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National Environmental Policies

NATIONALE UMWELTPOLITIKEN IN GLOBALER PERSPEKTIVE -
ERGEBNISSE EINER STUDIE FÜR DIE UN-UNIVERSITÄT:

Martin Jänicke/Helmut Weidner (eds.) (in coll. with Helge Jörgens):
National Environmental Policies:
A Comparative Study of Capacity-Building,
Berlin, Heidelberg, New York etc. 1997: Springer-Verlag.

Kurzfassung

In den letzten 25 Jahren ist die umweltpolitische Handlungsfähigkeit (Kapazität) der Industrieländer wie auch der Entwicklungsländer bemerkenswert angestiegen. Die Internationalisierung von Umweltpolitik hat hieran einen wesentlichen Anteil. Entgegen allgemeiner Meinung spielt die Globalisierung hier eine positive, den nationalen Umweltschutz stützende Rolle.

Dies ist das Kernergebnis einer Studie für die UN-Universität und das BMBF. Die von der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der FU Berlin und dem Wissenschaftszentrum Berlin vorgelegte Untersuchung besteht aus 13 nationalen Fallstudien und einem statistischen Überblick über 35 Länder.

Im einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild:

· In allen erfaßten 35 Ländern bestehen heute Umweltministerien oder nationale Umweltagenturen. Kennzeichnend an der Expansion des neuen Politikfeldes ist, daß in fortgeschrittenen Ländern Umweltabteilungen inzwischen auch in anderen Ministerien und Verwaltungen geschaffen wurden. Der in den Industrieländern mit der Stockholmer Umweltkonferenz von 1972 eingeleitete Prozeß vollzog sich in Entwicklungsländern mit einer Zeitverzögerung von etwa 15 Jahren.

· Die Studie zeigt - neben der Ausweitung staatlicher Handlungskapazitäten - einen auffälligen Bedeutungszuwachs und eine zunehmende globale Vernetzung nichtstaatlicher Akteure:

- Umweltverbände in hochentwickelten Ländern haben eine Mitgliedschaft, die die der Parteien oft übertrifft; in der Schweiz kommt die Zahl ihrer Mitglieder derjenigen der Gewerkschaften nahe, in den Niederlanden liegt sie sogar darüber. Die Fachkompetenz der Umweltverbände hat ebenso zugenommen wie ihre Einbeziehung in nationalstaatliche Willensbildungsprozesse oder ihre Bedeutung im internationalen Kontext.

- Die Umweltberichterstattung der Medien hat eine ähnlich hohe Bedeutung. In den entwickelten Industrieländern haben die großen Zeitungen spezielle Umweltredaktionen. Selbst in Nigeria war es die Presse, die 1988 einen illegalen Sondermüllimport aufdeckte und damit das Startsignal für grundlegende Einrichtungen des Umweltschutzes gab.

- Umweltorientierte Unternehmen und ihre Organisationen spielen in allen untersuchten Ländern eine Rolle, in den entwickelten Industrieländern haben sie einen erheblichen Stellenwert erlangt.

- Wachsende Bedeutung hat die Wissenschaft. Für erfolgreiche Maßnahmen ist sie unerläßliche Voraussetzung. Oft wird sie auch mit eigenen nationalen und internationalen Politiknetzwerken wirksam.

· Die Studie stellt eine Globalisierung von Umweltpolitik fest, die als Prozeß des Politiklernens (policy learning) beschrieben werden kann. Obwohl die Untersuchung nur die nationale Entwicklung untersuchte, stieß sie ständig auf globale Einflüsse. Dabei ist die Nachahmung von Erfolgsfällen ebenso von Bedeutung wie die Diffusion von Politikmustern durch das UN-System oder die OECD. Zunehmend tragen auch die globalen Netze internationaler Umweltverbände, der Medien, der Wissenschaft und der "grünen" Unternehmensorganisationen zur Entwicklung umweltpolitischer Handlungskapazitäten bei.

· Folge ist eine Tendenz zur globalen "Politikangleichung" (policy convergence). Nationale Umweltinstitutionen und -gesetze sind zunehmend beeinflußt durch globales Politiklernen. Dies gilt auch für den Wandel des vorherrschenden Politikmusters: Staatliche Ge- und Verbote sind am Anfang ebenso verbreitet wie die Hochschornsteinpolitik. Der Wandel hin zu weicheren Instrumenten und zukunftsfähigeren Lösungen erfolgt ebenso im internationalen Maßstab wie etwa die Einführung nationaler Umweltpläne im Sinne der Agenda 21.

· Marktkonforme Instrumente wie Umweltsteuern und Abgaben spielen noch eine geringe, wenngleich zunehmende Rolle. Paradoxerweise sind sie weniger in liberalen Volkswirtschaften wie der amerikanischen oder britischen als in Ländern verbreitet, in denen der Staat eine stärker interventionistische Rolle spielt: die skandinavischen Länder, Süd-Korea und Rußland (das seine zahlreichen Umweltabgaben aber nicht wirksam durchsetzen kann).

