[ Homepage: www.geldreform.de ] [ Gäste- / Notizbuch: www.geldreform.de ]

Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

DIE WEGE DER FALSCHMÜNZEREI

Auch in aufgewühlten Zeiten geht das Leben
noch irgendwie weiter. Der Mensch muß essen,
muß sich kleiden und muß ein Dach über dem
Kopfe haben. So veränderte sich zwar vom 16.
zum 17. Jahrhundert nichts Grundsätzliches an
der eingespielten Ordnung von gewerblicher
Tätigkeit und Marktwirtschaft; es schien nur,
daß sie nicht mehr alle ernähren konnte, so daß
Landstreicher und entwurzeltes Kriegsvolk das
Land unsicher machten. Doppelt sorgfältig ver-
barg der Stadtbürger seinen Geldschatz, und
auch der Bauer hielt es für geraten, seine Thaler
gut zu vergraben.

Des weiteren kam zu dieser Entwicklung
hinzu, daß die Luxusbedürfnisse der Herren
jetzt immer mehr Münzmetall aus der Volks-
wirtschaft herauszogen. In der aufschlußreichen
Schrift von Menzner-Flocken "Kaufkraft und
Zeitgeschehen" finden wir interessantes Mate-
rial hierzu. So ist in der Pfalz von dem reichen
Geschlecht Meinhard von Schönberg überlie-
fert, daß der Vater um 1590 noch mit einem
Silbergeschirr von 1 Kanne, 8 Becherlein und
2 Salzfäßchen auskam, während der Sohn um
das Jahr 1616 bereits Teller und Schüsseln,
Leuchter und Schreibzeug ja selbst Gießkannen
aus Silber beanspruchte! - Wie einst in der
Zeit der Völkerwanderung verwandelte sich
das blinkende Metall nun wieder in nutzlose
Schätze - und das Geld wurde knapp.

Längst war die regelmäßige Münzerneuerung
aufgehoben, und die Münzherren brauchten, da
der Geldbedarf noch dringender zu werden
schien, mehr neues Münzmetall als die Silber-
gruben liefern konnten. Händler durchzogen das
Land, machten Wechselgeschäfte, verstanden
leichte und schwere Münze geschickt auseinan-
derzuhalten, die schweren zu beschneiden und
wieder an den Mann zu bringen; kauften auch
manche silberne Schüssel, manchen Becher und
zwischendurch auch wohl einmal einen kupfer-
nen Kessel. Dieses Metall wurde in die Münze
geliefert; und so entstanden doch immer wieder
neue Thaler. Der ehrbare Zunftmeister und der
biedere Bauer, die sich das auf dem Markt einge-
nommene Geld nach einiger Zeit besahen, muß-
ten dann freilich feststellen, daß es merkwürdig
rot geworden war. Und nun stellte sich auch her-
aus, daß die auswärtigen Erzeugnisse allmählich
teurer wurden, wenn man sie mit solcher roten
Münze kaufen wollte. -

Das Geschäft des Münzenprägens blühte.
Münzherren und Städte mußten Geld schaffen
für Kriegszwecke. Mitunter wurden die Münz-
rechte an beliebige Unternehmer verpachtet oder
verkauft. Betrug und Fälschungen nahmen über-
hand. Stempel und Jahreszahl guter Reichsthaler
wurden nachgeahmt und neugeprägte Münzen
mit Säuren behandelt, daß sie alt und echt aus-
sehen sollten. In der Chronik von Sangershau-
sen wird berichtet, daß die Kupfermünzen "ge-
sotten und weiß gemacht" worden seien, das
habe etwa acht Tage vorgehalten, Zeit genug,
um das Geld an den Mann zu bringen. So wurde
das neue Geld immer wertloser. Schließlich war
sogar das Kupfer schon so kostbar, daß z. B.
Leipzig eckige Blechmünzen prägte. (*) Wer Schul-
den hatte - im Anfang des 17. Jahrhunderts war
die Aufnahme von Geld-Darlehen schon verbrei-
tet - zahlte sie rasch mit dem aus einem kup-
fernen Kessel herrührenden "Thalern" zurück.

Es war die Zeit der "Kipper und Wipper",
die erste neuzeitliche Währungszerrüttung durch
inflationistische Geld-Vermehrung. Wohl hat
diese Geldvermehrung die Stockungen im mit-
telalterlichen Gewerbeleben gemildert, die durch
die vorausgegangene Verschatzung von Geld be-
wirkt worden waren; aber das Ende davon war
doch eine vollkommene Verarmung der betroge-
nen Bürger und Bauern. Auch damals gab es be-
reits zahlreiche Prozesse um die Rückzahlung
"guten Geldes". Die Obrigkeit war der Lage
nicht mehr gewachsen; ja, auch das Reichsgeld
sank trotz seines Zwangskurses im Werte. Um
der allgemeinen Teuerung zu begegnen, setzte
die Obrigkeit Höchstpreise fest. Aber nun ver-
kauften die Bauern kein Korn und kein Vieh
mehr - und die Not wurde noch größer.

