Die Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen

Werner Busch: Die englische Kunst des 18. Jahrhunderts

Teil 1: William Hogarth

Exkurs: Gestik und Mimik des Bildpersonals


Wie bereits erwähnt, fungieren auch Gestik und Mimik des Bildpersonals bei Hogarth als beredter Ausdruck sozialer Unterschiede, betrachten wir nur einmal die beiden Väter beim Aushandeln des Ehevertrags.

Die Charakterisierung der unterschiedlichen Stände konnte bereits zu Hogarths Zeit auf eine lange Tradition zurückblicken, wie ein Blatt aus Gérard de Lairesses "Het Groot Schilderboek" zeigt. Das "Schilderboek" erschien zuerst 1707 in 2 Bänden in Amsterdam, bereits 1728/29 folgte die deutsche Ausgabe, 1738 die englische. Auf der Tafel 54 demonstriert de Lairesse in einem Kapitel zur Anordnung der Figuren "einerley Dinges Traktirung", "die von Personen unterschiedlichen Ranges geschiehet". Figur 1 zeigt unterschiedliche Formen, ein Glas zu halten, von plump bis ganz fein. Entsprechend demonstriert Figur 2 das Halten und Führen des Löffels beim Essen, wieder verkörpert nur die letzte Form Grazie. Figur 3 zeigt adäquates Stehen und Verhalten im Gespräch, nur die mittlere der drei Frauen, auch die sozial höchste, demonstriert Eleganz und vollendeten Kontrapost. Derartige Verhaltensanweisungen entstammen ursprünglich den sogenannten Zeremonialwerken.

Hogarth selbst griff das Thema in seiner "Analysis of Beauty" von 1753 (bereits 1754 auf deutsch erschienen) wieder auf. In dieser Publikation finden sich am Ende zwei große Ausklapptafeln, die die Schönheitslinie in Kunst und Leben, vor allem aber auch den Verstoß gegen sie, zu belegen suchen. Auf Tafel 2 ist eine Tanzgesellschaft gezeigt, bei der nur das Paar ganz links, das den Prinzen von Wales mit seiner Begleiterin zeigt, mit Grazie - dem Ausweis der Schönheit in Bewegung - tanzt. All die anderen Tänzer hopsen ungelenk umher; so sehr sie sich bemühen, sie können ihre bürgerliche und bäurische Herkunft nicht verleugnen.

Eine Weiterentwicklung erfuhr das Thema gegen Ende des Jahrhunderts durch Daniel Chodowiecki. In zwei Folgen, die eine von 1778, die andere von 1779, demonstriert er den Unterschied von natürlichem und affektiertem Verhalten in Gegensatzpaaren. Natürliches Verhalten entstammt natürlichem Gefühl, es kommt aus dem Herzen, ist unverstellt. Affektiertes Verhalten ist modeabhängig und bedeutet scheinhafte Verstellung. So sehr dies ein Argument zugunsten bürgerlicher Verhaltensnormen und gegen höfische Etikette darstellt, wird es doch primär übergesellschaftlich als charakterabhängig verstanden. Chodowiecki konfrontiert die unterschiedlichen sozialen Verhaltensformen in allen Lebenslagen.
Auch in der Literatur der Zeit, so etwa in Goethes "Wilhelm Meister", werden verwandte Probleme angesprochen
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