[ Homepage: www.geldreform.de ] [ Gäste- / Notizbuch: www.geldreform.de ]

Ein Kapitel aus:
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

GESELLIGKEIT UND KLEIDERLUXUS

Begreiflich ist, daß Hochzeiten von jeher mit
einem besonderen Aufwand gefeiert wurden.
Das wird ja auch heute noch so gehalten, wo
immer es möglich ist. Dennoch übersteigt der
Aufwand, den sich die damalige Zeit bei solchen
Anlässen leistete, unsere Fassungskraft und wir
würden die Berichte stark bezweifeln, wenn sich
nicht aus den verschiedensten Gegenden das
gleiche Bild ergeben würde. Bauernhochzeiten,
die eine Woche dauerten, an denen das ganze
Dorf teilnahm, bei denen es nicht selten so hoch
herging, daß das Völkchen sich in die Haare ge-
riet, wonach es noch blutige Köpfe gab, sind gar
nicht selten. In feinerer Art wurde in den
Städten mit festlichen Gelagen gefeiert, zu denen
in Anbetracht der großen Zahl der Gäste oft-
mals das Tafelsilber von den Rats- und Zunft-
genossen zusammengeliehen wurde. Von Augs-
burg ist vom Ausgang dieser lebensfrohen Zeit
überliefert, wie der Bäckermeister Veit Gundlin-
ger anno 1493 die Hochzeit seiner Tochter aus-
richtete. Da wurde an nicht weniger als sechzig
Tischen gespeist; an jedem Tisch saßen zwölf
Gäste, Männer, Junggesellen, Frauen und Jung-
frauen, zusammen 720 Hochzeitsgäste. Die Feier
dauerte 8 Tage. Es wurde so gegessen, getrun-
ken, getanzt, geneckt und gebuhlt, daß am sie-
benten Tag viele wie tot hinfielen (s. Scherr
a. a. O., S. 293).

Auch in anderer Hinsicht zeigte sich, daß man
im Wohlleben, im Essen und Trinken, wie über-
haupt in jeglichem Genuß des Daseins vor lau-
ter Übermut das rechte Maß allmählich zu ver-
lieren begann. Nicht genug, daß der Feierabend,
der Sonntag und die vielen Feiertage zur Erho-
lung, Entspannung und zum Genuß des Daseins
da waren, veranstaltete man auch besonders gern
Schützenfeste, Jahrmärkte mit allerlei Unterhal-
tungen und dergleichen. Natürlich wurden kirch-
liche Veranstaltungen immer auch zugleich An-
laß, mancherlei Volksbelustigungen, Pferderen-
nen, Turniere und ähnliches auszurichten, da bei
solchen Gelegenheiten viel Fremde zusammen-
kamen.

Die Kirche selbst war es, die dem Bedürfnis
nach Schau-Veranstaltungen entgegenkam und
die sogenannten "Mysterien-Spiele" pflegte, aus
denen sich auch die weltliche Schauspielkunst
entwickelte. Die berühmten Gmünder Passions-
spiele, im Freien an der Nordseite der gotischen
Kathedrale jeweils in der Karwoche aufgeführt,
haben sich bis in den Beginn des 19. Jahrhun-
derts erhalten und bildeten noch ein Jugend-
erlebnis von Friedrich Schiller.

Anläßlich des Konzils von Konstanz, das, wie
schon angeführt, 4 Jahre dauerte und eine Art
Europäischen Kongresses zur Ordnung kirch-
licher und weltlicher Dinge darstellte, wurden
von dem mit der Aufzeichnung der Gäste be-
trauten Bürger Ulrich Richtental 5 Patriarchen,
33 Kardinäle, 47 Erzbischöfe, 145 Bischöfe, 93
Weihbischöfe, über 500 geistliche Fürsten, 39
Herzöge, 32 gefürstete Herren, 141 Grafen, 71
Freiherren, 1500 Ritter, 20 000 Edelknappen
und 2000 Gelehrte von 37 Universitäten ge-
zählt. Es sollen zeitweise über 70 000 Fremde
in Konstanz gewesen sein. Daß bei solchen Ge-
legenheiten riesenhafte Umsätze in Brot und
Wein, Fleisch und Fisch und allem, was die
Welt bieten konnte, zustande kamen, versteht
sich von selbst.

Die patrizischen Kreise der Bürgerschaft ver-
anstalteten auch häufig Turniere, zu denen der
umwohnende Adel sich einfand und die ge-
wöhnlich mit einem prunkhaften Ball, dem Ge-
schlechtertanz, endigten. An solchen Veranstal-
tungen, zu denen Zinken und Schalmeien
Querpfeifen und Trommeln, Dudelsäcke und
Posaunen aufspielten, haben auch Kaiser und
Könige teilgenommen. Ein besonders lebens-
froher Herr scheint Kaiser Sigismund gewesen
zu sein; bei seinem Besuch in Straßburg tanzte
er im Reigen der Frauen noch nachts durch die
Straßen.

Bei den Turnieren waren oft wertvolle Preise
ausgesetzt; aber das Spiel mit den Waffen stei-
gerte sich mitunter zu erbitterter Heftigkeit.
So wird von einem Turnier zu Neuß bei Köln
berichtet, das im Jahre 1241 vor einer großen
Menschenmenge stattfand und bei dem 60 Rit-
ter tot auf dem Platz blieben - Symptome wil-
der Maßlosigkeit des überschäumenden Lebens.

