"80jähriger Diamant", taz vom 6.8.88
Der Artikel zum 80. Geburtstag des deutschen Sozialisten Max Diamant
birgt
eine nicht unwesentliche Fehlinformation. Nach Angaben des Redakteurs
war Max
Diamant von 1924 bis 1927 als Vertreter der Sozialistischen
Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) in der Sowjetunion tätig. Abgesehen
von
der unwahrscheinlichen Tatsache, daß eine Partei erst gerade
16jährige
Mitglieder als offizielle Vertreter ins Ausland schickt, ist diese
Behauptung
eine historische Unmöglichkeit, denn die SAP wurde erst auf der
Reichskonferenz oppositioneller Sozialdemokraten im Oktober 1931 in
Berlin
gegründet.
Ich vermute daher, daß Max Diamant sich als Anhänger der
"Klassenkampf"-Gruppe unter Paul Levi - die sich nach der gleichnamigen,
u.a.
von dem Austromarxisten Max Adler und von dem Linkssozialisten und
späteren
Vorsitzenden der SAP Max Seydewitz herausgegebenen Zeitschrift nannte
- in
der Sowjetunion tätig war.
Für die SAP spielte Max Diamant später eine Rolle, zum einen
als Vorsitzender
des SAP-Bezirkes Baden, des weiteren als Verteidiger der Rechte der
innerparteilichen Opposition und Verfechter der Prinzipien der
innerparteilichen Demokratie bzw. Diskussionsfreiheit und nicht zuletzt
als
Vertreter der SAP im spanischen Bürgerkrieg. Den Kampf in Spanien
führte er
innerhalb der unabhängigen POUM - für die George Orwell an
der Front kämpfte
- unter dem Namen Hans Diesel, den er sich als von den deutschen Faschisten
Verfolgter in der Emigration zulegte. Zu dieser Zeit war die SAP in
Deutschland allerdings als Organisation von den deutschen Faschisten
bereits
zerschlagen und versuchte vom Ausland den illegalen Widerstandskampf
gegen
den Hitler -Faschismus zu organisieren.
Der zweite Versuch demokratischer Sozialisten, sich in einer Partei
jenseits
der KPD mit ihren Absplitterungen und der unentschlossenen SPD zu gründen,
schlug dieses mal nicht fehl aufgrund der Tatsache, daß die Partei
wie
seinerzeit die Massenorganisation USPD zwischen KPD und SPD aufgerieben
worden wäre, sondern erlitt 1933 mit ihrem Verbot dasselbe Schicksal
wie alle
Parteien in Deutschland, deren Vertreter
-soweit sie nicht mit der NSDAP konform gingen - verfolgt, verhaftet
und
ermordet wurden. Verschiedene Versuche nach dem Zweiten Weltkrieg an
linkssozialistische Traditionen aus der Zeit der Weimarer Republik
wieder
anzuknüpfen, scheiterten trotz erfolgter Neukonstitution und neu
erfolgter
Parteigründung (zum Beispiel der UAPD) an dem antikommunistischen
und
antisozialistischen Klima in den fünfziger Jahren während
des "Kalten
Krieges", das für differenzierte und dezidiert sozialistische
Standpunkte
keinen Raum ließ. Weitergehende Informationen finden sich in
dem
ausführlichen Buch von Hanno Drechsler mit dem Titel: Die
Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD).
Stephan Käppler