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Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

ZURÜCK - ZUM ALTEN SPIEL

Doch mit der Rückkehr zum Golde konnte
nun nach dem Abschluß des Waffenkrieges der
Handelskrieg wieder beginnen. Alle diese Völ-
ker waren jetzt erneut auf eine aktive Handels-
bilanz angewiesen. Sie hatten die nationale Zir-
kulation von Gütern und Leistungen vom Vor-
handensein eines Goldschatzes abhängig gemacht
und zugleich Bedingungen akzeptiert, die die
Möglichkeit zum Inhalt hatten, daß ihnen diese
Währungsgrundlage jederzeit innerhalb kürze-
ster Frist weggenommen werden konnte. So
wie es einstmals die Politik Colberts war, "das
Geld im Lande zu halten, dasjenige, welches
hinausgeht, wieder hereinzubringen und die
fremden Staaten immer in dem Geldmangel zu
erhalten, darinnen sie sind," so war es jetzt auch
im zwanzigsten Jahrhundert die allseitig betrie-
bene Politik des unblutigen Handelskrieges, so
zu verfahren. Daß sich alle diese Bemühungen
gegenseitig blockieren mußten, dürfte sehr leicht
einzusehen sein; aber in Angelegenheiten, in
denen man glaubt, es komme nur darauf an, für
sich selbst den Sieg einzubringen, wird derarti-
ges kaum bedacht. So war der Kampf um das
Gold in der modernen Welt genau noch derselbe
wie vor Jahrhunderten; Sieg in diesem Handels-
krieg hieß einfach "Prosperity" und die Nieder-
lage bestand in Arbeitslosigkeit, Krise, Hunger
und Not. -

Deutschland - anno 1924 wieder zur Gold-
währung zurückgekehrt - war in diesen Jahren
bekanntlich mit den politischen Verbindlichkei-
ten der Reparationen belastet, die jährlich an-
steigend 1500 bis 2500 Millionen Goldmark er-
forderten. Darüber hinaus hatte dieses Deutsch-
land, um seine innere Wirtschaft mit goldgedeck-
tem Gelde in Funktion bringen zu können, mehr
und mehr private Auslandsschulden aufgenom-
men und war so zu einem der größten Schuld-
ner der Vereinigten Staaten geworden. Der Zin-
sendienst für die unpolitischen Schulden erfor-
derte 5 Jahre nach der Rückkehr zum Golde
bereits annähernd dieselben Beträge zusätzlich,
die auf die Reparationszahlungen entfielen! -

Deutschland war aber der größte Industrie-
staat Europas, der am dringendsten der Voll-
beschäftigung seiner Menschen bedurfte. Dieses
wiederum setzt - im zwanzigsten Jahrhundert
genau so wie im Mittelalter oder im klassischen
Altertum - eine ausreichende Geldversorgung
und eine funktionierende Zirkulation voraus,
beides Faktoren, über die keine deutsche Regie-
rung irgendwelche Macht hatte. -

Durch die Kettung an das Gold wird Deutsch-
land in die Weltwirtschaftskrise 1929/32 hinein-
gerissen. Empfangene Kredite müssen in Gold
zurückgezahlt werden. Allein vom Januar bis
April 1929 muß die Reichsbank für 1 Milliarde
Reichsmark Gold abgeben; das sind gewichts-
mäßig 360 Tonnen reinen Goldes! Nach dem in
den internationalen Verträgen, vor allem im
Young-Plan, verankerten Goldwährungsgesetz
mußte aber der deutsche Zahlungsmittel-Um-
lauf mit 40 v. H. in Gold und Devisen gedeckt
sein. Der Verlust des Goldes löste also die Dek-
kung von 2,5 Milliarden Reichsmark auf und
zwang die Notenbank zu sogenannten "Kredit-
restriktionen" - eine Vokabel, die zwar nicht im
Wortschatz der Geschichtsschreiber vorkommt,
die aber Absatzstockungen, Produktionsdrosse-
lung, Konkurse und Zusammenbrüche - und sie-
ben Millionen Arbeitslose bedeutete! -

Nachdem im Jahre 1930 gerade erst der
Young-Plan - mit der definitiven Verpflichtung
Deutschlands auf die Goldwährung und der
verbindlichen Festlegung der jährlichen Repara-
tionszahlungen - in Kraft getreten war, war es
schon im Sommer 1931 zur großen deutschen
Geldkrise gekommen. Zu Tausenden standen die
Menschen vor den geschlossenen Bankschaltern.
Ohne Geld gerät eben das ganze komplizierte
Räderwerk der arbeitsteiligen Wirtschaft ins
Stocken. Aber wiederum war es nicht viel an-
ders als zu Zeiten der Französischen Revolution,
nur die Umstände waren andere. Was sich gleich-
geblieben war, war dies: daß die verständigen
Sachkenner, die die Gefahr kommen sahen, nicht
zu Wort kamen - weil die anderen das Heft in
der Hand hatten.

