kleinen Eiskappen hingegen, welches typisch für die Übergangszeiten ist, ist instabil, neigt zu kollapsartigen Krisen und heftigen Fluktuationen. Unter den vielen Möglichkeiten, die früher als Ursache für Eiszeiten diskutiert wurden, haben sich heute nur noch sechs behauptet:

  1. Änderungen in der Zusammensetzung der Erdatmosphäre (besonders natürlich in der CO2-Konzentration);
  2. Zunahme des Aerosol-Gehalts in der Stratosphäre;
  3. vertikale Bewegungen der Erdkruste;
  4. Änderungen in der atmosphärischen Zirkulation;
  5. Änderungen in der Meereisbedeckung und
  6. Änderungen in der Ozeanzirkulation.


Abb.11, 23 kb, GIF Abb. 11: Die globale Temperaturentwicklung der letzten 150.000 Jahre und ihre mögliche Prjizierung in die Zukunft. Möglicherweise befinden wir uns derzeit nur in einer Zwischeneiszeit, die durch die menschengemachte Erhöhumg der atmosphärischen CO2-Konzentration in eine "Super-Zwischeneiszeit" verwandelt werden könnte (nach Imbrie & Imbrie, Ice ages, 1979)

Die känozoische Kühlhausepisode wurde sehr wahrscheinlich durch Überlagerungsmechanismen und positive Rückkopplungen zwischen allen diesen Faktoren verursacht. Wir schildern diesen klassischen Fall von Wechselwirkungen in der Natur etwas ausführlicher:

Das Abdriften Antarktikas von Australien im Oligozän ermöglichte die Entwicklung eines zirkumpolaren Ringsstromsystems, das die ganze Antarktis abkühlte und die Polkappenbildung einleitete (Abb. 11). Zuvor durchlief diese Meeresströmung einen Kreislauf, der stark zum Äquator hin abgelenkt war, so daß sie jedesmal wieder aufgewärmt Richtung Südpol zurückkam. Mit dem südpolaren Ringstrom und der durch den Albedoeffekt schnell zunehmenden Eiskappe bildete sich auch die sogenannte Psychrosphäre, d.h. das in den heutigen Weltmeeren existierende kalte Tiefenwasser, welches wegen seiner höheren Dichte am Meeresboden vom Pol Richtung Äquator fließt. Diese kalten Tiefenwässer kommen in sogenannten "Auftriebsgebieten" an den Westflanken der Kontinente (etwa vor Chile) an die Oberfläche und verursachen dort eine starke regionale Abkühlung und Bildung von Küstenwüsten auch in niederen Breiten. Auf der anderen Seite konnte der Nordpol, der ja nicht auf einem Kontinent, sondern inmitten des Nordmeers liegt, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereisen, da Wasser eine höhere thermale Pufferwirkung aufweist als Festland . Allerdings wurde durch die rasche Ozeanbodenspreizung des Nordatlantiks im Alttertiär die Meeresverbindung über die Dänemark-Straße zunehmend besser, so daß kaltes Nordpolarwasser zusätzlich zum Aufbau der Psychrosphäre beitragen konnte. Im Norden war es zwar kühler (dadurch auch relativ trocken), aber die Vereisung des Nordpolarmeers und der umliegenden Festlandsgebiete setzte erst im jüngsten Tertiär ein. Ausschlaggebend dafür war die Schließung des Isthmus von Panamá zwischen 4.2 und 2.4 Millionen Jahren. Verursacht wurde dies durch das Wachstum des südlichen mittelamerikanischen Inselbogensystems und dessen Eindriften in die Lücke zwischen Kolumbien und dem nördlichen Nicaragua (an der Erforschung dieser Vorgänge hatte die Arbeitsgruppe des Stuttgarter Instituts für Geologie unter Leitung von H. Seyfried entscheidenden Anteil). Diese Schließung führte zum Aufbau einer Konvektionszelle im Flachwasserbereich der nordöstlichen Karibik und damit zur Ausbildung des Golfstromsystems, welches nun warmes Wasser nach Norden brachte. Die Zufuhr von warmem Wasser in hohe, bereits abgekühlte Breiten setzte die Feuchtigkeit frei, die notwendig war, um Grönland, den Baltischen Schild und das Nordmeer zu vereisen. Zwischenzeitlich hatten sich durch Gebirgsbildungsprozesse in mittleren und hohen Breiten der Nordhalbkugel viele junge Gebirge (Rocky Mountains, Alpen, Himalaya) gehoben. Diese hochaufragenden Gebiete änderten die atmosphärische Zirkulation in einer Weise, daß sich quasi-stationäre Rossby-Wellen bilden konnten, die wiederum für ein regionales Zirkulationsmuster sorgten, welches die für Inlandsvereisungen notwendige Feuchtigkeit auf die Kontinente brachte. Durch ihre Vereisung trugen diese Gebiete dann selbstverstärkend zur weiteren Abkühlung bei. Unter Geochemikern wird zur Zeit auch heftig diskutiert, ob die Anhebung des Tibetischen Plateaus noch aus einem weiteren Grund beachtlichen Abkühlung zur Folge hatte: die weitflächigen, in der Nähe eines warmen Ozeans liegenden Aufbrüche silikatischer Gesteine verschlingen durch die intensiven chemischen Verwitterungsprozesse, die auf ihnen stattfinden, enorme Mengen von atmosphärischem CO2, welches in gelöster Form in die Meere abgeführt wird (25% der Lösungsfracht, die heute die Ozeane erreicht stammt aus diesem Plateau, welches nur 5% der gesamten Kontinentfläche einnimmt). Eine derartige, tektonisch gesteuerte atmosphärische CO2-Abreicherung kann sehr wohl eine entscheidende Rolle beim Übergang von einer eisfreien zu einer vereisten Erde spielen.


