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Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

GOLD UND SILBER AUS DER NEUEN WELT

Es mag noch viele Dinge geben, die in der
geschichtlichen Entwicklung zu den Notwendig-
keiten gehören, ohne die der wirkliche Verlauf
der Vorgänge nicht denkbar wäre. Wo aber der
Geldstrom einsetzt, da bringt er das Zusammen-
spiel dieser Faktoren und den Fluß der Ereig-
nisse zustande. Die Renaissance, soweit sie vom
Gelde erweckt war, hat im Beginn nur von der
Substanz des in Europa vorhandenen Geldes ge-
lebt. Aber der Erfolg der erwachten Regsam-
keit weckte den Wagemut, der in die Ferne
strebte nach den sagenhaften Schätzen Indiens.
Und der Geist dieser Zeit läßt auch den Einsatz
vertretbar erscheinen, der für die weltgeschicht-
liche Reise des Christoph Kolumbus nötig war.
Viele Jahre hatte er sich - erst in Portugal und
dann am spanischen Hof - um diese Reise be-
müht, bevor die Königin Isabella ihn mit seinen
drei Schiffen auf den Weg schickte.

Die Gier nach Gold begleitete ihn - und nun
geschah nicht nur das für die damalige Zeit ge-
radezu Unfaßbare, daß er wirklich auf Land
stieß, sondern auch noch das andere, daß es ein
Land war, welches einen märchenhaften Reich-
tum an Gold barg! - Nichts als Gold wollen
jetzt die Eindringlinge. Die Indios müssen ab-
liefern, was sie haben und finden. Selbst vier-
zehnjährige Knaben werden zu Goldlieferungen
gezwungen. Schon kommt es zu Grausamkeiten
und Aufständen. Aber das alles ist erst ein An-
fang. -

Kolumbus kehrt mit reicher Beute nach Spa-
nien zurück, wird im Triumph empfangen, mit
Ehren überschüttet - später wird es ihm noch
anders ergehen! - Aber jetzt folgen erst seine
weiteren Reisen und hinter ihm drängt sich die
Flut der Eroberer und Abenteurer; es kommt ein
Ferdinand Cortez, es kommt ein Francisco Pi-
zarro. Cortez findet den Weg nach Mexiko,
stößt auf ein Reich voll goldener Wunder. Ein
Kaiser wird inmitten einer märchenhaften Pracht
von seinen Kriegern wie ein Gott verehrt. Man
gibt sich vertrauensselig arglos diesen seltsamen
Weißen gegenüber und bietet den Eindringlin-
gen Geschenke, darunter eine Prunkschale im
Werte von einer Million. Aber diese Geschenke
stacheln die Begierde der Fremden noch mehr
auf. Sie überfallen den Kaiser und legen ihn in
Ketten. Da kommt es zu einem Blutbad in der
goldstrotzenden Stadt Tenochtitlan, dem nur
wenige der Eindringlinge entrinnen. Doch Cor-
tez kommt davon und kehrt wieder mit überle-
gener Macht; die Azteken werden geschlagen,
ihre Tempel und Paläste geplündert, und ihre
reichen Erzgruben, die Gold und Silber bergen,
sind fortan spanischer Besitz. -

Für das Begriffsvermögen der alten Welt
mochte es höchst erstaunlich sein, daß diese
fremdartigen Kulturen, die in den Schätzen von
Gold und Silber schwelgen konnten, sich eines
primitiv anmutenden Naturalgeldes bedienten.
Bei den Azteken im alten Mexiko galt zu den
Zeiten, da Fernando Cortez das Land eroberte,
die Kakaobohne als Geld. Cortez schrieb in sei-
nen Berichten: "Man hält sie so hoch, daß sie im
ganzen Land als Münze gelten und man alle
Notdurft dafür kaufen kann auf Märkten und
anderswo" (s. Koppe, 3 Berichte des Don Fernan-
do Cortez, Clavigero, History of Mexico, vol.
3. p. 86; Ridgeway a. a. O. S. 171). Unserem
heutigen Begriffsvermögen ist die Sache aber
nicht mehr gar so unverständlich. Wer Gold und
Silber in Hülle und Fülle hat, für den ist es nicht
mehr viel wert; was diese Metalle geeignet
machte, in unserem Kulturkreis als Geld zu die-
nen, das war ja nur ihre Knappheit. In Mexiko
war dagegen die Kakaobohne das verhältnis-
mäßig knappe Gut. Auch Kolumbus fand das
Kakaobohnengeld bei den Maya-Händlern auf
Guanaya (Honduras). Wahrscheinlich waren die-
se alten Kulturen durch die Besonderheit ihres
Geldwesens nicht in dem Grade konjunkturemp-
findlich, den die Edelmetallwährung bedingt -
wenn Gold und Silber entmünzt und für Prunk
und Kult und Schatzbildung verwendet werden.
Aber nun fielen sie den fremden Eindringlingen
zum Opfer.

