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Aus:

Lexikon für Theologie und Kirche

Begründet von Dr. Michael Buchberger

Herausgegeben von Josef Höfer und Karl Rahner

Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage; Zehnter Band; Seite 1245

Verlag Herder Freiburg, 1965

 

 

 

 

Wucher:

 

1. Begriffsbestimmung.

Unter Hinweis auf den geschichtl. Bedeutungswandel von W. (u. ebenso v. lat. „usura“) in pejorativer Richtung kann man im W. eine „Übervorteilung anderer im wirtschaftl. Verkehr, also Aneignung wirtschaftl. Mehrwertes ohne Gegenleistung zum Gleichwert“ (J. Messner), sehen. –

 

2. Einteilung

Der Individual-W. betrifft einzelne Personen oder Unternehmungen; der Sozial-W. spielt sich innerhalb einer Wirtschaftsgesellschaft ab, z.B. als Folge des Missbrauchs wirtschaftl. Macht (-zusammenballung) oder der Ausnutzung von Knappheitslagen in Notzeiten. Vom Sach-W. unterscheidet sich der (Dienst-) Leistungs-W. Besonders hervorzuheben: Darlehens-W. (-> Zins); bes. problematisch: Boden-W.; sozialgefährlich unter Umständen Lohn-W. u. in Notzeiten u. bei Marktbeherrschung der Preis-W. (z.B. Miet-W.).-

 

3. Die Besonderheit des W.

ergibt sich aus dem Missbrauch der Vertragsfreiheit unter Ausbeutung der Bedürfnislage anderer: Die W.-forderung übersteigt den eigentl. Wert. Vom Betrug unterscheidet sich W.: Jener geschieht ohne Wissen des Geschädigten; von der Erpressung: Diese ist gewaltsame Mehrwertaneignung. W. geschieht mit Wissen des Geschädigten unter Ausnützung seiner Notlage oder seiner Unwissenheit oder seines Leichtsinns. –

 

4. Beurteilung.

W. ist eine Verletzung der Gerechtigkeit u. der Nächstenliebe u. damit der sozialen Ordnung. Daher u. insoweit muß der Staat gg. den Individual-W. zivil- oder gar strafrechtl. Schützen; der schwieriger zu fassende Sozial-W. muß durch entsprechende Wirtschaftpolitik möglichst eingedämmt werden. Leider wird der W. oft ethisch nicht ernst genug genommen mitsamt den aus ihm folgenden evtl. Restitutionspflichten.-

 

5. Das eigentliche Problem beim W.

ist der Maßstab, an dem die Gleichheit von Leistung u. Gegenleistung zu messen ist, sowie die Festlegung der Grenze im individuellen u. sozialen Leben für den Satz: Volenti non fit iniuria.

 

6. Lit.:

O. v. Nell-Breuning: StL (5) V 1467 – 1478; ders.: StL (6) VIII 922-930; J. Messner; Naturrecht (I (4) 1960) 916f; Mausbach-Ermecke III passim.

 

G. ERMECKE