Abb.12, 17 kb, JPG Abb. 12: Der zirkumantarktische Ringstrom konnte sich erst nach dem Abdriften Australiens von der Antarktis (etwa vor 35 Mio Jahren) entwickeln. Dieser Kaltwasserstrom führte zur zunehmenden Abkühlung der Antarktis und förderte die Vereisung des Südpols sowie die Entstehung kalten, in niedrigere Breiten abfließenden Tiefenwassers

Die Kühlhausepisode im späten Paläozoikum: eine Begleiterscheinung der Bildung des Superkontinents "Pangäa"

Während der Kühlhausepisode des späten Karbons und Perms lagen die Dinge etwas anders. Ausgedehnte Kontinent-Kontinent-Kollisionen im Zuge der Schließung der Paläotethys führten zur Entstehung des Superkontinents "Pangäa", dem mit Ausnahme von Südostasien alle Kontinente der Erde angehörten. Die Neubildungsrate ozeanischer Kruste war damals gering und der Meeresspiegel auf vergleichbar tiefem Niveau wie heute. Fixierung von CO2 in den ausgedehnten Kohlelagerstätten des Oberkarbons (dazu gehört auch die Kohle des Ruhr- und Saargebiets) erleichterte ebenfalls den Weg zum Kühlhausklima. Der Südpol konnte leicht vereisen, da er auf der Südhälfte von Pangäa lag (diese Südhälfte wird "Gondwana" genannt; sie bestand aus Südamerika, Afrika, Indien, Antarktika und Australien). Der Nordpol lag zuerst im Meer, später in Sibirien und vereiste ebenfalls großflächig. Marine Klimapufferung spielte wegen der enormen Größe des Superkontinents kaum eine Rolle. Tatsächlich waren im Perm nicht nur ausgedehnte Inlandsvereisungen vorhanden; durch die extremen Klimaunterschiede haben sich auch die wohl größten Wüsten und Salzbecken aller Zeiten entwickelt.


