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Michael Unterguggenberger war mit der täglichen Arbeit in der Partei nicht zufrieden. Er wollte um das Warum und das Weshalb wissen. Aber es ging ihm wie dem großen schweizerischen Arbeiterführer Hermann Greulich, der bekennt, nach einigen Seiten von Karl Marx habe ihm der Kopf geraucht. Doch tat er nicht was Scheidemann bei seinem Marxstudium machte. Scheidemann schreibt, er sei davongelaufen und zum Bier gegangen, um sich da zu erholen. Vielleicht war es die Krankheit der armen Leute, die Tuberkulose, die den österreichischen «Diener im Lokomotivfahrdienst» veranlaßte, tiefer zu schürfen als die gesunden und robusten Naturen: Michael Unterguggenberger las in seiner sehr beschränkten Freizeit was ihm an sozialreformerischen Schriften in die Hand fiel.
Das Bürgertum trieb Sozialfürsorge. Das war alles, was ihren Volkswirtschaftsprofessoren und Politikern einfiel. Sozialversicherungen aller Art, Arbeitslosenversicherungen, Wohnungsämter, Mieterschutz (der zur Wohnungsnot führen mußte!) - das war ungefähr alles, was aus dem Bürgertum an Sozialreform herauskam. Die Ursache der Arbeitslosigkeit dagegen, die Ursache der Wohnungsnot, die Ursache der Massenarmut wurde nirgends ermittelt; überall wurde nur an den Folgen herumgedoktert. Aber der Gesamtablauf der Wirtschaft wurde nirgends untersucht. So konnte auch niemand auf bürgerlicher Seite bessere Vorschläge machen.
Michael Unterguggenberger suchte und suchte. Er forschte, wie Otto Maaß in Erfurt geforscht hatte, wie in jedem Land Menschen suchten, die Sozialisten waren in Hinsicht auf das Ziel des Sozialismus: «die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen», aber nicht in bezug auf den Weg: «die Überführung der Produktionsmittel in den Besitz der Allgemeinheit».
Michael Unterguggenberger hatte schon die Krise von 1907/8 durchgemacht. Er hatte in der Krise 1912/14 wieder gesehen, wie Österreich und mit Österreich die ganze Welt in den Krieg hineingeführt wurde. Er hatte im Krieg 1914/18 die Inflation erlebt und erlitten und mußte dabei feststellen, daß die sozialistischen Hochschuldozenten über die Ursache und die Verhinderung einer Inflation noch viel weniger wußten als die bürgerlichen Professoren. Nach der Inflation folgte eine Deflation, von der die Sozialisten alles Gute erwarteten, aber noch schlimmer geschädigt wurden als durch die Inflation. Dann folgte die Erholung 1924 bis 1929. Schließlich kam, vom September 1929 ab, die neue Deflation, die große Weltwirtschaftskrise. Und noch immer wußten die Sozialisten darüber nichts zu sagen und konnten in ihren heiligen Büchern nichts über die Ursachen der Kaufkraftschwankungen finden als eine Schimpfiade über die einzige Theorie, die darüber etwas zu sagen gehabt hätte: die Quantitätstheorie. Diese leitet die Geldwertschwankungen ganz einfach und natürlich aus dem Geldumlauf her, der, im Verhältnis zum Warenangebot, bald zu groß, bald zu klein ist.
Am Anfang aller menschlichen Ordnungen steht ein Mensch. Wenn dieser Mensch gescheit ist, so merkt er, ob die Ordnungen, die er sich selbst gegeben hat, vernünftig und zweckentsprechend sind oder nicht, ob sie wirkliche Ordnungsgrundsätze sind oder ob sie zur Unordnung führen müssen. Wenn dieser Mensch klug ist, wird er versuchen, andere dafür zu gewinnen, eine bessere Ordnung einzuführen. Er wird auch seine eigenen, vielleicht noch nicht durchgeführten Vorschläge an den täglichen Erfahrungen nachprüfen und seine Theorien der Gegenwart und ihren Lehren entsprechend abändern und neue Wege gehen. Aber die bürgerliche Welt ging damals ihre alten Wege und die Sozialisten hingen an ihren alten Theorien. Nur wenige dachten an neue Wege und suchten eine neue, bessere Lehre, die das erklären könnte was vorgeht und lehren könnte, was notwendig getan werden müßte.