Homepage: www.geldreform.de Gäste- / Notizbuch: www.geldreform.de

Inhalt

Wie die Krise 1929 gemacht wurde

Die Krise entstand aus dem Bestreben der Ausbeuter der menschlichen Arbeit, diese Ausbeutung nicht verschwinden zu lassen. Sie entstand durch den Unverstand verantwortlicher Männer, welche die Folgen ihrer Handlungsweise vielleicht nicht einmal bemerkten, durch die Unzulänglichkeit unserer Tauschmittelversorgung. Ausgelöst wurde sie durch den Tod eines Mannes, der an seiner entscheidenden Stelle sie vielleicht hätte verhindern können, wenn er am Leben geblieben wäre. Wie immer in der Gschichte, ist es nicht eine Ursache allein, welche das Unheil brachte, sondern eine Reihe von Bedingungen, welche die Entwicklung beeinflußten und ihr diese verhängnisvolle Richtung gaben. Der Mann hieß Benjamin Strong.

Zunächst muß man wissen, daß die Geldversorgung der Wirtschaft entscheidend wichtig ist für die Bewegung des Preisstandes. Das Geld ist Nachfrage. Wenn Gold die Grundlage der Geldversorgung ist, so ergibt sich daraus, daß das Fehlen des Goldes ein Fehlen des Geldes auf dem Warenmarkt zur Folge hat. Fehlt die Nachfrage, das umlaufende Geld, so steigt dieses Geld im Wert, anders gesagt: die Preise sinken allgemein. «Sinkende Preise und Löhne bedeuten Stagnation, Schrumpfung», schrieb 1936 am 7. April der schweizerische Bundesrat in einer amtlichen Botschaft. Heute zweifelt niemand mehr an der Richtigkeit dieser Feststellung.

Prof. Dr. Gustav Cassel, der Experte des Völkerbundes für die Währungsfrage von 1919 ab, hatte schon 1912 ausgerechnet, daß die Geldvermehrung der Welt jährlich 2,8% des jeweiligen Jahresbestandes betragen müsse, um den Geldumlauf und das Warenangebot im Gleichgewicht und damit den Preisstand auf der gleichen Höhe festzuhalten. Dabei mag diese Zahl heute zu klein sein, da er diese Rechnung für die Jahre 1850 bis 1906/7 machte. In diesen beiden Jahren waren wohl die internationalen Preisstände auf der gleichen Höhe, aber von 1874 bis gegen Ende der Achtzigerjahre sanken die Preise infolge des damaligen Goldmangels ständig. Die Produktion ging daher nicht normal vorwärts, sondern war in den Jahren von 1870 bis 1889 außerordentlich stark gehemmt, wie in jeder Zeit der Deflation. Man muß daher wohl eher mit einer höhern Zahl als nur mit einer Vermehrung des Geldbestandes von bloß 2,8 % rechnen.

Wie stand es nun nach dem ersten Weltkrieg mit der Geldvermehrung? Wie stand es mit der Goldförderung?

Tatsächlich herrschte schon 1913 und besonders im Winter 1913/14 eine sehr starke Deflationskrise. (Siehe Fritz Schwarz, «Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker», Bd. 1.) Bezeichnend für die Stimmung ist ein Satz in einem Flugblatt, das 1914 nach Ausbruch des Weltkrieges in Berlin verteilt worden ist, in dem es hieß: «Der Ausbruch des Krieges war eine Erlösung für uns; denn so wie es in den letzten Jahren gegangen war, konnte es einfach nicht weiter gehen».

Mit dem Beginn des Krieges gingen die Preise in die Höhe, weil man nur noch in den Vereinigten Staaten, wohin das Gold als Zahlung für Warenlieferungen aller Art abfloß, sich an die Golddeckung hielt. Dort kam es aber zu einer starken Goldinflation, indem der Preisstand in Golddollars von 100 auf 217 hinauf getrieben wurde und das Geld damit 54 % seiner frühern Kaufkraft verlor. Von 1920 bis 1922 wurde der Preisstand wieder gesenkt; aber noch im Juli 1929, vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise stand er auf 162, um bis Juli 1930 auf 152 abzusinken!