Meeresspiegel und biologische Krisen

Die Erdgeschichte zeichnet sich durch viele größere und kleinere biologischer Krisen aus, von denen entweder große Teile ganzer Ökosysteme (Artensterben) oder die Populationen bestimmter Arten (Massensterben) betroffen waren. Viele dieser Krisen sind an Abkühlungsepisoden und damit an einen niedrigen Meeresspiegel gekoppelt. Arten, die an das Leben in vormals heißen niederen Breiten angepaßt waren (zum Beispiel Riffbewohner), waren in der Regel die ersten Opfer einer solchen globalen Temperaturerniedrigung: sie konnten nirgendwohin ausweichen. Zahlreiche wärmeliebende Tiergruppen des flachen Wassers sind so zum Beispiel während der sogenannten "Saharaeiszeit" im oberen Ordovizium ausgestorben; ähnliches geschah während der bereits schon genannten Gondwana-Vereisung im Perm und danach noch einmal gegen Ende des Eozäns im Tertiär, als die kalten polaren Tiefenwässer zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in Umlauf kamen.

Umgekehrt gab es jedoch auch weltweite Aussterbephasen, die allem Anschein nach durch eine mit steigendem Meeresspiegel einhergehende positive Klimaänderung hervorgerufen wurden. Eine solche Situation bestand zum Beispiel während des späten Devons, in dessen Verlauf weltweit Korallenriffe abstarben, trotz eines günstigen, warmen Klimas. Ursache ist nicht etwa das "Ertrinken" dieser Riffe. Wie die raschen und extrem starken Meeresspiegelschwankungen während der gerade zurückliegenden Eiszeiten klar gezeigt haben, können Riffe durch ihr schnelles Höhenwachstum mit praktisch jedem Meeresspiegelanstieg schritthalten. Fatal wirkt sich jedoch aus, wenn sich während einer solchen Streßzeit andere Faktoren zum Ungünstigen ändern: Ein steigender Meeresspiegel bewirkt durch die kleiner werdenden Kontinentalflächen eine zunehmend bessere Pufferung von Klimagegensätzen; aride Klimate werden feuchter, die Temperaturen von hohen und niederen Breiten nähern sich einander an. Das Kleinerwerden oder Verschwinden der Polkappen reduziert die Zirkulation kalten Tiefenwassers und dessen Auftrieb an Westküsten; die globale Wasserumwälzung wird dadurch stark gebremst; in vielen Meeresbereichen kommt es damit zu Sauerstoffmangel und in dessen Gefolge zum Umkippen mariner Ökosysteme. Schwarzschiefer und bituminöse Kalksteine legen sich wie ein Leichentuch über die Korallenriffe. Im Rheinischen Schiefergebirge entspricht der sogenannte "Kellwasserkalk" diesen Ablagerungen aus der Oberdevonzeit. Sauerstoffmangel, wohl in Verbindung mit zu hohen Nährstoffgehalten war im oberen Devon also sehr wahrscheinlich die Ursache für das Aussterben extrem vieler Riffkorallen. Die verbliebenen Korallen brauchten nach dieser Katastrophe fast 150 Millionen Jahre Entwicklungszeit, um wieder erneut als Riffbildner tätig werden zu können.


Ermüdungserscheinungen am Ende einer langen Treibhausepisode

Die durch das Aussterben der Dinosaurier und Ammoniten sehr populär gewordene Krise am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren wurde zwar mit großer Wahrscheinlichkeit durch die verheerenden Folgen des Zusammenpralls eines Asteroiden mit der Erde ausgelöst. Dieser Asteroid soll einen Durchmesser von etwa 10 km besessen haben und im Gebiet der heutigen Halbinsel Yucatán niedergegangen sein. Allerdings hat sich in letzter Zeit immer deutlicher herausgestellt, daß viele Organismengruppen schon einige Zeit vor diesem Ereignis bereits ausgestorben waren. Zum Ende der Kreidezeit hatte die Erde eine 100 Millionen Jahre währende Treibhausepisode hinter sich, die durch ihre schiere Länge das gesamte biologische und hydrologische System des Planeten nivellierte. In diesem Dauertreibhaus entwickelte sich ein extrem differenziertes und durch enorme Nischenaufsplitterung überangepaßtes globales Ökosystem, dessen Erneuerungs- und Diversifizierungsmöglichkeiten am Ende der Kreidezeit einfach ausgereizt waren. Der Aufprall des Himmelskörpers und der dadurch ausgelöste - mindestens zehnjährige - weltumspannende Winter hat dann dieses bereits vorgeschädigte System schlagartig zusammenbrechen lassen. Die auf dieses Massensterben folgende explosive Entfaltung neuer Arten (in der Ökologie wird dies als "adaptive Radiation" bezeichnet) stellte die Innovationsfähigkeit der Biosphäre wieder her und schuf neue, widerstandsfähige Ökosysteme, in denen nun modernere Organismengruppen wie zum Beispiel die Säugetiere oder die Gräser führende Rollen übernahmen.


