Homepage: www.geldreform.de Gäste- / Notizbuch: www.geldreform.de

Inhalt

Unterguggenbergers Wörgl in der Weltwirtschaftskrise

Kann man sich vorstellen, was eine Krise in seiner Gemeinde für einen Mann wie Michael Unterguggenberger bedeutet, einen Mann, der die Krisennot kleiner Leute am eigenen Leibe erfahren hatte und wußte, was die Krise für einen Menschen bedeutet, der allein und ausschließlich auf sein Einkommen angewiesen ist, das kaum bei steter Anstellung zum Leben reicht?

Wörgl hatte damals 4216 Einwohner. Da es ein Eisenbahnknotenpunkt ist beschäftigte die Bahn viele Leute: 1930 waren es 310, aber 1933 nur noch 190. Und gleichermaßen tröpfelte alles langsam ab und einer der Arbeitslosen nach dem andern kam zu seinem früheren Kollegen, der nun Bürgermeister geworden war und bat um Hilfe.

Schon 1929 war durch die Elektrifikation das Heizhaus Wörgl im Betrieb eingestellt worden. Dann kamen die Zementwerke Kitzbichel an die Reihe: 1930 waren dort noch 45-60, 1933 noch ganze 2 Arbeiter beschäftigt. Da war auch die Brauerei Zipf. Der sozialdemokratische Finanzminister Englands, Snowden, hat 1929 den englischen Alkoholproduzenten auf eine Eingabe hin geantwortet, der Staat würde sie alle mit Vorteil im Betrieb einstellen und würde sich besser stellen, wenn sie alle auf seine Kosten pensioniert würden. Er pensionierte sie aber doch nicht. Unterguggenberger war höflicher und sagte das nicht, als sich von den 33 bis 37 Arbeitern der Brauerei im Jahre 1930 nach und nach 10-14 als arbeitslos meldeten. Dann war eine Zellulosefabrik, die 1930 noch 360-410 Arbeiter beschäftigt hatte und vor dem Krieg den Rohstoff für das Papier der BoulevardPresse nach Paris geliefert hatte - diese Exporte hörten ganz auf und 1933 waren noch 4 Mann mit der Bewachung der stillgelegten Maschinen beschäftigt. Die Landwirte, etwa ein Drittel der Erwerbstätigen, konnten ihre Produkte kaum noch absetzen und die übrigen zwei Drittel der Bevölkerung, die aus Arbeitern, Angestellten und kleinen Gewerbetreibenden bestanden, litten alle mehr oder weniger stark unter diesen trostlosen Verhältnissen.

Tagtäglich kamen die Arbeitslosen und vor allem auch die stets zunehmenden «Ausgesteuerten» zu «ihrem» Bürgermeister. Ausgesteuerte gab es schon 1932 rund 200, die nun der öffentlichen Armenfürsorge anheimfielen. Die Zahl der Arbeitslosen stand im Frühjahr 1932 auf etwa 350 im eigentlichen Wörgl allein, auf 1500 in der näheren Umgebung.

In Wien aber saßen die Bundesregierung und der Notenbankdirektor Dr. Kienböck und betrachteten ratlos die Entwicklung:

Jahr Goldschatz in Mill. Notenstand in Mill. Lebenskosten 1929=100 Arbeitslose in Tausend
1926 53 974 92,8 177
1928 169 1067 97,3 182
1930 214 1090 100,0 243
1932 149 914 97,3 378
1933 189 952 94,8 370

Dem Goldschatz, der dann 1938 durch Kienböck den Nazis übergeben worden ist, ging es gut, aber sonst nahm nichts zu als die Zahl der Arbeitslosen. Der Geldumlauf wurde im Verhältnis zum Warenangebot und zu den Arbeitsmöglichkeiten verkleinert, damit sanken die Preise und stieg die Zahl der Arbeitslosen.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
Zum Gästebuch
Zur Ursprungsseite