Wenn etwas im Staate oder in der Gesellschaft
nicht in Ordnung ist, braucht die öffentliche Mei-
nung einen Sündenbock. Diesen Sündenbock
stellten damals die Leute dar, die das gute Geld
vom schlechten noch zu unterscheiden vermoch-
ten und das schwerere Geld "wippend" oder wä-
gend "ausseigerten", d. h. aussortierten. Auf
diese Leute richtete sich der Zorn des Volkes. In
Wirklichkeit waren allerdings die Münzherren
selber die eigentlichen Schädlinge, wie der unbe-
kannte zeitgenössische Kritiker, der sich hinter
dem Namen "Knipphardius Wipperius" ver-
barg, anno 1622 in seiner Flugschrift schrieb:

"Ich habe noch keinen einzigen Pfennig, ge-
schweige denn gröbere Münze gesehen, worauf
der Kipper und Wipper oder eines Juden Name,
Wappen oder Gepräge stände - sondern man
sieht darauf wohl ein sonst bekanntes fürstliches
Gepräge oder Bild und wird der Kipper und
Wipper nicht mit dem geringsten Buchstaben
gedacht." Gewiß sei manche gute alte Kupfer-
pfanne, worin soviel gutes Bier und so mancher
schöne Trunk Breihahn gekocht wurde, ver-
schmolzen und vermünzt worden - "doch dies
ist nicht von den gemeinen Kippern, sondern
von den Erzkippern geschehen. Denn jene haben
keine Berechtigung zu münzen, und ob sie gleich
wie die Spür- und Jagdhunde das Silber aufge-
trieben, so hätten sie es doch nur auf Befehl an-
deren abgejagt." Sie seien also " . . . auch nicht in
so schwerer Verdammnis als diejenigen (sie mö-
gen heißen, wie sie wollen), so die Münzrechte
vom Reich haben und dieselben zu merklichem
Schaden deutschen Landes mißbrauchen" (s. Rob.
Eisler: Das Geld, S.184).

Letzteres bestätigt auch L. v. Ebengreuth:
"Hans de Witte, einer der Vorstände der Pra-
ger Kaufmannschaft, übernahm für eine Gesell-
schaft von 15 Personen mit Vertrag vom 18. Ja-
nuar 1622 das ganze Münzwesen in Böhmen,
Österreich ob und unter der Enns und Mähren
bis zum 16. Februar 1623 gegen einen Pacht-
schilling von 6 Millionen Kippergulden. Diese
Herren nützten ihre Zeit so gut aus, daß der Zu-
sammenbruch nach Jahresfrist schon unvermeid-
lich war."

Natürlich lag die Ursache für diese Entwick-
lung in erster Linie in den Mängeln der Münz-
ordnung. Dazu kamen aber noch, wie Richard
Gaettens in seinem Buch "Inflationen" sicherlich
mit einigem Recht erklärt, die politischen Trieb-
kräfte. Gaettens meint: "Die Erkenntnis, daß
die politische Gesamtlage einen großen Krieg
erwarten ließ, war schon seit 1615 allgemein.
Daher begannen alle Fürsten und Stände sich
auf diesen Krieg vorzubereiten, d. h. zu rüsten.
Um diese Rüstungen zu finanzieren, suchten die
Münzherren aus dem Münzschlag durch ständige
Verringerung des Feingehalts und des Gewich-
tes soviel Gewinn als möglich herauszuholen."
Anno 1618 kam es denn auch mit dem Prager
Fenstersturz zu diesem erwarteten großen Krieg.
Wir sehen also, die Verschlechterung des Geldes
und der Krieg gehörten auch damals schon zu-
sammen.

Die Münzunordnung hat dann freilich bis weit
über den dreißigjährigen Krieg hinaus - ja sogar
bis in das nachfolgende Jahrhundert hinein - an-
gehalten. Daß der endlose Krieg das Horten und
Verschatzen von gutem Geld geradezu zum vor-
dringlichsten Anliegen aller Stände gemacht ha-
ben muß, liegt auf der Hand. So war auch nach
dem Krieg das Silber noch rar, und die Falsch-
münzerei ging weiter. Um den unhaltbaren Zu-
ständen abzuhelfen, kamen die Kurfürsten von
Brandenburg und Sachsen anno 1667 im Kloster
Zinna in der Mark Brandenburg mit dem Her-
zog von Braunschweig zusammen, um einen neu-
en Münzfuß festzulegen. Nach dem "Zinna`schen
Münzfuß" sollte die Mark Feinsilber - die
"Mark" ist hier als eine Gewichtsmenge zu be-
greifen - 10 Reichsthaler und 12 Groschen oder
15 Floren und 45 Kreuzer ergeben. Doch die
Münzherren kümmerten sich nicht darum, aner-
kannten die neuen Bestimmungen nicht und
prägten unentwegt 12 bis 15 Reichsthaler aus
einer Mark Silber. Die Münzverschlechterung
ging immer noch weiter.