Meeresspiegel und fossile Brennstoffe

Regionale oder globale Schwarzschiefer-Ereignisse sind zwar durch die ganze Erdgeschichte hindurch mit hohen Meeresspiegelständen korreliert, doch hatten sie eher das Massensterben von Populationen spezialisierter Flachwasserarten und weniger ein umfassendes Artensterben zur Folge. Es handelt sich hier also um eine sehr selektive Störung von Ökosystemen, mit der die Bildung der für den Menschen so wichtigen Erdölmuttergesteine verbunden ist, etwa des sogenannten "Kimmeridge Clay", dem wichstigsten Erdölmuttergestein des Nordseegebiets. Dieser Kimmeridge Clay entstand während des Höchststands des Meeresspiegels im Oberjura, einer Zeit, in der der globale Meeresspiegel ohnehin durchweg schon sehr hoch und das Klima sehr ausgeglichen war. Für die Sommer-Jahreszeiten im Oberjura werden im Unterschied zu den heutigen polaren Hochs (die eher Kältewüsten verursachen) sogar nordpolare Tiefdruckgebiete angenommen (Abb. 12), welche gerade auf der Nordhalbkugel einen sehr starken klimatischen Ausgleich bewirkt haben dürften.

Marine und limnische Küstensümpfe sind das andere wichtige Entstehungsmilieu für fossile Brennstoffe: Kohlen. Diese bildeten sich bevorzugt während der Übergangszeiten von hohem zu niedrigem Meeresspiegel. Sowohl die jüngere Karbonzeit als auch die Tertiärzeit waren Höhepunkte der Kohlebildung. Dem Anschein nach ist also der Beginn einer Vereisungsperiode am Ende einer Treibhausphase der günstigste Moment für die Bildung großer Kohlenlagerstätten; diese Übergangszeiten zeigen häufige Meeresspiegelschwankungen mit kleiner Amplitude und diese wiederum wirken sich offensichtlich stimulierend auf die Produktion pflanzlicher organischer Substanz im Küstenbereich aus.


Abb.13, 25 kb, GIF Abb. 13: Wettervorhersage für einen warmen Sommertag im Oberjura (vor etwa 150 Millionen Jahren). Umrisse der heutigen Kontinente: dünne Linie; ehemalige Kontinentalgebiete: gerasterte Flächen; Ozeane: weiß; Hoch- und Tiefdruckgebiete: H, L. Der durch hohen Meeresspiegel verursachte klimatische Ausgleich bewirkte das Fehlen von Eiskappen und das Auftreten sommerlicher Tiefdruckgebiete am Nordpol. Für die mittlere Oberjura-Zeit wurden folgende durchschnittlichen Klimadaten modelliert: Oberflächentemperatur 20oC (heute 14 oC), Wolkenbedeckung 72% (heute 55%) und Niederschlag 2,6 mm/Tag (heute 2,3 mm/Tag) (nach Oschmann, Sediment. Geol., 69: 313 - 332, 1990)