Nicht weniger tragisch war das Unglück, das
mit der Goldgier Francisco Pizarros über das
Reich der Inkas hereinbrach. 1533 war Pizarro
mit einem kleinen Trupp seiner beutehungrigen
Abenteurer-Soldaten bis vor den Sonnenkönig
des Inka-Reiches vorgedrungen. Der König hat-
te ihn, auf einem goldenen Throne sitzend, emp-
fangen, umgeben von seinen Getreuen und sei-
nen Kriegern. Fast hält man die weißen Männer,
die über das große Wasser gekommen sind, für
Götter - bis sie die arglosen Indianer überra-
schend mit ihren Feuerwaffen niedermachen,
den König gefangen nehmen, um Gold zu er-
pressen. - Der Inka-König Atahualpa verspricht
als Gefangener, Gold herbeischaffen zu lassen,
soviel, um den Boden des großen Raumes, in
dem er jetzt als Gefangener steht, bedecken zu
lassen; er übersieht die sprachlose Verwunde-
rung der Fremden und hebt die Hand, - so hoch
werde er den Boden mit Gold bedecken. Aber
während das Gold aus den Tempeln und Schatz-
kammern des Landes von eilenden Boten geholt
wird, vergehen Wochen. Es entsteht Streit unter
den Eroberern um die Beute. Eine Partei will
die Karawane der Inkas abfangen, die den
Hauptteil des Goldschatzes bringen soll. Der
König wird gefoltert, damit er den Weg verrate,
und schließlich erdrosselt. - Ein Reich fremdar-
tiger Kultur war dem Untergang verfallen. Und
wie immer, wenn die Gier den Menschen über-
mannt und zum Verbrechen treibt, steht das
Ergebnis in keinem Verhältnis zu der voraus-
gegangenen Tat. Der große sagenhafte Schatz
der Inkas gelangt nie in die Hände der Eroberer
- er ist bis heute noch nicht gefunden. - Die Kun-
de von dem Verbrechen am König war den Bo-
ten entgegengeeilt. So haben sie den Schatz auf
unwegsamen Pfaden in Sicherheit gebracht -
vielleicht auch haben sie ihn den Bergen zurück-
gegeben.

Dennoch hat die Entdeckung Amerikas durch
Kolumbus wie auch die Entdeckung des Seewe-
ges nach Indien durch die Portugiesen die ge-
schichtliche Entwicklung in neue Bahnen gelenkt.
Den Auffassungen der Zeit entsprechend war
der Papst in Rom als Stellvertreter Gottes die
höchste Instanz, die über die Verteilung der neu
entdeckten Welt zu befinden hatte. Demgemäß
wurde Brasilien, Afrika und Indien mit einem
päpstlichen Dekret anno 1494 den Portugiesen
zugeteilt, während der von Kolumbus neu ent-
deckte Kontinent den Spaniern verliehen wurde.
Da aber das spanische Königshaus 1519 mit der
Wahl Karls V. zum Deutschen Kaiser die Herr-
schaft über das ganze Heilige Römische Reich
Deutscher Nation erlangte, waren die Geldfür-
sten, die Fugger und Welser, denen der Kaiser
verpflichtet war, schon an der Quelle des über-
seeischen Reichtums. -

Nach den in späteren Zeiten erst aufgestellten
Übersichten über die Gold- und Silber-Zufuhren
aus der Neuen Welt blieben die mit Blut und
Verbrechen errungenen ersten Gewinne kläglich
gering gegenüber dem, was die Ausbeute der
Bergwerke nachdem erbrachte. Über den Ge-
samtumfang der Zuflüsse liegen keine zuverläs-
sigen Zahlen vor. Ruhland beziffert den Zufluß
von 1493 bis 1600 auf 4027 Millionen Gold-
mark, ohne das Silber; Oesterheld schätzt, daß
nur etwa 2106 Millionen Goldmark in dieser
Zeit nach Europa kamen. Helfferich bietet mit
der Soetbeer`schen Statistik, die auch später noch
die außerordentlichen Zuflüsse aus Brasilien re-
gistrierte, vielleicht die besten Unterlagen. Doch
selbst wenn das, was Oesterheld angibt, nur an-
nähernd richtig ist, bedeutet es immerhin, daß
der Edelmetall- und Geld-Bestand des mittel-
alterlichen Europa von rund 500 Millionen
Goldmark in kurzer Zeit auf das Vierfache ge-
steigert wurde. Von dieser gewaltigen Zufuhr
kommen beim Golde fast 60 v. H. und beim
Silber sogar 89 v. H. aus den spanischen über-
seeischen Besitzungen! -

Und wiederum zeigt sich, daß das Geld, das
vielgeschmähte und vielbegehrte Ding, wie be-
lebendes Blut durch die Adern der Welt zu pul-
sieren begann, neue Regsamkeit auslöste und
diese Welt in Leistungen hineinsteigerte, wie sie
vorher nicht gekannt wurden. Neue Entwick-
lungen, neue Produktionen, neue Entdeckungen
und Einsichten, aber auch neue Machtkämpfe
zogen herauf. Immer aber, wenn wir dem Strom
der Geschichte auf den Grund schauen, sehen
wir das Schimmern und Blinken der Metalle, die
den Inbegriff des irdischen Besitzes repräsentie-
ren, solange sie Geld sein werden. -


Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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