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Ausbeutung und Übertreibung des Experiments von Wörgl in den Vereinigten Staaten

Es ist nichts so gut, daß es nicht durch Übertreibung schlecht gemacht werden könnte. Ein Schwundsatz auf dem Geld von 1 Promille in der Woche ist wahrscheinlich das richtige. Das macht 5,2% jährlich. Vielleicht geht auch noch 1% im Monat, das wäre 12% im Jahr.

Aber der Westen wird sich noch durch seine Übertreibungen zu Grunde richten. Bezeichnend ist, daß der Ausdruck «Optimum» - das gerade Richtige, das Maßvolle - in Europa kaum gebraucht wird. Dafür hört man unausgesetzt die beiden Ausdrücke «Maximum» und «Rekord» - und etwa auch noch «Minimum» - der Rekord nach unten!

Kaum hatten die Amerikaner etwas von einem Geld mit einem Schwundsatz von 1 Promille in der Woche oder von 1 Prozent im Monat erfahren, stürzten sie sich darauf und machten «Stamped scrips», «gestempeltes Geld» mit 2% in der Woche! In 50 Wochen wird das Geld auf diese Weise dem Staat durch den Kauf der Stempelmarken wieder zurückbezahlt und die letzten 2 Wochen sind reinster Profit! Das Geld wird mit 104% Nennwert zurückbezahlt, nachdem es der Staat oder der Unternehmer mit dem Wert von Druck und Papier bezahlt hat. Warum und wieso 2 % in der Woche bezahlt werden sollen und welche Folgen das für die Zukunft haben wird, davon ist nicht die Rede. Schon 1918 hat sich Gesell gegen H. Harburger gewehrt, der mit der «Geldsteuer» alle Steuern zahlen wollte, indem er einfach das Geld so hoch mit einem Schwundsatz belegen wollte, daß mit dem Eingang alle Ausgaben des Staates bezahlt werden könnten. Gesell wehrte sich dagegen und sagte, daß der Schwundsatz nie und nimmer den Sinn einer Steuer habe, sondern er sei der Ausgleich zwischen Geld und Ware. Der Schwundsatz sei deshalb nötig, weil das Geld sonst der Ware gegenüber im Vorteil sei und weil der Geldbesitzer diesen Vorteil mit einem Abwarten beim Warenaustausch und damit durch einen Druck auf die Preise quittiere. In dem er aber sowohl den Verkäufer wie damit auch den Käufer warten lasse, und weil er ohne Schaden warten könne, im Gegensatz zum Verkäufer wie zum Käufer, könne er einen besondern Profit einkassieren über den Handelsgewinn hinaus: den «Urzins», der im Leihzins für Geld wiederum zum Ausdruck komme, sobald man das Geld verleihe. «Der Geldbesitzer kann warten, der Warenbesitzer dagegen hat es immer eilig.» Dieser Unterschied wird mit 1 Promille wöchentlich ausgeglichen, mit 1% im Monat mehr als ausgeglichen, und wenn man mehr Schwundsatz verlangt, so wird damit das frühere falsche wie auch das mit 1 %, bzw. 1 Promille, hergestellte Gleichgewicht neuerdings wieder gestört; diesmal zu Ungunsten des Geldes. Das Geld, das so stark schwindet, wird gemieden, es wird entweder zurückgewiesen oder dann nur ungern genommen, kurz, der Warenaustausch wird wiederum gestört und funktioniert nicht richtig.

Die Amerikaner hatten gar nicht begriffen, um was es ging: nämlich um die Tauschgerechtigkeit WareGeld! Sie haben mit dem Stamped scrip für die alte eine neue TauschUngerechtigkeit geschaffen.

Eine Radioreportage von Hans Cohrssen und dem Radiosprecher Sell, von der National Broadcasting Company veranstaltet, brachte völlig falsche Vorstellungen ins Volk.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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