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Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

WIEDERERWACHENDE GELDWIRTSCHAFT

Wenn mit der Ausdehnung der deutsch-ger-
manischen Herrschaft über das riesige Gebiet des
einstigen Römerreiches wohl auch die Gold- und
Silberschätze der vergangenen Kulturen in die
Hände neuer Herren gekommen waren, so konnte
die eigentliche kulturfördernde Nutzung aber
doch erst dadurch erfolgen, daß das tote Metall
zu lebendigem, befruchtendem Geldumlauf wurde.
Dieser Entwicklung hat Karl der Große ent-
scheidende Impulse gegeben.

Wohl haben vor dieser Zeit schon die Goten,
Langobarden, Kelten und andere Völker eine
Münzprägung betrieben. Ihre Münzbilder stell-
ten jedoch nur mehr oder weniger gelungene,
vielfach aber auch vollkommen entstellte Nach-
bildungen alter griechisch-römischer Prägungen
dar. (siehe Abb. auf Seite 40)

Goldmünzen zu prägen und das eigene Bild
auf die Münze zu setzen, war einst das Vorrecht
der römischen Kaiser gewesen. Dieses Vorrecht
wurde während der Zeit der Völkerwanderung
nicht angetastet; erst Theoderichs Sohn Theode-
bert I. von Austrasien wagte es, einen Goldsoli-
dus mit seinem eigenen Namen zu prägen (534
bis 548). Der Vorgang wurde von Prokop, dem
Chronisten der Gotenkriege, als empörende An-
maßung registriert. Bemerkenswert für die im
6. Jahrhundert einsetzende Zunahme der Münz-
prägung ist, daß die Kirche mehr und mehr -
und zwar aus eigener Machtvollkommenheit -
als Münzherr auftrat. Insbesondere geschah dies
westlich des Rheins im Gebiet des heutigen
Frankreich, wo die Bistümer Rennes, Orleans,
Le Mans, Bordeaux, Toulouse, Angers und an-
dere zu nennen wären.

Vom 6. Jahrhundert an traten aber auch Name
und Monogramm des Königs mehr und mehr
zurück zu Gunsten der Erwähnung von Münz-
stätte und Münzmeister. Die Münzmeister, aus
der Goldschmiedezunft hervorgegangen, von de-
nen man etwa 2000 Namen kennt, übten ihr Ge-
werbe für Könige, Bischöfe und Grundherren im
Umherziehen aus. Im 8. Jahrhundert wurde nun
im fränkischen Reich das unter den Merowin-
gern mit zunehmender Lässigkeit gehandhabte
Münzrecht nach dem Sturz des letzten Merowin-
gers Chilberich von Pippin dem Kleinen mit
Energie in die Hand genommen. Der erste Ka-
rolinger, der sich selbst die Königskrone genom-
men hatte, vereinfachte das Münzwesen des frän-
kischen Reiches durch Einführung der Silber-
währung. Goldmünzen ließ er nicht mehr aus-
prägen. Geprägt wurde nur noch der Silber-De-
nar, aus dem römischen Pfund 300 Stück, später
264 Stück. Diese Anfänge einer neuen Münz-
ordnung hat der Sohn Pippins, Karl der Große,
mit zielbewußter Hand auf das ganze nach-
malige "Heilige römische Reich deutscher Na-
tion" ausgedehnt. Er setzte sein Bildnis und sei-
nen Namen auf die Münze, und auch die Gro-
ßen, denen er das Recht, Münzen zu schlagen,
verliehen hatte, mußten seinen Namen mit auf
die Prägung setzen. Die Zahl der Münzstätten
- bei Antritt seiner Regierung bestanden deren
40 - vermehrte sich auf 80, darunter Köln, Bonn,
Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Dursteede,
Basel, Chur. Auch Karl der Große blieb bei der
Silberwährung. Goldmünzen wurden von ihm
offensichtlich nicht für den allgemeinen Handels-
verkehr herausgegeben. Nach Auffassung der
Forscher sind die in wenigen Funden zutage ge-
förderten Goldmünzen nur als Kriegs-Sold für
die fränkischen Soldaten aus Beutegold geschla-
gen worden.

