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Das Ende - und ein Anfang

Wenn J. B. Rusch in seinen "Republikanischen Blättern" meint, Österreich wäre «frei und unabhängig geblieben», wenn das Experiment von Wörgl auf ganz Österreich ausgedehnt worden wäre, wie das leicht möglich gewesen wäre, sofern es vorsichtig und unter Benutzung aller Verbindungen mit dem Ausland hätte durchgeführt werden können, dann hat er sicher recht. Aber der Wille zur Unterdrückung dieser Ausdehnung war vorhanden. Das zeigt unter anderem auch das Dossier in der Riesenkorrespondenz Unterguggenbergers, welches die Schweizer Bundesanwaltschaft betrifft. Am 24. Mai 1933 hatte Unterguggenberger in Winterthur vor einer Zuhörerschaft von gegen tausend Personen gesprochen - sachlich, schlicht und klar, wie es seine Art war. Am 3. September sollte er auf einer Tagung sprechen, die von den Kantonalverbänden Zürich, Schaffhausen und Thurgau des Schweizer Freiwirtschaftsbundes veranstaltet worden war. Von der Bundesanwaltschaft wurde ihm sein Referat verboten - desgleichen dem Direktor des Gymnasiums von Nürnberg, Dr. Uhlemayr - der später von den Nationalsozialisten umgebracht wurde - und dem Professor der Theologie Dr. Ude aus Graz. Auf des Bürgermeisters bescheidene Bitte, ob er als einfacher Teilnehmer an der Studientagung teilnehmen könnte, unter dem Versprechen, nicht zu reden, erhielt er die kurze Antwort, daß ihm "die Einreise überhaupt untersagt" sei!

Wenn in der «freien Schweiz» die Nationalbank und ihre Umgebung einen solchen Terror auszuüben vermochte - wie mußte das erst in Österreich sein! Die «Wiener Wirtschaftswoche» begann damals ihre Tätigkeit, in der sich die Advokaten der Goldwährung zusammenfanden: Professor Dr. Böhler, Zürich, Professor Dr. Dobretsberger, Graz, Prof. Dr. Bundsmann, Innsbruck u.a.

Der Februaraufstand in Wien, der mit der Unterdrückung der Linksparteien endete, führte auch zum Rücktritt von Bürgermeister Unterguggenberger in Wörgl. Und dann setzte sich bei ihm die Krankheit durch, die er mit letzter Willensanstrengung bekämpft hatte, als er noch ein Ziel vor sich sah: seine kranke Lunge und sein Herz versagten ihre weiteren Dienste - am 19. Dezember 1936 ist Michael Unterguggenberger sanft entschlafen.

"Michael Unterguggenberger war ein Sucher nach voller Wahrheit und nach Zielen, die der gesamten schaffenden Menschheit eine Besserung ihrere Lebensverhältnisse bringen müssen.” Mit diesen Worten hat Hans Federer in den "Wörgler Heimatschriften” diesen Bürgermeister der Marktgemeinde Wörgl ebenso kurz wie treffend charakterisiert. Den "Sucher nach voller Wahrheit” verrät insbesondere seine Bibliothek, die Auswahl seiner Bücher. Daß er ständig eine Besserung der Lebensverhältnisse seiner Mitmenschen anstrebt, merkt man nicht nur in seinem Freigeld-Experiment, sondern auch in der Art, wie die Leute von ihm reden, die ihn gekannt haben.

Im Wörgler Waldfriedhof hat er seine Grabstätte erhalten. Seine Gattin, seine Kinder, seine Gemeinde, alle, die ihn je gekannt haben, halten ihn in Ehren, und der Gedanke an diesen Mann und Menschenfreund läßt aller Augen aufleuchten und weckt in aller Herzen den Wunsch, es möchte mehr, viel mehr solche Männer geben, so offen, so treu, so herzensgut.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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