Seit 1926 war der allgemeine Zinsfuß in den Vereinigten Staaten infolge der gut fortschreitenden Arbeit und der ständig zunehmenden Vermehrung des Kapitals gesunken, so z. B. die AktienRendite von 5,2 im Jahre 1925 auf 2,8% unmittelbar vor Ausbruch der Krise. Der Diskont dagegen, das heißt der Zins für Geld von der Notenbank war von 1926 ab ständig gesteigert, sein Bezug also verteuert worden:

Diskontsatz

Die Zusammenstellung der Produktionsvermehrung mit der Goldgewinnung und dem Notenstand zeigt das Auseinanderfallen dieser Größen durch das Zurückbleiben der Geldnachfrage hinter dem Warenangebot. Damit mußten die Preise schließlich fallen. Wie dieses bemerkt wurde, brach die Panik aus: am «black friday» am 24. Oktober 1929.

Die nachfolgende Zusammenstellung zeigt, wie die Krise vom Jahre 1929 ab gemacht worden ist.

Jahr Produktion (in %) Goldfunde in t (1912: 713 t) in % Notenstand (in Mill. $) in % Preisstand (VII. des Jahres) Gesamte Geldmenge in % Geldmenge wirklich Geldmenge soll
1927 100 602 100 2681 100 162 5003 100 100 100
1928 105 608 101 2723 102 161 4973 99,4 99,4 103
1929 112 (!) 642 106 2629 98 161 4865 97,2 97,2 106,1

Man muß sich dieses Bild ansehen, um zu verstehen, daß bis Juli 1930 der Preisstand von 161 auf 152 gefallen ist: eine Deflationskrise wie man sie nicht besser machen könnte. Während die Geldmenge von 100 auf rund 106 hätte steigen müssen - immer die gleiche Umlaufsgeschwindigkeit vorausgesetzt! - ließ man sie von 100 auf 97 zurückgehen, ohne irgend etwas zu unternehmen, um diese Verminderung aufzuhalten. Daß damit rund der elfte Teil der produzierten Waren nicht mehr Nachfrage, d. h. angebotenes Geld finden konnte, leuchtet ein. Die Bedürfnisse sind immer da, aber die kaufvermittelnde Nachfrage, nämlich das umlaufende, angebotene Geld fehlt in solchen Fällen - hier in jedem elften Falle!

Daß man damals die Krise nicht vermied - wie man sie seit 1923 vermieden hatte - daran trug vor allem Schuld der Tod von Benjamin Strong, dem Gouverneur der Federal Reserve Bank von New York, der wichtigsten der 12 FRBanken der Vereinigten Staaten. Von 1923 ab hatte Strong immer die Notenmenge so gut es nur ging der Warenvermehrung anzupassen versucht, sodaß der Preisstand fest blieb. Schon 1923 schrieb Strong in der Zeitschrift «Collier's Weekly», daß die meisten Streitigkeiten zwischen Arbeiter und Unternehmer durch steigende Preise verursacht würden: «Ist daher die Stabilität der Preise nicht die Grundbedingung für die industrielle und nationale Sicherheit? Ich glaube mit Henry Ford, daß das, was die große Masse unserer Arbeiterschaft am meisten wünscht, die Sicherheit der Arbeitsgelegenheit ist, verbunden mit einem entsprechenden Lohn mit stabiler Kaufkraft.»

Am 20. Februar 1926 erklärte er vor dem amerikanischen Abgeordnetenhaus wörtlich:

"Die Zeit ist meiner Ansicht nach gekommen, wo sich der Kongreß der Vereinigten Staaten, dem die Macht der Münzprägung und die «Regulierung des Wertes der Münzen» übertragen ist, für die Stabilisierung der Kaufkraft des Dollars erklären sollte: jetzt sind die Verhältnisse hierzu in jeder Beziehung reif."