Meeresspiegel und Riffe

Eine Arbeitsgruppe des Stuttgarter Instituts unter Leitung eines der Autoren (R. Leinfelder) entdeckte während Forschungsarbeiten (im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Globale und regionale steuernde Faktoren biogener Sedimentation") an unterschiedlichen Rifftypen der Oberjura-Meere, daß das Ökosystem "Riff" innerhalb gewisser Grenzen so flexibel reagieren kann, daß es dem "Schwarzschiefertod" unter bestimmten Umständen (und unter Inkaufnahme einer drastischen Verarmung an Arten) entgehen kann. Es stellte sich heraus, daß in vielen Regionen zu Zeiten fallenden Meeresspiegels Riffe überwiegend im höherenergetischen Flachwasser in Form von Korallenriffen auftreten, während in Zeiten steigenden Meeresspiegels Riffe zusätzlich auch im tieferen Wasser in Form von Schwamm-Mikroben-Riffen weit verbreitet sind. Die mit größeren Transgressionen einhergehenden Klimanivellierungen führten jedoch immer wieder zu leichten Sauerstoffmangelbedingungen auch im flacheren Wasser, so daß die "normalen" Rifftypen zeitweise in ihrer Entwicklung sehr stark gebremst wurden. Unter diesen Umständen entwickelte sich aber ein besonders angepaßter Rifftyp, der zwar nur aus Mikrobenkrusten aufgebaut war, aber durchaus ähnliche Ausmaße wie seine höherdiversen Verwandten erreichte (siehe Abb. 13). Auch dieses Beispiel zeigt, daß die mit Meeresspiegelschwankungen einhergehenden Umweltänderungen nicht unbedingt globale Katastrophen für alle Organismengruppen zur Folge haben müssen, sondern meistens selektiv einzelne Ökosysteme unter Streß setzen.


Abb.14, 20 kb, GIF Abb. 14: Die unterschiedliche Organismenvergesellschaftung und Verteilung oberjurassischer Riffe von Spanien und Portugal ist teilweise durch Meeresspiegelschwankungen und deren klimatische Auswirkungen gesteuert. Bei niedrigem Meeresspiegel (oben) wuchsen nur korallenreiche Flachwasserriffe; im tieferen Wasser war die Sedimentationsrate zu hoch. Bei ansteigendem Meeresspiegel (Mitte) war die Sedimentationsrate herabgesetzt, so daß unterschiedliche Rifftypen (Korallen-, Kieselschwamm- und Mikrobenriffe) in unterschiedlicher Wassertiefe entstehen konnten. Bei starken Meeresspiegelanstiegen (unten) ergab sich eine zusätzliche Klimanivellierung, welche zu herabgesetztem Wasseraustausch führte. Mikrobenkrusten-dominierte, an herabgesetzte Sauerstoffkonzentrationen angepaßte Riffe wuchsen deshalb bereits im relativ flachen Wasser und verdrängten hier andere Rifftypen (Forschungsprojekt Leinfelder).

Meeresspiegelschwankungen und der Kohlenstoffzyklus

Meeresspiegelschwankungen und damit einhergehende klimatische Schwankungen höherer Ordnung werden offensichtlich ganz überwiegend durch Prozesse der Plattentektonik gesteuert. Die Ursachen für Meeresspiegelschwankungen kürzerer Dauer und geringeren Ausmaßes sind jedoch sehr komplexer Natur. Bislang sind die Pufferkapazitäten von Ozeanen, Riffen und Karbonatplattformen bzw. von Wäldern und Tundren nur sehr ungenügend erforscht. Dem Anschein nach können alle diese Systeme sowohl als Quelle als auch als Depot für Kohlenstoff dienen, was ihre Bedeutung als Klimapuffer unterstreicht.

Die Fixung von Kohlenstoff in lebender Materie terrestrischer pflanzlicher Ökosysteme stellt ein kurzfristiges Kohlenstoffdepot dar. Werden jedoch Kohlen gebildet, wird Kohlenstoff sehr langfristig (über viele Jahrmillionen bis Hunderte von Jahrmillionen) aus dem Kreislauf genommen. In aktiven planzlichen Ökosystemen wird jedoch auch laufend Kohlendioxid bei der Verrottung von Pflanzen aus dem Boden freigesetzt, so daß diese Systeme gleichzeitig eine Kohlendioxidquelle darstellen. Kohlenstoffbindung und -abgabe können im Gleichgewicht stehen oder nicht.

