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Die zweite Sitzung - das Reglement

Die nächste Sitzung war auf den 5. Juli angesetzt worden. Hier wurde einer Art Reglement zugestimmt, das folgenden Wortlaut hatte und später auch noch vom Gemeinderat - immer einstimmig! - genehmigt wurde.

1. Alle zur Krisenabwehr bereiten Frauen und Männer von Wörgl treten hiemit zur Nothilfe Wörgl zusammen.

2. Diese wird vom Wohlfahrtsausschuß durchgeführt und von der Gemeinde beaufsichtigt. In Durchführung der Nothilfe gibt der Wohlfahrtsausschuß Arbeitsbestätigungen heraus, die von den Teilnehmern an Zahlungsstatt gegeben und genommen werden.

3. Als Teilnehmer gilt, wer Arbeitsbestätigungen an Zahlungsstatt gibt und annimmt.

4. Die Arbeitsbestätigungen werden von der Gemeindekasse in Verwahrung genommen, woselbst sie in den Amtsstunden zum vollen Nennwerte gekauft und gegen Rücklaß von 2% des Nennwertes (des Arbeitsbeschaffungsbeitrages) jederzeit rückverkauft werden können. Außerdem sind die Arbeitsbestätigungen auch beim Spar- und Darlehenskassenverein Wörgl jederzeit käuflich und verkäuflich.

5. Vom Wohlfahrtsausschuß und vom Gemeinderate wird je eine Vertrauensperson bestimmt, die gemeinsam mit dem Bürgermeister die Nothilfe leiten.

6. Die Auflage der Arbeitsbestätigungen wird dem jeweiligen Bedarfe angepaßt. Erstmalig besteht diese aus drei Nennwerten zu 1, 5 und 10 Schillingen Arbeitswert, wovon je 2000 Stück im Gesamtnominale von 32 000 Schilling aufgelegt werden.

7. Die einzelnen Stücke tragen die Farben: 1 Schilling gelb, 5 Schilling blau, 10 Schilling rot. Jedes Stück erhält vom Bürgermeisteramt einen Kontroll-Prägestempel, ohne welchen kein Stück in Verkehr gesetzt werden darf. Stücke, die den Prägestempel nicht tragen, sind ungültig.

8. Die Arbeitsbestätigungen werden mit einer Notabgabe von monatlich 1% des Nennwertes belastet, die der jeweilige Besitzer durch Aufkleben einer entsprechenden Klebemarke zu Monatsbeginn zu tragen hat. Scheine, die bei Weitergabe die Notabgabemarken nicht voll tragen, werden nur um den, den fehlenden Notabgabemarken entsprechend gekürzten Betrag in Zahlung genommen.

9. Die Teilnahme an der Nothilfe Wörgl ist freiwillig.

Vom Wohlfahrtsausschuß am 5. und vom Gemeinderat am 8. Juli 1932 einstimmig beschlossen.»

Damit konnte man zur Ausgabe der "Arbeitswertscheine" schreiten, einer der zahlreichen Möglichkeiten, den Streik des Geldes zu brechen.

Als Treuhänder der Nothilfe Wörgl wurde bestimmt der Ortspfarrer Geistlicher Rat Riedelsberger und der Gemeinderat Dr. Stawa, zwei zuverlässige, angesehene und besonnene Männer, die allgemein geachtet waren. Für den Aufklärungsdienst stellten sich zur Verfügung: Abgeordneter Johann Astl, Schulleiter Federer, Altbürgermeister Gollner, Kaufmann Hans Kirschl, Cafetier Ernst Marchesani, Kaufmann Johann Riedhardt, Hauptschuldirektor Stricker, Abgeordneter Martin Pichler und Kaufmann Konrad Schwingshackl.

Redaktor Hans Burgstaller von den "Wörgler Nachrichten" schrieb in seinem Blatte für die Aktion und veröffentlichte später darüber die erste aufklärende Broschüre.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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