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TAZ vom 12.08.1988 Seite 21
 

"80jähriger Diamant", taz vom 6.8.88
 

Der Artikel zum 80. Geburtstag des deutschen Sozialisten Max Diamant birgt
eine nicht unwesentliche Fehlinformation. Nach Angaben des Redakteurs war Max
Diamant von 1924 bis 1927 als Vertreter der Sozialistischen
Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) in der Sowjetunion tätig. Abgesehen von
der unwahrscheinlichen Tatsache, daß eine Partei erst gerade 16jährige
Mitglieder als offizielle Vertreter ins Ausland schickt, ist diese Behauptung
eine historische Unmöglichkeit, denn die SAP wurde erst auf der
Reichskonferenz oppositioneller Sozialdemokraten im Oktober 1931 in Berlin
gegründet.

Ich vermute daher, daß Max Diamant sich als Anhänger der
"Klassenkampf"-Gruppe unter Paul Levi - die sich nach der gleichnamigen, u.a.
von dem Austromarxisten Max Adler und von dem Linkssozialisten und späteren
Vorsitzenden der SAP Max Seydewitz herausgegebenen Zeitschrift nannte - in
der Sowjetunion tätig war.

Für die SAP spielte Max Diamant später eine Rolle, zum einen als Vorsitzender
des SAP-Bezirkes Baden, des weiteren als Verteidiger der Rechte der
innerparteilichen Opposition und Verfechter der Prinzipien der
innerparteilichen Demokratie bzw. Diskussionsfreiheit und nicht zuletzt als
Vertreter der SAP im spanischen Bürgerkrieg. Den Kampf in Spanien führte er
innerhalb der unabhängigen POUM - für die George Orwell an der Front kämpfte
- unter dem Namen Hans Diesel, den er sich als von den deutschen Faschisten
Verfolgter in der Emigration zulegte. Zu dieser Zeit war die SAP in
Deutschland allerdings als Organisation von den deutschen Faschisten bereits
zerschlagen und versuchte vom Ausland den illegalen Widerstandskampf gegen
den Hitler -Faschismus zu organisieren.

Der zweite Versuch demokratischer Sozialisten, sich in einer Partei jenseits
der KPD mit ihren Absplitterungen und der unentschlossenen SPD zu gründen,
schlug dieses mal nicht fehl aufgrund der Tatsache, daß die Partei wie
seinerzeit die Massenorganisation USPD zwischen KPD und SPD aufgerieben
worden wäre, sondern erlitt 1933 mit ihrem Verbot dasselbe Schicksal wie alle
Parteien in Deutschland, deren Vertreter

-soweit sie nicht mit der NSDAP konform gingen - verfolgt, verhaftet und
ermordet wurden. Verschiedene Versuche nach dem Zweiten Weltkrieg an
linkssozialistische Traditionen aus der Zeit der Weimarer Republik wieder
anzuknüpfen, scheiterten trotz erfolgter Neukonstitution und neu erfolgter
Parteigründung (zum Beispiel der UAPD) an dem antikommunistischen und
antisozialistischen Klima in den fünfziger Jahren während des "Kalten
Krieges", das für differenzierte und dezidiert sozialistische Standpunkte
keinen Raum ließ. Weitergehende Informationen finden sich in dem
ausführlichen Buch von Hanno Drechsler mit dem Titel: Die
Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD).

Stephan Käppler

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