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". . . England mit seiner langen Geschichte
erfolgreicher Aggression, mit seiner Überzeu-
gung, daß es in Verfolgung seiner eigenen Inter-
essen Licht an die im Dunkeln lebenden Natio-
nen spendet, und Deutschland, Bein von seinem
Bein, Blut von seinem Blut, mit einer geringeren
Willenskraft, aber vielleicht mit einer schärferen
Intelligenz, konkurrieren in jeder Ecke der Welt.
In Transvaal, am Kap, in Zentral-Afrika, in In-
dien und im Osten, auf den Inseln der Südsee
und im fernen Nordwesten - überall - und wo
nicht? - Die Flagge ist der Bibel gefolgt, und
der Handel folgt der Flagge; hier kämpft der
deutsche Bannerträger mit dem englischen Händ-
ler. Ist irgendwo eine Miene auszubeuten, eine
Eisenbahn zu bauen, ein Eingeborener von Brot-
frucht zum Büchsenfleisch zu bekehren, von Ent-
haltsamkeit zum Schnaps, der Deutsche und der
Engländer kämpfen, der erste zu sein. Eine Mil-
lion kleine Auseinandersetzungen bauen den
größten Grund zum Kriege auf, den die Welt je
gesehen hat. Wenn Deutschland morgen ausge-
löscht würde, würde übermorgen auf der ganzen
Welt kein Engländer sein, der nicht reicher wäre.
Nationen haben jahrelang wegen einer Stadt ge-
kämpft oder wegen eines Erbrechts; müssen sie
nicht kämpfen um zweihundertfünfzig Millio-
nen Pfund jährlichen Handels-Umsatzes?" -
Nach knapp zwei Jahrzehnten war der Welt-
krieg im Gange - und um nichts anderes als um
die Konkurrenz auf dem Weltmarkt drehte sich
dieses Ringen. Aber als dieser Krieg seinem
Ende zuging, war die alte Ordnung unserer
Welt selbst Geschichte geworden. Gesiegt hatte
überdies nicht England, gesiegt hatte das Gold,
das mit dem Schwerpunkt seiner Macht wäh-
rend dieses Krieges in die Neue Welt zurückge-
kehrt war, von der es einstmals herkam. Wer
die Geschichte dieses ersten Weltkrieges und die
Memoiren der Diplomaten liest, wird freilich
seinen Blick auf vordergründige Dinge, Gestal-
ten und Ereignisse hingelenkt finden und er
wird nichts von dem bemerken, was sich - für
die Zukunft wesentlicher und wichtiger - im
Hintergrunde abspielte.
Vier Jahre lang haben die ringenden Mächte
kriegswichtige Güter und Materialien erst gegen
Zahlung in Gold und dann auf Kredit aus Über-
see bezogen. Und nach der Beendigung des Krie-
ges wurden die aufgelaufenen Schuldverpflich-
tungen ausdrücklich als in Gold rückzahlbar fi-
xiert. "Kein größerer Akt der Torheit ist jemals
verübt worden", erklärt Arthur Kitson 1929 in
London, "als der durch die Koalitions-Regie-
rung des Mr. Lloyd George, welche die Vor-
schläge der Cunliffe-Geld-Kommission annahm,
die diese von den Wall-Street-Bankiers mitge-
bracht hatte. Da das Gold den Handel der Welt
beherrscht, so folgt daraus, daß das Volk, das
die Weltgoldvorräte beherrscht, die höchste
Macht über den Handel und die Industrien der
Welt ausübt. Die Totalsumme an Gold, die für
Münzzwecke verfügbar ist, wird auf 2 Milliar-
den Pfund Sterling (= 40 Milliarden Gold-
mark) geschätzt, die Goldschulden der Welt
werden aber auf mehr als 40 Milliarden Pfund
Sterling (= 800 Milliarden Goldmark) geschätzt
das ist zwanzigmal mehr als der ganze Welt-
vorrat! Die totale Zinssumme, die jährlich auf
diese verschiedenen Schulden zu bezahlen ist,
würde, in Gold bezahlt, den ganzen Goldvorrat
erfordern. Das Resultat ist die vollständige Ver-
sklavung der Produktivkräfte der Welt an die
Geldmacht. . ."
Die Macht des Goldes erfordert nicht, daß es
im Besitze einer Nation verbleibt; die Macht be-
ruht vielmehr gerade darauf, daß andere daran
teilhaben, daß sie der Lockung erliegen, daß ein
Bedürfnis geweckt wird, das sich steigern läßt
und nie befriedigt wird. - Wenige Jahre nach
dem großen Krieg war dieser Zustand wieder
hergestellt. Allein in Europa hatten 27 Natio-
nen sich wieder dem Golde gebeugt. Mit dem
Papiergeld hatte schließlich die Neuzeit noch
hemmungsloser gewirtschaftet als John Law, der
klassische Inflationist, und auch hemmungsloser
als die Französische Revolution. Als die Zettel
der Französischen Revolution eingezogen wur-
den, hatten sie immerhin noch rund ein Vier-
tausenstel ihres ursprünglichen Wertes, wäh-
rend die Mark der deutschen Inflation anno
1923 auf ein Billionstel zusammengeschrumpft
war. Diese groteske Entwertung war sogar tech-
nisch weniger durch den Gebrauch von Papier
als durch den Gebrauch von Nullen ermöglicht.
Im Sommer 1923 erforderte die Geldschein-
produktion der Reichsbank 50 Großdrucke-
reien im Reich, die in Tag- und Nachtschichten
Noten druckten. Mehrfach waren der Scheine,
zu dem Zeitpunkt, da sie an den Schaltern aus-
gegeben werden sollten, schon nichts mehr
wert. Die letzte Note hatte schließlich einen
"Nennwert" von 100 Billionen Mark. Außer-
dem waren noch mehr als 100 Druckereien mit
der Herstellung von Notgeld der Industrie, der
Banken und der Gemeinden beschäftigt. Man-
cherorts klammerte man sich an irgendeinen
bescheidenen Sachwert; da gab es Bielefelder
Seidenscheine, Leinenscheine mit Spitzenborte,
fein säuberlich als Geld bedruckt, Aluminium-
scheine, Sohlengeld, Osterwiecker Glaceleder-
scheine, Allgäuer Milchgeld, Geldscheine aus
Sperrholz, Münzen aus Pappe und aus Ton.
Wenn man die Billion Papiermark, die im
November 1923 eine einzige Rentenmark auf-
wogen, in der Inflation auf Einzelscheine ge-
druckt hätte, würde das Papier hierzu rund
4000 Eisenbahn-Waggons gefüllt haben! - Kein
Wunder, daß die Rückkehr zum Golde nach
diesem Taumel von Papier und Nullen den Men-
schen wie eine Erlösung erscheinen mußte. -