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Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

DAS GELD IN DER RENAISSANCE

Während Blütezeit, Reife und Niedergang
der gotischen Kultur sich über das Kernland Eu-
ropas ausbreiteten, um nach dem Nordosten zu
verebben, lag der Süden lange Zeit noch im
Dornröschenschlaf der versunkenen Antike. Ar-
beitsteilung und Geldwirtschaft waren zwar nie
völlig vergessen, aber der Kreislauf der Leistun-
gen war träge und kümmerlich. Fehlte es an
Menschen, am Geiste, an Geld? - Vielleicht be-
durfte es nur eines Anstoßes, um das Schlum-
mernde erwachen und neu ins Dasein treten zu
lassen.

Italien war der Sitz des Papstes, des Ober-
hauptes der Christenheit. Über Italien und seine
Häfen gingen zwei Jahrhunderte lang die
Kreuzzüge nach dem Heiligen Land. Und mit
diesen Kreuzzügen kam aus Frankreich, aus
England, aus dem Norden ein Strom von Geld,
das für die mannigfachen Bedürfnisse der Heere
verausgabt wurde und an der Straße der Kreuz-
fahrer sich niederschlug. So wurde die gewerb-
liche Regsamkeit wieder langsam lebendig.

In umgekehrter Richtung aber öffneten die
Kreuzzüge die Handelswege nach dem Orient
und brachten das christliche Abendland mit den
Erzeugnissen fremder hoher Kulturen in Berüh-
rung. Bald folgten dem ekstatischen Ritter, der
das Heilige Land erobern wollte, tatkräftige Er-
denmenschen, kluge Rechner und gewandte
Händler. Aus der Eroberung des Heiligen Lan-
des wurde nichts; aber der Händler fand auf
den Märkten des Morgenlandes seltsame Ge-
würze, Pfeffer, Kümmel, Muskat, Safran, Ing-
wer, Zimt und mancherlei anderes, was den
Handel lohnte. So ergab sich zwischen den bei-
den Welten, zwischen der Welt des christlichen
Abendlandes und der Welt der Ungläubigen, all-
mählich ein reger Handelsverkehr. Eines der
meistbegehrten Gewürze war der Pfeffer, den
die kapitalstarken Kaufherren, die Medici und
Peruzzi in Italien, die Fugger und Welser in
Deutschland, in ganzen Schiffsladungen einführ-
ten. Gold und Silber war aus dem Orient wenig
zu holen, aber Indigo und Brasilholz zum Fär-
ben der Stoffe, und Alaun, um den Farben
Glanz und Haltbarkeit zu geben, waren zur
weiteren Entfaltung der heimischen Erzeugung
nicht minder wichtig. Alaun wurde im 15. Jahr-
hundert aus Ägypten und Kleinasien nur von
den Türken geliefert, jährlich für 100 000 Gold-
gulden.

Die Abwicklung solcher Geschäfte brachte
für die Handelshäuser, die sich damit befaßten,
und für die Städte, die den Güterumschlag be-
wältigten, allmählich einen beträchtlichen Reich-
tum. Der Reichtum aber stärkte das Selbstbe-
wußtsein der Menschen, der Umgang mit frem-
den Völkern und Kulturen weitete den Hori-
zont. Und so entwickelte sich eine ganz neue
Lebenshaltung. Man wurde diesseitsfreudig,
lebensbejahend, tatendurstig, prachtliebend; die
Fesseln frommer Beschaulichkeit und bedingungs-
loser Kirchengläubigkeit wurden gesprengt. Ne-
ben der im Norden noch voll blühenden Gotik
entfaltete sich hier im Süden die ganz andersar-
tige Blüte der Renaissance. Und auch diese Blüte
entwickelte sich erst, nachdem der Boden mit
Geld gedüngt war.

Genau wie im Norden wurden indessen auch
hier im Süden aus Großkaufleuten schließlich
Bankiers. Das Haus der Medici hatte sich im
Auftrag des Papstes sogar mit der Einziehung,
Verwaltung und produktiven Anlage der aus
der gesamten Christenheit an die römische Ku-
rie fließenden Abgaben zu befassen. Die Medici
waren um 1300 Kaufleute, um 1400 Bankiers
und um 1500 Fürsten und Päpste. Unter den
Notwendigkeiten dieser großen und weitge-
spannten Aufgaben entwickelte sich jetzt ein
durchgebildetes Rechnungswesen, ein erster An-
fang betriebswirtschaftlicher Erfolgsrechnung
und ein reiner Geldverkehr, der vom Süden her
das ganze übrige Europa in seine Netze einzu-
spinnen verstand.

Die im Anfang des 16. Jahrhunderts in
Deutschland zum Durchbruch gekommene leiden-
schaftliche Abwehr des Ablaßwesens war sehr
stark davon bestimmt, daß solcherart der Geld-
strom nach dem Süden gezogen wurde. In Rom
war um diese Zeit ein Medici Papst geworden;
und dieser Leo X., ein Mann seiner prachtlieben-
den Zeit, brauchte Millionen für den großarti-
gen Ausbau von St. Peter. Und wenn dies nun
auch nicht der erste und der einzige Ablaß war,
der für diesen Dombau das Geld nach Rom
brachte, so war hier doch das erste große Ärger-
nis gegeben. Ohne Frage sind die Auswirkungen
des Geldabflusses im allgemeinen Bewußtsein
nur langsam zur Kenntnis genommen worden.
In Wirklichkeit war Rom schon lange ein Ma-
gnet für das Geld. Bereits aus dem 14. Jahrhun-
dert wird berichtet, daß zur Verkündung des
Jubelablasses endlose Pilgerzüge nach Rom ge-
kommen seien und daß zwei Priester Tag und
Nacht mit Rechen in den Händen das Geld ein-
gestrichen hätten, das die Gläubigen vor dem
Altar des heiligen Petrus niederlegten. Sicher
steckte in mancher von diesen Münzen dasselbe
Silber, das einstmals beim Niedergang des römi-
schen Weltreichs abgeflossen und abenteuerliche
Wandlungen in Fürsten- und Kirchenschätzen,
in verborgenen Verließen und nordischen Bau-
ernstuben durchgemacht haben mag, das in der
Brakteatenzeit mancherlei Prägungen getragen
und auf vielen Märkten in den Städten des Nor-
dens von Hand zu Hand gegangen sein mochte -
jetzt war es also wieder in Rom, aber in einem
anderen Rom als dem einstigen.


Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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