Noch weniger bekannt ist, in welcher Weise Karbonatplattformen den Kohlenstoffzyklus beeinflussen. Die Fixierungsrate von Kohlenstoff in organischer Materie ist in Korallenriffen niedrig (ca. 20x1012 g Corg/Jahr Nettoproduktion), die Kohlenstoffbindung in der biologisch gesteuerten Kalkbildung ist jedoch weit höher und stellt einen wesentlichen Faktor in der globalen Kohlenstoffbilanz dar. Durch das Korallenwachstum wird einerseits Kohlendioxid in das Kalkskelett (bestehend aus CaCO3) eingebaut, andererseits aber auch Kohlendioxid an das Wasser abgegeben. Kurzfristig gesehen stellen lebende Korallenriffe deshalb eine gewisse Kohlendioxidquelle dar. Vereinfacht gesagt geht die Karbonatausscheidung von gelöstem HCO3- aus. Dabei werden für jedes mol CO2, welches als Karbonat abgelagert wird, 0,6 mol CO2 ins darüberliegende Flachwasser freigesetzt. Bei der Abscheidung verändert sich der pH-Wert des Wassers, so daß dieses CO2 nicht wieder in Lösung geht, sondern in die Atmosphäre entweicht. Langfristig jedoch wird Kohlendioxid tatsächlich aus dem Kohlenstoffzyklus abgeführt und in Kalksedimenten gespeichert. Riffwachstum bewirkt damit eine teilweise Verlagerung von im Wasser gelösten Kohlendioxid sowohl in die Atmosphäre als auch in die Lithosphäre. Innerhalb von Karbonatplattformen scheidet sich Kalk jedoch nicht nur in Korallenriffen ab. Karbonate arider Gezeitenbereiche etwa werden auch enzymatisch durch Bakterien und Cyanobakterien gebildet und stellen damit möglicherweise Kohlenstoffdepots dar.

Die Verkarstung aufgetauchter Karbonatplattformen schließlich ist teils ein Puffermechanismus, langfristig jedoch eine indirekte Kohlendioxidquelle. Zur Auflösung von Karbonat wird zunächst einmal atmosphärisches Kohlendioxid (in Form von in Regenwasser gelöster Kohlensäure) benötigt. Durch Kalklösung andererseits wird jedoch Kohlendioxid ebenfalls in gelöster Form frei, welches teilweise in die Atmosphäre entweichen kann oder im Meer die Gleichgewichtssysteme verändert.

Das Meer stellt den wichtigsten Kohlendioxidpuffer überhaupt dar. Dies wird durch die geschätzen Anteile im jährlichen Kohlenstoffzyklus deutlich: durch Verbrennen fossiler Brennstoffe sowie durch die Abholzung und Brandrodung von Regenwäldern produziert der Mensch etwa 8 Gigatonnen Kohlenstoff jährlich. Diese werden "kompensiert" durch eine zusätzliche Kohlenstoffaufnahme von 4 Gigatonnen/Jahr in der Atmosphäre (Anstieg der CO2-Konzentration), 2 Gigatonnen/Jahr durch Absorption in der Biospäre und 2 Gigatonnen/Jahr durch Lösung in den Ozeanen, wobei der letzte Wert nur eine sehr grobe, mit vielen Unsicherheiten behaftete Schätzung darstellt. Die tiefen Bereiche der Ozeane stellen mit etwa 35-38x1015 Tonnen Kohlenstoff das größte Kohlenstoffreservoir überhaupt dar. Der in den Meeren gelöste Kohlendioxidgehalt ist 60 mal höher derjenige der Atmosphäre. Was wird geschehen, wenn wegen klimatischer Nivellierungen die gasreiche, kalte Psychrosphäre verschwinden sollte? Wird Kohlendioxid zuerst verzögert, dann jedoch katastrophal schnell in die Atmosphäre entweichen oder wird die biologische Kohlenstoffpumpe aktiver sein und eine Schwarzschieferbildung einleiten? Beide Aussichten sind nicht besonders erfreulich.