Mit dem Tod von Generalgouverneur Strong gingen aber diese wertvollen Gedanken wieder verloren. Es wurde eine Deflationspolitik durchgeführt, wie sie von 1920 bis 1922 betrieben worden war. Ihr Ziel: die Wiedereinführung der Goldwährung; ihr Weg: die Senkung des Warenpreisstandes und die Abgabe von Gold an die andern Staaten, um wieder das System der internationalen Goldwährung einzuführen; der Zweck: Beherrschung des Weltpreisstandes und damit der ganzen Weltwirtschaft, die Möglichkeit, Inflation und Deflation zu machen, um an beiden zu gewinnen. Besteht keine Goldwährung, so kann man nicht Deflationen und Hochkonjunktur auslösen, wann man will.

Mit der Inflation zwingt man die kleinen Spargeldbesitzer, die Arbeiter und Angestellten zum Angreifen und Aufbrauchen ihrer Ersparnisse. Mit der Deflation ruiniert man die neuerstandenen kleinen Betriebe, die sich in der guten Konjunktur entwickelt haben und die den großen Betrieben Konkurrenz machen. In beiden Fällen bleiben die Großen am Leben und die Kleinen bleiben klein oder werden wieder klein gemacht. Absatzstockung und Arbeitslosigkeit war und blieb so unter dem System der Goldwährung das Schicksal der Wirtschaft.

Es mag gesucht und unglaublich vorkommen, was hier gesagt wird. Aber man lese «Morgan der ungekrönte König der Welt» oder man studiere die Enzyklika von Pius XI., die 1931 erschienen ist und wo es heißt:

«Vor allem fällt aller Augen auf, daß sich in unserer Zeit nicht bloß die Reichtümer, sondern eine ungeheure Macht und die Diktaturgewalt anhäuft bei nur wenigen, die meistens nicht einmal Eigentümer, sondern bloß Verwahrer oder Verwalter anvertrauten Gutes sind und dieses nach ihrem Wink und Willen leiten.

Am schärfsten wird diese Macht ausgeübt von jenen, die als Besitzer und Beherrscher des Geldes auch die Oberherrschaft besitzen über den Zinskredit und in der Geldleihe unumschränkte Gebieter sind. Infolgedessen verwalten sie gewissermaßen das Blut, durch das die ganze Wirtschaft lebt und drehen und wenden gleichsam die Seele der Wirtschaft so mit ihren Händen, daß gegen ihren Willen niemand schnaufen kann.»

Wer glaubt, daß hier vielleicht weltfremde Menschen am Werk gewesen seien und sich bloß eingebildet haben, daß Menschen so schlimm handeln könnten, der greife zu den Lebenserinnerungen von Lincoln Steffens, dem bedeutendsten Berichterstatter der Vereinigten Staaten, der dort das Bestechungswesen und das Spekulantentum in Wirtschaft, Politik und Polizeiwesen enthüllte - zu einem Werk, das an amerikanischen Universitäten als Lehr - und Lesebuch für demokratische Erziehung gebraucht wird. Da findet man auch dargestellt, wie sich gewisse Börsenleute verhalten, wenn «eine Zeitspanne von Vernichtung strotzt» - also in der Krise; Lincoln Steffens schreibt darüber:

«Die Spekulanten hatten ihre helle Freude am großen Zusammenbruch; sie machten ihre Gewinne und waren glücklich. Als Berichterstatter im Umkreis der Börse konnte ich an Tagen, da ein großer Preissturz stattfand, ringsum die überschäumende Freude der Baissiers sehen und fühlen, und das überraschte mich immer wieder von neuem, denn alles, was ich diesbezüglich gelesen, gehört und mir vorgestellt hatte, drehte sich um die düstere Niedergeschlagenheit, Verzweiflung und Bedrängnis derjenigen, die Verluste erlitten. Und natürlich fehlten auch die Leidtragenden nicht im Bild; zum Teil waren sie an der Börse selbst, zum Teil in den Banken und Maklergeschäften, vorzüglich aber weitab vom Schauplatz - rings im Lande herum, unter der gewöhnlichen Bevölkerung. Für die Makler bedeutet ein reger Markt gewöhnlich gute Geschäfte, ganz gleich ob sie nun selbst an der Börse sind oder in ihrem Geschäfte, und ob die Preise steigen oder fallen. Das war vor allem spürbar und sollte einmal beschrieben werden - die freudige Erregung, die eine solche Panik mit sich bringt.»


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
Zum Gästebuch
Zur Ursprungsseite