Einen freundlicheren Ausgang nahm ein Tur-
nier, welches die Patrizier von Magdeburg anno
1229 veranstalteten; der "Turnierdank" war
nämlich ein schönes Mädchen, das einem Kauf-
herrn aus Goslar zugefallen war und von ihm,
der sich nobel zeigte, zu einer ehrbaren Hoch-
zeit ausgestattet wurde.

In einer Zeit, in der man im Essen und Trin-
ken, in Lustbarkeit und Unterhaltung trotz
aller Frömmigkeit kaum eine Hemmung kannte
- zumal der allgemeine Wohlstand alles er-
laubte - war natürlich auch die Kleidung diesen
Verhältnissen angepaßt. Männer und Frauen
waren gleicherweise bestrebt, in farbenpräch-
tigen und kostbaren Stoffen, daran es eine reiche
Auswahl gab, zu erscheinen. Der hansische Han-
del hatte namentlich im 12. und 13. Jahrhun-
dert viel Fremdartiges aus Italien, aus Byzanz,
dem Orient und aus Spanien nach der Heimat
gebracht. Die Kleidungsstoffe waren Leinewand,
deren feinste, sehr hochgeschätzte Sorte Saben
aus byzantinischen Webstätten kam; ferner
Wollenzeuge, Barragan, Buckeram, Brunat, Di-
asper, Fritschal, Kamelott, Serge, Scharlach, Sei,
sowie Seidenstoffe von mancherlei Art und
Farbe, die oft mit Gold- und Silberfäden durch-
woben waren, und endlich Pelze verschiedener
Gattungen, Hermelin, Marder, Biber, Zobel
usw. Hinzu kamen noch Metallstoffe und köst-
liches Steinwerk, zu Geschmeide wie zu Waffen-
zierat verarbeitet (S. J. Scherr: D. Kult.- u. Sitt.-
Gesch., S.117 ff).

Beide Geschlechter liebten das Farbenspiel,
an einem und demselben Kleidungsstück den
einen Ärmel grün, den anderen blau, ein Bein
gelb, das andere rot; alles das jedoch nicht nach
Willkür, sondern mit symbolischer Bedeutung
abgestimmt.

Die Mode war allezeit ein bevorzugtes Mittel,
durch welches der Mensch sein Geltungsbedürf-
nis gegenüber der Mitwelt offenbarte. So haben
auch die Frauen beispielsweise um das Jahr
1220 zum Kirchgang eine lange Schleppe hinter
sich hergezogen und der vorgenannte Verfasser
schreibt hierzu:

". . . sie machten sich wenig daraus, daß die
Priester gegen diesen Pfauenschweif eiferten und
behaupteten, dies sei der Tanzplatz der Teufel-
chen, und Gott würde, falls die Frauen solcher
Schweife bedurft hätten, sie wohl mit etwas
Derartigem versehen haben", - womit der Mut-
terwitz der Kleriker durchaus einleuchtend ar-
gumentiert haben dürfte; aber was nutzen schon
solche Argumente gegen die Eitelkeit der Frauen
und gegen den Spaß, den der Aufwand machte?

Die Obrigkeit hat sich in diesen Zeiten öfters
bemüht, "Kleiderordnungen" festzulegen, um
den unerhörten Luxus, den sich die Menschen
doch offensichtlich leisten konnten, einigermaßen
einzudämmen. Dabei ging es, was immerhin für
die wirtschaftliche Lage der niedrigen Volks-
schichten bezeichnend sein dürfte, darum, gerade
diesen Volksschichten das Tragen besonders
kostbarer Stoffe, wie Samt, Seide und Brokate
oder kostbares Pelzwerk zu untersagen. Man
hätte sonst die Stände nicht mehr voneinander
unterscheiden können! - Bezeichnend für die all-
gemeine Farbenfreudigkeit und für den Luxus
jener Zeit dürfte auch die Tatsache sein, daß Bi-
schof Johann von Straßburg anno 1317 sogar
dem Klerus seines Bistums bei Strafe des Kir-
chenbannes untersagen mußte, grüne, gelbe und
rote Schuhe zu tragen! -

Von der Ausgelassenheit der Modetorheiten,
an die man sein Geld verschwendete - und doch
immer wieder genug hatte, um auch noch andere
Dinge zu finanzieren - zeugten auch die bizar-
ren Formen der Schnabelschuhe, die Besetzung
von Schuhen und Wams mit Glöckchen, die Kap-
pen der Männer, von denen verschiedenartige
Zipfel über den Rücken herab bis zur Erde flos-
sen, an den Spitzen noch mit einem Glöckchen
besetzt. Ganze Zünfte, Kappenmacher, Schellen-
macher und dergleichen waren für die tollen
Modelaunen der Zeit beschäftigt - und doch gab
es keinen Mangel an nützlichen und notwendi-
gen Dingen, keinen Hunger, keine unabwend-
bare wirtschaftliche Not und kein kleinliches
Einsparen an jenen Aufwendungen, die zum
Wohle des Gemeinwesens wie auch zum Bau
der Kathedrale erforderlich waren. Braucht es
mehr, um zu begreifen, daß die Leistungen die-
ser Zeit aus einem echten Überfluß gekommen
sein müssen? -


Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
Zum Gästebuch
Zur Ursprungsseite