Nicht von der Hand zu weisen ist die Möglichkeit, daß sich solche Schwankungen und die mit ihnen verbundenen Klimafluktuationen sogar teilweise von selbst regeln. Ein vereinfachtes, zur Zeit noch nicht quantifizierbares Modell wäre folgendes: Steigender Meeresspiegel führt durch Abnahme der marinen Wasserumwälzung zu weltweiter Schwarzschieferbildung. Damit wird dem direkten Kohlenstoffkreislauf extrem viel CO2 in Form der organischen Substanz im Sediment entzogen. Die damit verbundene Abnahme des Treibhauseffekts führt zu Klimaakzentuierung, zur Bildung bzw. Vergrößerung von Eiskappen an den Polen und damit zum Meeresspiegelrückgang. Riffe bilden sich nun bevorzugt in den arideren Bereichen; sie bewerkstelligen einen Nettoverlust von CO2, da sie dem System zunehmend CO2 durch Einbau in Kalkstein (CaCO3) entziehen. CO2 wird auch durch die Verwitterung silikatreicher, zunehmend trockenfallender Gesteine verbraucht und kann damit den Meeresspiegelrückgang verstärken. Diese CO2 Puffer können ein kühles Klima über längere Zeit stabilisieren. Allerdings wird der Meeresspiegelrückgang dann zunehmend ältere Karbonatplattformen trockenlegen, welche durch Verkarstung wiederum CO2 freigeben und den Treibhauseffekt wieder ankurbeln. Die dadurch neugeschaffenen weiten marinen Flächen bringen einen zunehmenden "maritimen" Treibhauseffekt mit sich. Das Klima wird sich nivellieren, die Psychrosphäre wird verschwinden und CO2 wird wieder zunehmend in die Atmosphäre umgelagert. Der Meeresspiegel wird dadurch weiter steigen, Riffe und Karbonatplattformen werden durch ihre Pufferwirkung das entstandene Treibhausklima wieder über längere Zeit beständig halten. Durch zunehmende Klimanivellierung und Herabsetzung ozeanischer Zirkulation kann es aber dann irgendwann erneut zur Schwarzschieferbildung kommen und das Spiel beginnt von neuem. Einen Beweis, daß dieses einfache Modell tatsächlich in der Erdgeschichte auch verwirklicht ist, können wir bislang allerdings noch nicht antreten. Wir halten es jedoch für wahrscheinlich, daß Meeresspiegelschwankungen niederer Ordnung zumindest zeilweise durch derartige autozyklische Vorgänge geregelt werden können.


Schlußfolgerungen

Die aus der Erdgeschichte zu ziehenden Lehren sind zahlreich. Die erste Lehre ist eine Lektion in Bescheidenheit: Meeresspiegelschwankungen und die damit verbundenen klimatischen Veränderungen sind Bestandteil eines Regelkreises, in dem Lithosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre, Biosphäre und Atmosphäre vernetzt sind. Die Wechselwirkungen zwischen den steuernden Faktoren und die autozyklische Natur gewisser Vorgänge sind so komplex, daß sie im Augenblick allenfalls qualitativ beschrieben werden können. Jeder Eingriff in dieses System erhöht das Risiko einer chaotischen Reaktion. Unser Verhalten heute unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Leute in den späten Vierziger und frühen Fünfziger Jahren, als strahlende Werbespot-Gesichter löffelweise DDT verspeisten, um zu bewiesen, wie harmlos es ist.

Die zweite Lehre ist die Erkenntnis, daß die natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche so langsam ablaufen, daß sie, für sich allein genommen, selbst in Jahrtausenden weder den Fortbestand der (schon von Natur aus enorm anpassungsfähigen) Menschheit noch die Existenz der augenblicklichen Ökosysteme gefährden würden.

Dritte Lehre: Die Regelprozesse und Pufferungsmechanismen unserer Erde sind vielfältig und mächtig, aber endlich in ihrer Elastizität. Wird ein Puffer (etwa die CO2-Aufnahmefähigkeit der Weltmeere) bis an seine Grenzen beansprucht, so kann der Umschwung zum neuen Gleichgewichtszustand unter Umständen sehr rasch erfolgen.

Vierte Lehre: Unsere Erde befindet sich augenblicklich in einer Kühlhaus-Episode, der Meeresspiegelstand ist enorm niedrig, die Eiskappen sind groß, das Nordmeer ist vereist, die Geschwindigkeit der Ozeanspreizung ist mäßig. Entweder stehen wir am Ende der känozoischen Kühlhaus-Episode oder wir leben in einer Zwischeneiszeit (Abb. 14). Das Risiko schneller (unter Umständen auch chaotischer) Veränderungen ist in einer solchen Situation schon von Natur aus ziemlich groß.