Dem Münzwesen Karls des Großen lag die
Regel zugrunde, aus einem Pfund Feinsilber
240 Silber-Denare zu prägen. Unklarheiten be-
stehen jedoch über das Gewicht des Pfundes; die
Angaben schwanken zwischen 367 und 491 g.
Der Denar stellte in der damaligen Münzverfas-
sung auf deutsch einen "Silber-Pfennig" dar.
12 Denare oder Pfennige ergaben einen Schilling
(lat. Solidus); 20 Schillinge waren demgemäß
1 Pfund. Dieses karolingische Münzsystem: 12
Pfennige (Pence) = 1 Schilling; 20 Schillinge =
1 Pfund hat sich bei den Angelsachsen bis auf
den heutigen Tag erhalten, wie ja auch die Be-
zeichnung "1 Pfund Sterling" ursprünglich ein
Pfund von den durch die Oesterlinge - die aus
dem Osten kommenden Kaufleute - ins Land
gebrachten Silbermünzen bedeutete. Die Einfüh-
rung des karolingischen Münzsystems in Eng-
land wird dem Einfluß des angelsächsischen Ge-
lehrten Alkuin zugeschrieben, den Karl der
Große an seinen Hof gezogen hatte.

Eine Prägung von Schillingmünzen war in
der Münzordnung Karls des Großen nicht vor-
gesehen. Der Begriff war nur eine Rechen-Größe.
Erst bei entwickelteren Verkehrsbedürfnissen im
13. und 14. Jahrhundert entstand im "Groschen"
eine entsprechende Ausprägung. Der Groschen
stellte einen "großen" und dicken Pfennig dar
und hatte den Wert von 12 Denar, womit er
also einem Schilling entsprach. In manchen Ge-
genden wurden auch Groschen von geringerem
Wert als 12 Denar geschlagen.

Daß es sich bei dieser Ausprägung einer grö-
ßeren Münze überall um die Berücksichtigung
der wachsenden Anforderungen des Wirtschafts-
verkehrs handelte, geht auch daraus hervor, daß
der "große Denar" im 12. Jahrhundert auch in
Florenz als "Grossoni", in Frankreich als "gros
Tournois" und in England als "groats" auf-
tauchte; das Verhältnis zum Denar ist jedoch
nicht überall und nicht für ständig das gleiche
gewesen, wie in Deutschland (s. Karl Helferich:
"Das Geld", S. 39).

In der allgemeinen Entwicklung der Kultur
konnten sich die Auswirkungen der Rückkehr
zur Geldwirtschaft naturgemäß nur sehr lang-
sam zeigen. Zu groß und zu weiträumig war das
Reich Karls des Großen und nur der südwest-
liche Teil war alter Kulturboden. Handwerk,
Viehzucht und Ackerbau mußten erst gelehrt
und entwickelt werden; dies waren Aufgaben,
deren sich die vom Kaiser geförderten Klöster
mit besonderem Eifer annahmen.

In diesen Zeiten wurden neue Münzen in der
Regel beim Anlaß bedeutender geschichtlicher
Ereignisse oder sonstiger denkwürdiger Tage im
Leben der Münzherren geschlagen. So hat Karl
der Große, nachdem er 784 dem Langobarden-
reich ein Ende bereitet hatte, auf dieses Ereignis
gemeinsam mit dem Papst Hadrian III. einen
Pfennig prägen lassen. Ebenso ließ er auf seine
Kaiserkrönung zum Weihnachtsfest in Rom im
Jahre 800 einen Pfennig schlagen, der auf der
Vorderseite sein Brustbild und auf der Rückseite
ein Bildnis der Kirche zeigte, als deren Beschüt-
zer er sich fühlte.

