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Was berichten die Augenzeugen?

Ein Bericht stammt aus der Feder eines Dipl.-Ingenieurs der Eidg. Technischen Hochschule Zürich, Claude Bourdet. Unter dem Titel «Ein neues Mekka der Volkswirtschaft - Wörgl, oder das Schwundgeld» schreibt er in der «Illustration», Paris, in der Nummer vom 9. September 1933, S. 56/57 über das, was er in Wörgl gesehen hat:

«Ich habe Wörgl im August 1933 besucht, also genau ein Jahr nach Beginn des Experiments. Man muß ganz unparteiisch anerkennen, daß das Ergebnis ans Wunderbare grenzt. Die früher für ihren grauenhaften Zustand verschrieenen Straßen gleichen jetzt Autostraden. Die Bürgermeisterei - schön restauriert, fein herausgeputzt, reizendes Chalet mit blühenden Geranien. Eine neue Betonbrücke trägt die stolze Inschrift «Erbaut mit Freigeld im Jahre 1933». Überall sieht man die neuen modernen Straßenleuchter wie an der SilvioGesellStraße. Die Arbeiter, die man auf den zahlreichen Bauplätzen trifft, sind samt und sonders fanatische Freigeldler. Ich bin in den Läden gewesen: überall nimmt man die ArbeitsBestätigungsscheine zum gleichen Wert an wie das offizielle Geld. Die Preise sind nicht gestiegen. Man hat dem Wörgler Experiment die Möglichkeit der Kapitalbildung absprechen wollen und wollte darin nur eine verkappte, neuartige Ausbeutung des Steuerzahlers erblicken. Hier scheint ein kleiner Irrtum vorzuliegen. Man hat seit Menschengedenken nicht erlebt, daß der Steuerzahler nicht mit letzter Energie protestierte, wenn man ihm seine Taler abnahm. Nun, in Wörgl protestiert niemand. Im Gegenteil, man zahlt seine Steuern zum voraus, man ist begeistert über das Experiment, und man beklagt sich bitter, daß die Nationalbank neue Notenausgaben hintertreibt. Es ist unmöglich, die allgemeine Besserung der Lage in Wörgl nur einer «neuen Steuerform» zuzuschreiben. Man kann eher mit dem Bürgermeister der Meinung sein, daß das neue Geld seine Funktion weit besser erfüllt als das alte.

Ich überlasse es den «Sachverständigen», darüber zu urteilen, ob trotz der 100prozentigen Deckung eine Inflation vorliegt. Jedenfalls ist eine Preissteigerung, erstes Zeichen der Inflation, in keiner Weise eingetreten.

Was das Sparen betrifft, kann man sagen, daß das neue Geld das eigentliche Sparen auf Kosten des Geldhamsterns fördert. Es ist sehr unvorteilhaft geworden, das Geld bei sich einzusperren, aber man kann dem Schwund entgehen, indem man es ganz einfach auf die Sparkasse bringt.

Wörgl ist eine Art Wallfahrtsort für Volkswirtschafter aus aller Herren Länder geworden. Man kennt sie gleich an ihren gelehrtenhaften Allüren, wenn sie in den schön gepflegten Straßen Wörgls oder auf den Gasthausterrassen diskutieren. Die Bevölkerung von Wörgl, stolz auf ihren neuen Ruhm, empfängt sie mit Freuden.»

Aufschlußreich ist auch die Berichterstattung eines Mitgliedes des gew. Stadt und Kantonsrates von Bern, Fritz Pfister, der zusammen mit einem Lehrer bei verschiedenen Geschäftsinhabern und Personen Erkundigungen über das neue Geld einzog und an Ort und Stelle genau aufschrieb, was ihm gesagt wurde. Er veröffentlichte darüber folgende Zusammenstellung (in «Geld und Arbeit», 1933, S. 133).


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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