NACHRUF

Der Baß,  Mitbegründer und Leader des 'Golden Gate Quartet',

Orlandus "Dad" Wilson
ist am 31. Dezember 1998 in Paris im Alter von 81 Jahren verstorben.

Zuvor hatte er sich bereits im Oktober 1998 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe gesetzt.

Wilson war mit seinem nicht sonderlich voluminösen, aber ungemein rhythmischen Gesangsstil neben John C. Mills (von den 'Mills Brothers') stilbildend für die Rolle des Baß-Sängers im modernen Vokalgruppengesang. Zugleich hat er als Arrangeur der 'Golden Gates' unzählige traditionelle Gospels und Spirituals wiederbelebt,  neuen Hörerschaften zugeführt und damit zu bewahren geholfen.

Über 50 Jahre war er bei den 'Golden Gates' und ist damit zwangsläufig dienstältestes Mitglied einer Profigesangsgruppe überhaupt gewesen. Mit dem Quartett vollzog er in den 50er Jahren die Übersiedlung von den USA nach Paris. Auf unzähligen Tourneen und Konzerten rund um die Welt konnte man Wilsons sympathische Bühnenperformance über Jahrzehnte hinweg genießen. Noch in hohem Alter nahm er, gemeinsam mit seinem Neffen Paul Brembly (Bariton), die Strapazen einer Umbildung des Ensembles auf sich, nachdem seine langjährigen Weggefährten Clyde Riddick und Clyde Wright ausgeschieden waren (1995).

Unmittelbar nach dem letzten Konzert der 'Golden Gates' in Berlin, am 11. November 1997, konnte ich (gemeinsam mit Markus von den 'Barbershop Boys') ein längeres Gespräch mit Orlandus Wilson im Foyer der HdK führen. Dabei machte er - wie auch schon bei früheren Gelegenheiten (s.u.) - einen ausgesprochen vitalen und rüstigen Eindruck, erzählte uns u.a.von dem Einfluß des Barbershop-Gesangs auf die 'Gates' in ihrer Frühphase, von seiner Verehrung der 'Mills Brothers' (und seiner Ehrenmitgliedschaft in der zu deren Gedenken existierenden "Mills Brothers Society")  und davon, daß es einige wenige veröffentlichte Arrangements der 'Golden Gates' gebe, die er uns zuzusenden versprach. Hierzu, wie auch zu einem von unserer Seite geplanten, ausführlicheren Gespräch mit ihm anläßlich eines etwaigen zukünftigen Auftritts der 'Gates' in Berlin, ist es nun nicht mehr gekommen.

Orlandus Wilson am 12.10.1991 in Berlin (mit zwei störenden Fans), 
und eine bei seinem letzten Berlin-Konzert am 11.11.1997 signierte CD von ihm und seinen 'Golden Gates'

Zunächst war unklar, inwieweit dieser Einschnitt das Ende des 'Golden Gate Quartet' bedeuten, oder ob die Gruppe, neuformiert, in Zukunft wieder auftreten würde. (In dieser Phase wie ganz allgemein zeigte sich die mangelnde Kontaktfreudigkeit, um das einmal ganz höflich auszudrücken, des französischen Managements als äußerst nachteilhaft.)

1999 starb weiterhin der bereits seit 1994 im Ruhestand befindliche alte Weggefährte von Orlandus Wilson, Clyde Riddick, der dem Ensemble 54 Jahre angehörte (zum Vergleich: Wilson 62 Jahre!).

AKTUELL - DAS GGQ NACH ORLANDUS WILSON:

Doch es gibt sie noch -- schon 1999 gingen sie wieder wieder auf Tour, unter der Leitung von Paul Brembly, als Hüter des Vermächtnisses seines Onkels, mit ihrem neuen Baß Terry François aus Martinique. 

Doch es bleib eine Phase des Übergangs - Charles West wurde schon bald ersetzt. Hierfür holte Paul Brembly niemand geringeren als den alten GGQ-Weggefährten Clyde Wright als musikalischen Leiter zurück ins Ensemble. Wright, mittlerweile auch schon 71 Jahre alt, trat damit seine dritte Periode beim GGQ an (1954-1971, 1985-1994, und nun seit 2000), dem er nunmehr insgesamt auch schon 30 Jahre angehört (zum Vergleich: Paul Brembly 32 Jahre), während er in den Interphasen auf erfolgreiche Schaffensphasen als Solist zurückblicken kann.

Clyde Wright versuchte in den letzten Jahren, zusammen mit seinem Sohn Denver Wright als Arrangeur und unterstützt von Paul Brembly, dem GGQ neue Klangnuancen und musikalische Ufer zu erobern. Einflüsse von zeitgenössischem Rap und heutigem Rhythm & Blues finden Eingang und führen zu einer deutlich veränderten Präsentation und Neuausrichtung des GGQ.
- Ein "spektakuläres Lifting", wie es die neuen Produzenten nennen.

Eine neue (in Raleigh/USA produzierte) CD dieser Prägung ist 2002 für das französische FREMEAUX-Label erschienen und gerade (Anfang 2003) in den deutschen Schallplattenhandel gekommen. In der Tat ein ebenso ungewöhnliches wie interessantes Ergebnis. Der Traditionalist unter den GGQ-Fans wird allerdings irritiert oder gar enttäuscht sein:  Unter dem Inkorporieren von Background-Chören, Rap-Elementen, ungewohnt prominenter Rhytmus-Band und den bereits aus den 90er leidlich bekannten Billig-Synthesizer-Begleitklängen sowie durch eine völlig veränderte Aufgabenverteilung zwischen Solist (Clyde Wright) und Background drohen ganz wesentliche Errungenschaften des GGQ verloren zu gehen oder zumindest in den Hintergrund gedrängt zu werden - der einzigartige, ebenso gefühlvolle wie akzentuierte Harmoniegesang.