Die straffe Ordnung des Münzwesens, die
Karl der Große durchgesetzt hatte, ist unter sei-
nen Nachfolgern wieder verloren gegangen. In
einem Kapitular des Kaisers (805) war einst be-
fohlen worden, daß Münzen nur an kaiserlichen
Pfalzen geprägt werden durften; und es war vor-
geschrieben, "daß diese neuen Pfennige in jedem
Ort, in jeder Stadt und auf jedem Marktplatz
ebenso umlaufen und von allen empfangen wer-
den." Nach A. Luschin v. Ebengreuth, Grundriß
der Münzkunde, war die Münzhoheit als solche
ein wesentliches Recht des römischen Imperators,
von dem es auf den Kaiser des "Heiligen römi-
sdien Reiches deutscher Nation" überging. Von
Thomas von Aquin wurde dann aber die Lehre
begründet und verbreitet, daß die Münzhoheit
auch dem Papst und der Kirche zustehe. Diese
Auffassungen fanden in den mittelalterlichen
Rechtsbüchern ihren Niederschlag; so kam es, daß
schließlich jedermann, der eine höchste Gewalt,
ein "supremum imperium" innehatte, auch das
Recht der Münzhoheit besaß, das er nach unten
gegen Abgaben oder auch als Pfründe für Vasal-
len- und andere Dienstleistungen weiterverlei-
hen konnte (s. a. a. O. S. 58).

Unter dem Nachfolger Karls d. Gr., Ludwig
dem Frommen, gelangten nun die Kirchenfür-
sten wieder zu Einfluß und Bedeutung in der
Münzprägung; und dieser Einfluß verstärkte sich
in der Folgezeit mit der jetzt in Erscheinung tre-
tenden Schwäche der Karolinger mehr und mehr.
Diese Entwicklung ist aber andererseits nicht
ganz unverständlich, denn Kirche und Klöster
hatten in diesen Zeiten beträchtliche Aufgaben
auf sich genommen, für deren Finanzierung ent-
sprechende Einkünfte erforderlich waren. Nach
der Bekehrung der Sachsen zum Christentum
wurde z. B. das Kloster Corvey gegründet und
mit reichen Schenkungen - z. B. mit der Einrich-
tung einer Münzstätte und Verleihung der Ein-
künfEe aus der Münzprägung - bedacht.

Ähnlich verhielt es sich in zahlreichen anderen
Fällen und auch in den kommenden Zeiten; die
Abtei von St. Gallen, die Freie Reichsabtei Hers-
feld, auch Frauenklöster wie die Abtei Quedlin-
burg, erhielten das Münzrecht, ebenso der später
in der Kolonisation des Ostens tätig gewordene
Deutschritterorden.

Unter den fränkischen und sächsischen Kai-
sern verstärkte sich die Tendenz, die Münzrechte
an Kirchenfürsten und Abteien zu vergeben,
noch mehr, denn jetzt waren Geistlichkeit, Bi-
schöfe und Äbte die eigentlichen Stützen der
Herrschaft gegen die Machtansprüche und Be-
sitzgelüste des Adels. Mit der eintretenden Schwä-
chung der Reichsmacht wurden dann aber auch
die Kirchenfürsten in der Münzprägung mehr
und mehr selbständig; dazu kam, daß die Münz-
rechte für Abgaben und Vasallendienste auch an
Herzöge und Markgrafen vergeben wurden, wo-
mit aber immerhin eine reichliche Versorgung
der in Gang kommenden Wirtschaft mit Geld
gegeben war.

Dieses Letztere dürfte für die allgemeine Ent-
wicklung von Wirtschaft und Kultur das We-
sentliche gewesen sein, und so war es denn ganz
richtig, daß die Becher und Schalen, Becken und
Humpen in den Schmelztiegel wanderten - und
danach als blanke Silber-Pfennige auf die Märkte.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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