Sicherlich ist das moderne Geldwesen kom-
plizierter als das Prägen von Silber-Denaren
und Brakteaten. Wenn man große Schulden, wie
etwa die Reparationszahlungen von 1500 bis
etwas über 2500 Millionen Reichsmark in der
Geldrechnung ausdrückt, dann können Verän-
derungen des Geldwertes gewichtiger werden als
Veränderungen des Nominalbetrages. In der
"Handelszeitung" des "Berliner Tageblatts"
schrieb Dr. Felix Pinner am 6. Dez. 1930, daß
die Annuitäten des Young-Planes nun ganz von
selber um 30 Prozent schwerer geworden seien.
Gewiß muten die Zahlen von damals, an den
heutigen Ziffern gemessen, fast wie Bagatellen
an. Es ging aber im Grunde genommen auch gar
nicht um die Zahlen - wenn das Geld in der
Geschichte eine Rolle spielt, passieren die wich-
tigeren Dinge hinter den Kulissen. So war es
auch in den Pariser Youngplan-Verhandlungen
(was damals sicher nur wenige weitsichtige Be-
obachter bemerkten) lediglich eine Art Spiegel-
fechterei, um die Höhe der jährlichen Annuitä-
ten und Besatzungskosten zu feilschen. Wich-
tiger war die grundsätzliche und endgültige
Festlegung auf das Gold, denn mit der vor der
Tür stehenden Weltkrise, die sich in den Verei-
nigten Staaten schon 1928/29 angezeigt hatte,
stand die Wertsteigerung des Goldes in Aus-
sicht. Nachdem der Knoten geschürzt war - auf
deutscher Seite von Dr. Hjalmar Schacht als dem
federführenden Mitglied der deutschen Delega-
tion - gingen freilich den Sachverständigen der
zweiten und dritten Garnitur auch die Augen
auf. Jetzt war es aber zu spät. Doch jetzt konnte
man in dem gleichen "Berliner Tageblatt" auch
lesen, daß Deutschland unter dem zunehmenden
Druck der Reparationen mit der Krise rechnen
müsse. Das sei kein Zufall mehr, das sei kau-
saler Zusammenhang.

"Weshalb ist letzten Endes die Restriktion
der Wirtschafts-Kredite notwendig geworden?
Der letzte auslösende Anlaß war, daß die Wäh-
rung infolge der Abziehung großer Teile der
Deckungsmittel des Notenumlaufes aus der
Reichsbank einen Schutz verlangte (!). Die Reichs-
bank konnte unter dem Zwang des Bankgeset-
zes, dem sie gehorchen mußte (und das mit dem
Young-Plan auf diesen Sinn hin geändert wor-
den war! d.V.) gar nichts anderes tun, als ihren
Notenumlauf durch starke Kontraktion ihrer
Kredite den verringerten Deckungsmitteln an-
zupassen. . . Im äußersten Notfall würde ihr
nichts anderes übrig bleiben, als die Währungs-
krise auf die Wirtschaft abzuleiten, selbst auf
die Gefahr hin, daß eine schwere Wirtschafts-
krise entstünde."

Es ist ganz selbstverständlich, daß niemand
voraussehen konnte, wie fürchterlich die Folgen
sein würden, die sich aus der falschen Geldpolitik
nachher ergeben haben. Da hörte alle Phantasie
auf. Und doch, wer auch nur eine Spur wirt-
schaftsgeschichtlicher Kenntnisse besessen hat,
der mußte doch wenigstens die große Linie der
gefährlichen Entwicklung sehen, wenn der Welt-
handel zerstört und mit der Drosselung der in-
dustriellen Produktion die Existenz eines 70-
Millionen-Volkes bedroht wurde; denn wer diese
Dinge sah und die geschichtlichen Lehren nicht
als tote Vergangenheit nahm, der konnte sich
darauf verlassen:

Es ist immer noch richtig, was John Locke
einstmals erklärte: "Es gibt nur zwei Wege. . .
Eroberung oder Handel." Jetzt aber, wo der
Handel versagt hat, wo alle Bemühungen um
die Steigerung der Ausfuhr in dem zusammen-
gebrochenen weltwirtschaftlichen Leistungsaus-
tausch umsonst sind, jetzt kommt ein Mann, der
nicht mehr vom Handel spricht, wohl aber von
"Eroberung". - Es geht ihm zwar nicht um die
Eroberung von Gold - um diese für nötig zu
halten, muß man der Meinung sein, es bedürfe
des Goldes, um Brot und Rohstoffe zu erlangen
und die Produkte der nationalen Volkswirt-
schaft umzusetzen -, es geht ihm nur um die Er-
oberung von Land, von Brot und Rohstoffen.
Und dieser Mann findet Gehör und formiert
seine Armeen - und macht Geschichte. Es ist eine
düstere Geschichte. Die Historiker werden hin-
terher der Auffassung sein, dieser Mensch Adolf
Hitler habe das alles verschuldet, was mit sei-
nem Erscheinen über die Welt hereingebrochen
ist. Und doch hat auch bei diesem Kapitel Ge-
schichte das Geld seine Rolle gespielt. Und es
spielt sie weiter. Und wir merken es nicht.


Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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