Fünfte Lehre: Bis vor kurzem befanden sich die CO2-Puffer unserer Erde noch in optimalem Zustand: Regenwälder, Riffe und Karbonatplattformen hatten eine gewaltige Kapazität, CO2 zu fixieren und bei Bedarf auch wieder abzugeben. Sobald wir es geschafft haben, die Regenwälder und Riffe vollends zu zerstören, berauben wir uns eines bewährten und sehr effizienten natürlichen Kontrollmechanismus.

Sechste Lehre: Der CO2-Gehalt unserer Atmosphäre ist unterwegs in Richtung auf Werte, wie wir sie aus der Treibhauszeit der Kreide mit ihrem fast 300 Meter höheren Meeresspiegel kennen. Dies läßt einen mit Spannung in die Zukunft blicken. Werden die steigenden Meere den Treibhauseffekt - etwa durch zusätzliche Wasserverdunstung (Wasserdampf ist heute schon für knapp die Hälfte des Treibhauseffekts verantwortlich)- noch weiter anheizen oder gibt uns das Meerwasser mit seiner enormen Aufnahmekapazität an Gasen nochmals eine weitere Gnadenfrist ? Sterben die Riffe den "Schwarzschiefertod", wenn die Pufferkapazität des Meerwassers überschritten ist ? Steigt der Treibhauseffekt dann exponentiell an ? Wie lange dauert es von dort bis zur Auslösung der gegenläufigen Entwicklung ?


Epilog: Meeresspiegel und Mensch

Ist alles vielleicht ein Sturm im Wasserglas? Wird es vielleicht überhaupt keinen längerfristigen Meeresspiegelanstieg geben, weil das von uns in die Stratosphäre geblasene SO2 kompensierend wirkt ? Oder wäre nicht etwa eine Klimanivellierung durch Meeresspiegelanstieg sogar wünschenswert, weil eine höhere Niederschlagsrate etwa in der Sahelzone eine Lösung vieler menschlicher Probleme bedeutet?

Eines ist sicher: Die vielfältige Vernetzung der Ursachen läßt keine genaue, etwa auf Länder oder Zeitablauf bezogene Vorhersage von Meeresspiegelanstieg und Klimaänderung zu. Irgendwann vielleicht würden Gebiete wie Bangla Desh oder Holland, Florida oder Norddeutschland verschwunden sein. Gäbe es dafür eine Kompensation durch das Fruchtbarwerden der Sahara oder das Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien ? Welche Konflikte bringen die dann unausbleiblichen Völkerwanderungen mit sich ? Am übelsten würde es natürlich aussehen, wenn der Golfstrom im Zuge eines Meeresspiegelanstiegs verschwände, weil der Isthmus von Panamá wieder geflutet würde; allerdings ist dieser Fall sehr unwahrscheinlich. Immerhin lohnt es sich aber, zu vorherzusagen, daß es bei uns dann nicht wärmer, sondern kälter (und trockener) würde.

Sicher ist auch, daß man sich von einem klimatischen Ausgleich in Richtung auf einen neuen Gleichgewichtszustand nicht die Aussicht auf einen Spaziergang unter Palmen an einem Strand in Alaska versprechen sollte. Der Übergang würde nicht kontinuierlich, sondern über eine extrem oszillierende und chaotische Übergangsphase unbekannter Dauer ablaufen. Bevor sich die heutigen Zirkulationssysteme auflösten und zu stabilen neuen Systemen umbildeten, wäre noch allerhand abzuwettern.

Man kann sich zu diesem Problem natürlich auch stellen wie die Autofahrer mit ihren Aufklebern: "Mein Auto fährt auch ohne Wald". Allerdings sollten auch diese Hartgesottenen erkennen, daß die Erde keine Autofahrer braucht, um weiterzuexistieren. Bei Lichte besehen sind weder die Erde noch die Biosphäre auf uns angewiesen. Vielleicht freuen sich die beiden sogar schon klammheimlich auf das nächste Massensterben, wenn wir, wie Henno Martin sagt, in die Falle zu großen Erfolgs hineinrennen, denn danach ist ja wieder eine erfrischende adaptive Radiation neuer Arten fällig ... .

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