· Insgesamt unterscheiden sich die Länder weniger durch das vorherrschende Muster der Umweltpolitik als durch die Handlungsmöglichkeiten und die Politikresultate. China und Rußland haben beispielsweise ein umfassendes Regelwerk des Umweltschutzes, die Probleme liegen in der Fähigkeit zur Umsetzung.

· Bestehende rechtliche und institutionelle Handlungsmöglichkeiten der Umweltpolitik sind nur in wenigen Fällen wieder eingeschränkt worden. In den USA unter Ronald Reagan, in Großbritannien unter Margret Thatcher. In Deutschland gab es - unter anderem durch die Beschleunigungsgesetze - nach 1994 eine ähnliche Entwicklung.

· Häufig kann von einer Unterforderung bestehender Handlungsmöglichkeiten gesprochen werden: dies gilt für schwache Minister ebenso wie für konfliktscheue Unweltverbände. Wille und Geschick in der Nutzung bestehender Möglichkeiten und situativer Einflußchancen haben im Umweltschutz offenbar eine hohe Bedeutung. Der subjektive Faktor der Umweltpolitik darf demnach nicht unterschätzt werden.

· Die Studie verweist jedoch auch auf die engen Grenzen der entstandenen Handlungsfähigkeiten: Selbst in den entwickelten Industrieländern reichen sie nur aus für technische Standardlösungen des Umweltschutzes wie Filtertechnik, Abfallbeseitigung, Gefahrstoffsubstitution. Sie sind jedoch unzureichend gegenüber schleichenden Umweltverschlechterungen, die eine geringe Politisierbarkeit, eine starke Basis der Verursacher und/oder das Fehlen von profitablen Standardlösungen aufweisen. Beispiele sind der Bodenschutz, die Stabilisierung des Flächenverbrauchs, der Klimaschutz oder die Abfallvermeidung. Ökologisch nachhaltige Entwicklung betrifft die Lösung eben dieser Langzeitprobleme. Hier ist erweist sich eine weitere Kapazitätsbildung als unerläßlich.

· Ansätze für einen solchen Ausbau umweltpolitischer Kapazitäten finden sich in einer Reihe von Ländern:

- Der niederländische Nationale Umweltpolitikplan (NEPP) stellt einen umfassenden Versuch dar, langfristige Ziele für eine ökologisch tragfähige Entwicklung zu setzen. Die Formulierung der Ziele geschieht auf breiter politischer und gesellschaftlicher Basis und für die Umsetzung wurde ein komplexes System von Verhandlungslösungen mit einzelnen Verursacherbranchen entwickelt. Ein Großteil der in der Studie betrachteten 35 Länder hat inzwischen die eine oder andere Form von langfristiger und kooperativer Umweltplanung eingeführt. In vielen Fällen fungierte der niederländische NEPP dabei als Anstoß oder als Modell.

- Die in Dänemark vorgenommene Eingliederung des Energieministeriums in das Umweltministerium kann als Beispiel für eine ökologisch sinnvolle Form der administrativen Neustrukturierung - vor allem im Hinblick auf eine effektivere Klimaschutzpolitik - angesehen werden.

Die Studie legt die Schlußfolgerung nahe daß die globale Ebene des Umweltschutzes eine Eigendynamik entwickelt hat. Sie wird nicht nur von den internationalen Netzwerken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure getragen. Wesentlichen Einfluß hat auch das Auftauchen immer neuer Vorreiterländer. In den 1960er Jahren war dies Großbritannien (Smogbekämpfung), in den 1970er Jahren die USA, Schweden und Japan. Deutschland hat im Laufe der 80er Jahre eine internationale Vorreiterposition (auch auf dem Weltmarkt der Umwelttechnik) erreicht, diese aber nach den Bundestagswahlen 1994 faktisch aufgegeben. Seit Ende der 1980er Jahre gehen innovative Impulse für die internationale Umweltpolitik vor allem von den Niederlanden und Dänemark aus. In Zukunft dürften diese Rolle auch Schwellenländer spielen. Südkorea hat diesen Anspruch bereits 1995 in seinem Umweltplan ausdrücklich angemeldet.

 

Das Buch kostet 98,- DM, ist gebunden und hat die ISBN Nr. 3-540-61519-9.

Kontakt:

Prof. Dr. Martin Jänicke
Dipl.-Pol. Helge Jörgens

Freie Universität Berlin
Fachbereich Politische Wissenschaft
Forschungsstelle für Umweltpolitik
Schwendenerstr. 53
D-14195 Berlin
Tel: (030) 838 50 98
Fax: (030) 831 63 51

Dr. Helmut Weidner

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Abteilung Normbildung und Umwelt
Reichpietschufer 50
D-10785 Berlin
Tel: (030) 25 491-269
Fax: (030) 25 491-254