Danach kam es im Jahre 1690 in Leipzig zu
einer neuen Zusammenkunft der Landesfürsten.
Und nach dem hier beschlossenen "Leipziger
Münzfuß" wurde nun festgesetzt, daß die Mark
Feinsilber 12 Thaler oder 18 Floren ergeben
müsse. Aber auch das war noch lange keine end-
gültige Überwindung der Geldunsicherheit. Auf
dem Reichstag zu Regensburg kam es 1736 zu
einem "General-Münz-Probationstag"; aber erst
einige Jahre später wurde der "Leipziger Münz-
fuß" nun doch durch ein Reichsgutachten für all-
gemeinverbindlich erklärt.

Die Münzverschlechterung war im übrigen
nicht überall gleichmäßig, doch gehörten die
brandenburgischen Thaler wohl zu den schlech-
testen; sie bestanden fast nur noch aus Kupfer.
Demgemäß war hier auch die Teuerung am
schlimmsten.

Daß hemmungsloses Geldmachen einerseits
und Teuerung andererseits immer Hand in Hand
gehen, zeigte sich schon zum Anfang dieser lang-
anhaltenden Währungszerrüttung. Bereits 1521
hatte sich der Kanzler des ungarischen Königs
Ludwig II. von seinem Schatzmeister Alexius
Thurzo und einem zweiten skrupellosen Bera-
ter, Emmerich Szerenzich, dazu verleiten lassen,
der königlichen Münze 75 Prozent Kupfer bei-
zumischen. Die Thurzo-Fugger geboten um diese
Zeit bereits über die gesamte Erzeugung der un-
garischen und Tiroler Kupferminen. Vier Jahre
danach kam es denn auch - just unter den Hüt-
tenleuten der Thurzo-Fugger-Gruben - zu einem
Aufstand. Die Knappen traten auf freiem Feld
bewaffnet zusammen und eröffneten dem Faktor
der Fugger, sie verlangten jetzt entweder gute
alte Münze zum Lohn oder für jeden Gulden
nicht einhundert, sondern zweihundert Pfennige
von der derzeitigen Prägung. Der Faktor ver-
legte sich aufs Verhandeln und bot einhundert-
fünfzig Pfennige; die Leute blieben aber unnach-
giebig bei ihrer Forderung und so mußte der
Faktor nach langer Beratung mit den Richtern
nachgeben und die Bewilligung der Forderung
verkünden - wie die Chronik berichtet, "mit
feierlichem Protest ob der angetanen Gewalt".
Darauf schossen die Hüttenleute ihre 500 Don-
nerbüchsen ab und machten mit Pauken und
Fahnen die Runde um das Fuggerhaus. Am an-
deren Tag erhielten sie den Lohn, wie es ihnen
versprochen worden war, für jeden Pfennig
überlieferter Währung deren zweie in neuem
Geld.

Doch nicht überall waren die Geschädigten
findig und stark genug, sich in Quantität zurück-
zuholen, was ihnen in der Qualität vorenthalten
wurde. Die Zerrüttung des Geldwesens ließ
überall die Trümmer einer aufgelösten Ordnung
zurück. Ehrliche Gewerbetätigkeit, Treue und
Glauben, Recht und Sitte lagen zerstört und ent-
wertet am Wege dieser Entwicklung, die immer
mehr in das Chaos von Betrug, Raub und Plün-
derung, Brandschatzung und Krieg hineinsteuerte.
Und der ratlose Mensch, der nicht wissen konnte,
wie es zu all dem gekommen war, wähnte,
Hexen und böse Geister am Werke zu sehen.
Alle Kräfte des Untergangs steigerten ihre Wir-
kung mit dem zunehmenden Verfall bäuerlicher
und gewerblicher Existenzmöglichkeiten; und
der Dreißigjährige Krieg verwüstete das Land
und pflügte von 17 Millionen Deutschen 10 Mil-
lionen unter die Erde.


(*) Eckige, mit der Blech-Schere geschnittene Münzen, sog.
"Klippen", sind in der Regel Notgeld; sie sind jedoch im Me-
tallgehalt nicht immer minderwertig ausgeprägt worden. So ließ
der Kommandant einer belagerten Stadt, Marquis de Guebriant,
anno 1710 aus seinem eigenen Tafelsilber "Klippen" schlagen;
und anno 1578 - 132 Jahre früher - schlugen auch die bur-
gundischen Verteidiger der belagerten Stadt Amsterdam einsei-
tige Notklippen aus Kirchensilber.
Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
Zum Gästebuch
Zur Ursprungsseite